Digitaler Prozess in einer Jugendarbeit

von Cosima Kehl, Absolventin Minor Digitalisierung und Soziale Arbeit, Mai 2022

Wenn man Digitalisierung richtig betreibt, wird aus einer Raupe ein Schmetterling. Wenn man es nicht richtig macht, hat man bestenfalls eine schnellere Raupe (George Westerman, ohne Datum).

Dieser Vision hat sich die Autorin in ihrem Projekt verschrieben. Die Institution beauftrage die Autorin: «Die bestehende Website der Jugendarbeit in die Hauptwebsite der Institution zu integrieren.» Als Fachperson der Sozialen Arbeit hat die Autorin die Chance erfasst und den Nutzen der Webpräsenz kritisch hinterfragt. Dafür wurde eine Situations- und Bedürfnisanalyse vorgenommen. Der aktuelle Webauftritt wurde anhand der SWOT Analyse auf Stärken, Schwächen, Verbesserungspotenzial und mögliche Risiken analysiert. Im folgenden Beitrag wird kritisch reflektiert, wie digitale Prozesse in der Institution gestaltet sind und mögliches Potenzial für die Zukunft aufgezeigt.

Bedürfnisanalyse als partizipativer Prozess

Für die Bedürfnisanalyse der unterschiedlichen Anspruchsgruppen hat die Autorin eine gemischte qualitative- und quantitative Umfrage mit der Windows-Office-Anwendung Microsoft Forms konzipiert. Durch dieses digitale Tool konnte einerseits die Anonymität und die Persönlichkeitsrechte der Teilnehmenden, gemäss dem Ethik-Kodex der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) eingehalten werden. Andererseits wurde das Datenschutzgesetz (IDG) des Kanton ZH eingehalten, indem nur notwendige Daten erhoben wurden.

Für eine fundierte Interpretation der Daten wurde eine Steuergruppe aus je zwei Fachpersonen, Eltern und Jugendlichen zusammengestellt. Partizipation wurde in diesem digitalen Transformationsprozess grossgeschrieben. Die Autorin wollte die Zielgruppe von Konsument:innen der Website zu Beteiligten machen. Gemäss Stade (2019) werden so Handlungsabläufe aufgebrochen und Machtgefügen entgegengewirkt. Solche informellen Verfahren der Partizipationsmöglichkeit bieten das Potenzial, dass mehr Raum für soziale Gerechtigkeit entstehen kann (S. 52-53).

Erkenntnisse aus der Bedürfnisanalyse

Die Umfrage hat klar hervorgehoben, dass die Website zur Informationsbeschaffung von Eltern der Jugendlichen, Behörden oder anderen Jugendarbeitsstellen dient und somit dem primären Zweck der Öffentlichkeitsarbeit erfüllt. Die Annahme, dass Jugendliche sich vorzugsweise über den Social-Media-Kanal informieren, konnte die Bedürfnisanalyse belegen. Im Podcast dieses Blogbeitrags hören wir einige Stimmen dazu.

 

Im nächsten Schritt hat die Autorin kritisch hinterfragt, welcher Nutzen die Website aufweisen soll. Gemäss dem Leitfaden Digitale Medien in der OKJA (Digitale Medien in der OKJA – Doj WIKI)  wird unterschieden zwischen der Perspektiven des Nutzens für die Institution und Nutzen für die Zielgruppen. Der Leitfaden weisst auf das Potenzial einer Auseinandersetzung und möglicherweise Optimierung der digitalen Öffentlichkeitsarbeit hin (Sedano et al., 2018). In der Grafik ist grün eingefärbt, welches Ziel die Website der Jugendarbeit primär verfolgt.

Abbildung 1: Angepasste Grafik Perspektive des Nutzens (Sedano et al., 2018)

Potenzial einer digitalen Strategie

In der Umsetzung wurde der Autorin bewusst, dass die Institution über keine digitale Strategie verfügt, welche einen Rahmen bietet, mit welchen Massnahmen die Zielgruppe unterstützt und begleitet werden sollen. Hier sieht die Autorin Potenzial, so dass die Ressourcen der Fachpersonen gebündelt in zeitgemässe Formen von digitalen Medien investiert werden, so dass sie in ihrer Lebenswelt abgeholt werden (Sedano et al., 2018). Für die digitale Transformation können Leitfragen hilfreich sein (Gretler&Doerk, 2022).

