Ein Gang hinauf zur Burg auf dem Hügel mit Blick auf die Stadt, die zu ihren Füssen liegt. Eine kurze Reise in die Vergangenheit und die Erfahrung, wie einem Ort eine neue Bedeutung zugewiesen wurde.

Der Hügel, der sich mitten in Bellinzona emporhebt, wirkt wie eine kleine Akropolis und verleiht der Stadt ihren ganz eigenen Charakter. Auf ihm steht die Burg genannt Castelgrande.[1] „Im 13. Jahrhundert neu errichtet und in der Folge kontinuierlich auf-, um- und abgebaut, diente das Castelgrande mit seinen stattlichen Mauern, Vorwerken und Türmen unterschiedlichsten Zwecken.“[2] In den Jahren 1982-92 wurde das Castelgrande nach dem Entwurf des Architekten Aurelio Galfetti restauriert und in seinen jetzigen Zustand überführt.[3]

Abb. 1: Castelgrande in Bellinzona Vogelperspektive (Agenzia turistica ticinese SA., 2021)

Aus der Altstadt von Bellinzona führt die Salita Castelgrande, eine breite Asphaltstrasse, hinauf zum Castelgrande, das auf einem Gneisfelsen[4] zentral in der Stadt thront.  Zur linken Seite erheben sich grüne Rebberge, Steinmauern lassen das Castel erahnen. Zur rechten Seite eröffnet sich der Blick über die Altstadt. Sachte steigt die Strasse nach oben und windet sich stetig, leicht hin zum höchsten Punkt. An der stärksten Krümmung der Strasse fällt der Fels rechterhand steil ab. Unterhalb liegt die Piazza del Sole, die unbegrünt mit ihrem Plattenboden der Sonne ausgesetzt ist. Der Blick schweift in die Weite des Tals, das sich an einem gewissen Punkt aufteilt. Links, eingebettet in die massiven Steinmauern und eingelassen in den rauen Fels, plätschert Wasser. Tritt man zwischen den hohen Mauern hindurch, befindet man sich auf einer Wiese, umgeben von Steinmauern. Steintritte sind in diese Mauer eingelassen, kragen aus und ermöglichen ihre Begehung. „Der Bezirk zwischen Schloss und Einfassungsmauer, einst für Bodenbewirtschaftung und Viehzucht genutzt, wird zum Park. Das Vergnügen ersetzt so die mühevolle Arbeit, das Spiel die Verteidigung.“[5] Im Rücken befinden sich, steil aufragend, die Fassade des Burggebäudes, die heute ein Museum beherbergt. Folgt man der Strasse weiter, gelangt man in den Innenhof und sieht das Gebäude, dass sich von dieser Seite freundlicher und weniger abweisend präsentiert. Links erheben sich zwei grosse Türme – Torre nera und Torre bianca[6], die durch einen erhöhten Gang miteinander verbunden sind. Den Innenhof durchschreitend, gelangt man auf die andere Seite, wo eine gepflasterte Strasse nach unten führt. Diese ist eingebettet zwischen der alten krummen Burgmauer und einer neuen geraden Mauer.[7] Plötzlich steht man vor einem Lift, der auf den ersten Blick so gar nicht hierhin passen will. Dieser ist eingelassen in eine Betonwand, die mit dem Felsen zu verschmelzen scheint. Der Lift führt nach unten, mitten in den Fels. Es ist dunkel aber von oben fällt Licht ein. Ein Licht am Ende des schmalen Durchgangs zieht einen nach draussen. Die Wände bestehen aus Beton, jedoch fühlt es sich an, als ob man mitten im Felsen angekommen ist. Die Betonwände und Decke erhebt sich über einem. Ein letzter Schritt und man ist aus dem Betontunnel, befindet sich zwischen hohen imposanten Felswänden und tritt hinaus auf die Piazza del Sole, wo man von der hellen Sonne geblendet wird. Der helle, offene Platz steht im starken Kontrast zum dunklen engen Durchgang im Fels, aus dem man kommt, genauso wie die Temperatur, die von kalt auf heiss wechselt innert Sekunden. Die von Vegetation befreite Felswand bildet einen Sockel für das Castelgrande sowie eine Art Fassade für die Piazza del Sole.[8]

Abb. 2: Eingebauter Lift, Castelgrande (Galfetti 1987, S. 15)

Abb. 3: Eingang Castelgrande von Piazza del Sole (Lizzie Crook, Foto: Simone Bossi, 2021)

Abb. 4: Situationsplan Castelgrande (Massarente 1997, S. 17)

Abb. 5: Grundrissplan Castelgrande Erdgeschoss (Massarente 1997, S.18)

Abb. 6: Schnitt A-A Castelgrande (Massarente 1997, S. 19)

 

Endnoten

[1] Galfetti 1987, S. 12.
[2] Ebd.
[3] Neue Zürcher Zeitung, 03.03.2001.
[4] Werner 1992, S. 6.
[5] Galfetti 1987, S. 14.
[6] Werner 1992, S. 8.
[7] Galfetti 1987, S. 16.
[8] Galfetti 1987, S. 12 + 13.

 

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Castelgrande in Bellinzona Vogelperspektive (Agenzia turistica ticinese SA., 2021)
Abb. 2: Eingebauter Lift, Castelgrande (Galfetti 1987, S. 15)
Abb. 3: Eingang Castelgrande von Piazza del Sole (Lizzie Crook, Foto Simone Bossi, 2021)
Abb. 4: Situationsplan Castelgrande (Massarente 1997, S. 17)
Abb. 5: Grundrissplan Castelgrande Erdgeschoss (Massarente 1997, S.18)
Abb. 6: Schnitt A-A Castelgrande (Massarente 1997, S. 19)

 

Quellenverzeichnis

Agenzia turistica ticinese SA.: Castelgrande. Aufgerufen von https://www.ticino.ch/de/commons/details/Castelgrande/2793.html (19.06.2021).

Crook, Lizzie: Castelgrande’s bunker-like entrance captured in photos by Simone Bossi. 06.01.2021. Aufgerufen von https://www.dezeen.com/2021/01/06/simone-bossi-castelgrande-entrance-aureliog-galfetti/ (09.06.2021).

Galfetti, Aurelio: Restaurierung des Castelgrande in Bellinzona. In: Anthos (Zurich). 1987, 26(1), S. 12-16.

Massarente, Alessandro: Castelgrande a Bellinzona. Firenze: Alinea Editrice, 1997.

Ohne Autor: Castello propositivo. In: Neue Zürcher Zeitung, 03.03.2001. Aufgerufen von https://www.nzz.ch/article74H8C-1.471307?reduced=true (09.06.2021).

Werner, Frank: Aurelio Galfetti. Castelgrande, Bellinzona. Berlin: Ernst and Sohn, 1992.