Franco Pessina ist ein Schweizer Architekt, der am 27. Januar 1933 in Lugano geboren wurde (siehe Abbildung 1). Nach dem Gymnasium absolviert er 1947-1951 in Bellinzona eine Bauzeichnerlehre. Anschliessend führt er zwischen 1953 und 1961 ein Architekturbüro.[1]

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Abb.1: Franco Pessina (Foto: Massimo, Schira, 2017)

Seine Werke sind massgeblich von der Zusammenarbeit mit dem Architekten Mario Campi geprägt, der am 18. April 1936 geboren wurde (siehe Abbildung 2). Wie auch Pessina wächst Campi im Tessin auf. Sein Architekturstudium absolviert er jedoch an der ETH Zürich. Zwei Jahre nach Erlangen des Diploms bricht Campi nach Lugano auf, wo er ab 1962 mit Pessina zusammenarbeitet.[2]

Mario Campi – Wikipedia

Abb.2: Mario Campi (Foto: ETH-BIB-Campi, Mario, 1997)

Ein grosser Teil ihres Werkes ist im Tessin realisiert. Die Lage dieses Kantons ist besonders. Einerseits ist das Tessin ein bedeutsamer Verkehrsknotenpunkt auf der Nord-Südachse des europäischen Verkehrs. Seine Naturschönheit begeistert durch zahlreiche Seen, Berge und Täler viele Touristen. Durch die Nähe zu Italien wurde es stark von Como und Mailand in kultureller und architektonischer Hinsicht geprägt. Andererseits zeichnet sich das Tessin auch durch seine eher provinzielle und schüchterne Art aus. Im Unterschied zu anderen Provinzen bleibt es jedoch aufgrund seiner guten Vernetzung in regem Austausch mit seiner Umgebung. Die Ambivalenz der Region spiegelt sich auch in den Werken Campi-Pessinas wider. Ihr Schaffen lässt sich sowohl als klar, präzis und nüchtern bezeichnen. Erkennbar wird dieser Rationalismus vor allem in der Verwendung geometrischer Formen und in der Strenge der Komposition. Wesenhaft für ihr Werk ist auch die optimale Aufnahme der örtlichen Begebenheiten. Die Verwendung der vorhandenen Materialien sowie der fliessende Übergang von Innen- und Aussenräume sind Charakteristiken der organischen Architektur. Der Einfluss der organischen Architektur von Frank Lloyd Wright kommt über Italien ins Tessin. Dieses Zusammenspiel von Identität und Angepasstheit lässt sich als Dualismus beschreiben.[3]

Wie zwei Seiltänzer begeben sich Campi und Pessina mit ihrer Architektur linienhaft über die Tessiner Schluchten, indem sie kontinuierlich die Vision ihrer Authentizität nicht aus den Augen verlieren, aber offen für äussere Einflüsse bleiben. So finden sich auch die historischen und kulturellen Entwicklungen der Region in den Werken von Franco Pessina und Mario Campi wieder. Koetter beschreibt ihre Architektur wie folgt: «Es ist eine Architektur, welche sorgfältigste Genauigkeit und zugleich eine oft berückende stoffliche Sinnlichkeit verrät – eine Architektur, die letztendlich gesehen und erlebt werden muss, wenn man ihren wahren Wert erkennen will.»

Abb.3: Werke von Campi und Pessina (Artikel: Paolo, Fumagalli, 2021)                                                                   1 Haus Felder, 1979 2 Haus Polloni, 1981 3 haus Boni, 1982 4 Haus Maggi, 1981 5 Turnhalle in Neggio, 1981

Aus dem Gesagten erschliesst sich, dass Mario Campi das Werk durch einen präzisen und nüchternen Aspekt geprägt haben muss, da in Zürich, wo er studierte und lehrte, eine eher rationalistische Haltung in der Architektur vorherrscht. Diese Rationalität findet ihren Ausdruck in der geometrischen Strenge, in den reinen und elementaren Formen, welche die Werke bestimmen (siehe Abbildung 3). Pessina vermag es, das Werk durch sein architektonisches Verständnis des Tessins mit der Landschaft verschmelzen zu lassen.

 

 

 

Literaturverzeichnis

[1] Frampton, Kenneth: Mario Campi Franco Pessina Architects. New York: Rizzoli, 1987, S 25.

[2] Möllfors, Karin: Mario Campi. Architekturen und Entwürfe. Basel: Birkhäuser, 2002, S 192.

[3] Feireiss, Kristin: Mario Campi Franco Pessina. Bauten und Projekte. Hoboken: Ernst & Sohn, 1994, S 6-28.

 

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Schira, Massimo: Franco Pessina. Aus: Massimo, Schira: Il mio lavoro oggi è il mio passatempo. 2017.

Abb. 2: Zweiger, Alexander: Mario Campi. Aus: Möllfors, Karin: Mario Campi. Architekturen und Entwürfe. Basel: Birkhäuser, 2002, S 192.

Abb. 3: Hofer, Karl: Tessiner Landschaft, 1925. Aus: Kallmann-Museum Ismaning: AussenWelt – InnenRaum: Landschaft, Interieur, Stillleben. Bilder aus der Sammlung Brabant. Bonn: 2020.