Abbildung 2: Leitfragen Digitale Strategie (Gretler & Doerk, 2022, unveröffentlichtes Skript)

Sedano et al. (2018) führen im Leitfaden zu digitalen Medien in der OKJA aus, dass eine wichtige Voraussetzung für eine gute Basis die richtigen technischen Werkzeuge voraussetzen. Es soll gut geplant sein, welche Online-Plattformen, Softwares, Apps oder Websites am geeignetsten für eine zielführende Planung und Durchführung der Aktivitäten sind. Digitale Tools müssen situationsbedingt und sozialräumlich angewendet werden sollen. Die Reflektion der geeigneten Tools unterliegt somit einer kontinuierlichen Analyse und möglicherweise Überarbeitung. Eine Empfehlung geeigneter digitalen Werkzeuge im Arbeitsfeld der Jugendarbeit ist aus diesem Grund vom Dachverband der offenen Kinder- und Jugendarbeit nicht zu finden.

Eine differenzierte Betrachtung der Perspektiven kann die Fachpersonen unterstützen, konkrete Ziele der digitalen Medien festzulegen, so dass die Entwicklungsschritte für Fachpersonen und die Zielgruppen definiert werden können.

Da Hard- und Software einem raschen Wandel unterlegen sind, empfehlen Sedano et al. (2018), nicht einzelnen Anwendungskonzepte zu widmen, sondern einem digitalen Nutzungskonzept auszuarbeiten. Dabei gilt es zu definieren, welche digitalen Werkzeuge wie genutzt und bewusst nicht genutzt werden (ebd.).

Digitale Transformation braucht Ressourcen

Der Autorin wurde bewusst, dass aktuell digitale Kompetenzen der Mitarbeitenden nicht gefördert werden. Für eine Veränderungen sind strategische, wie operative Anpassungen nötig. Es reicht nicht, die Transformation zur Priorität zu erklären, sondern es braucht Ressourcen und das Wissen der Mitarbeitenden, um diese umzusetzen. Es braucht eine verantwortliche Person in der Institution, damit digitale Transformationsprozesse adäquat reflektiert und begleitet werden. Dies würde nicht nur der Bereich der Jugendarbeit betreffen, sondern die Organisation als Ganzes ermächtigen, damit die digitale Transformation professionell weiter vorangetrieben werden kann (sozialdigital, 2021).

Quellen

Deutsche Gesellschaft für Soziologie (2017). Ethik-Kodex der deutschen Gesellschaft für Soziologie [DGS] und des Berufsverbandes Deutscher Soziologinnen und Soziologen [BDS]. https://soziologie.de/dgs/ethik/ethik-kodex

Gesetz über die Information und den Datenschutz [IDG] vom 12. Februar 2007. http://www2.zhlex.zh.ch/appl/zhlex_r.nsf/WebView/E8DBD53582C9856EC125856E0024020B/$File/170.4_12.2.07_109.pdf

Gretler Heusser, Simone & Doerk, Michael (2021). Modul 292 – Tag 1 30.11.2021. Digitalisierung in Organisationen der Sozialen Arbeit. Unveröffentlichtes Skript. Hochschule Luzern

 Huber, Alois, Luginbül, Monika, Doerk, Michael, Sierra-Barra, Sebastian, Stade Peter, Oliver, Waldis, Barbara & Schädler, Sebastian (2021). Positionspapier: Soziale Arbeit und Digitalisierung. https://www.sozialdigital.eu/wp-content/uploads/2020/09/Positionspapier_DE.pdf

Legislaturziele des Kirchenrats: 2020-2024 (ohne Datum). 5. Digitalen Wandel gestalten. https://www.zhref.ch/vision/legislaturziele/5-digitalen-wandel-gestalten

Sedano, Laurent, Loosli, Lukas, Hüppi, Renato, Oester Roman, Rösch, Eike, Steiner, Olivier, Freuler, Rafael (Juli 2018). https://wiki.doj.ch/wiki/Digitale_Medien_in_der_OKJA#Grundhaltung

Stade, Peter (2019). Partizipation. In Alex Willener & Annina, Friz (Hrsg.), Integrale Projektmethodik (S. 50-67). Interact.

Westerman, George (ohne Datum). https://digitaleneuordnung.de/blog/zitate-digitalisierung/

Abbildungsverzeichnis:

Abbildung 1: Angepasste Grafik von Cosima Kehl (2022). Originalquelle https://wiki.doj.ch/wiki/Digitale_Medien_in_der_OKJA#Grundhaltung

Abbildung 2: Gretler Heusser, Simone & Doerk, Michael (2021). Modul 292 – Tag 1 30.11.2021. Digitalisierung in Organisationen der Sozialen Arbeit. Unveröffentlichtes Skript. Hochschule Luzern

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