Wandel im freiwilligen Engagement

von Meyer Beatrice, Absolventin Minor Digitalisierung und Soziale Arbeit, Mai 2025

Die freiwilligen Helfer:innen kommen an ihre Grenzen – sowohl in der Koordination, in der Kommunikation, in der Kooperation wie auch mit ihren Ressourcen. Es fallen Äusserungen wie: « Es ist obligatorisch, dass ihr dabei seid!» «So viel Präsenz – ist das noch freiwillig?» «Ich möchte aufhören, aber ich finde keine Nachfolger.» Die Aussagen lassen aufhorchen! Soll freiwilliges Engagement nicht vor allem Spass machen, sinnbringend sein und soziale Beziehungen fördern. Braucht es Veränderung? Ist eine Digitalisierung sinnvoll? In einem Workshop mit dem Titel «engagiert – ich gestalte mit!» haben wir uns damit auseinandergesetzt und sind vom digitalen Koordinationstool zu vielen weiteren Themen gelangt. Beziehungspflege, Wertschätzung, bewusster und achtsamer Umgang miteinander, Bekanntmachung sind nur einige Themen, die eingeflossen sind.

Bild: care (eigene Darstellung)

Ist soziales Engagement noch lebenstauglich?

Das soziale Engagement der Menschen hat in der Schweiz eine lange Tradition und basiert auf den Prinzipien vom Föderalismus, gelebter Demokratie und Solidarität (Migros-Kulturprozent, 2010, S. 19). Eine unglaublich bereichernde, wie auch belastende Aufgabe, die jede:r von uns zu tragen hat. Wie können wir dem gerecht werden in dieser beschleunigten, digitalisierten, mobilisierten, individualisierten und anonymisierten Gesellschaft? Welche Veränderungsprozesse braucht es, damit diese gelebte Empathie und Verantwortung auch getragen werden kann?

Am Workshop «engagiert – ich gestalte mit!» wurden 10 Personen eingeladen, welche ehrenamtlich tätig sind oder sich freiwillig engagieren bei der Römisch – Katholischen Kirche Oberaargau im Kanton Bern.

Die röm. – kath. Kirche im Kanton Bern ist geprägt von einer kulturellen und sprachlichen Vielfalt. Die Berner Landeskirchen haben neben ihrem spirituellen Wirken einen gesamtgesellschaftlichen Auftrag vom Kanton. Sie sollen mit ihrem Wirken im gesamtgesellschaftlichen Interesse zur solidarischen Gemeinschaft, zur Vermittlung grundlegender Werte, zum Frieden unter den Religionen, zur religiösen Bildung und zur Kulturpflege beitragen (Gesetz bernischer Landeskirchen, 2018, S. 1).

Dieser Auftrag kann nur mit freiwilligem oder ehrenamtlichen Engagement umgesetzt werden. Er verlangt viel Sensibilität und Offenheit. Der Umgang mit Macht und dessen Missbrauch in der Vergangenheit der Kirche verunsichert. Sind diese Sensibilität und Offenheit durch die Kirche möglich? Die Absichtserklärung und die Aufarbeitung des Missbrauchs sowie die Auseinandersetzung mit Werten, Haltungen, Strukturen und Systemen weist auf ein reflektiertes Handeln hin (Dienststelle Missbrauch im kirchlichen Kontext, 2025).

Walter Schmid (2011) nennt als Schlüssel für ein friedliches Miteinander die Glaubensfreiheit durch den säkularen Staat, die Anerkennung, dass Kultur und Religion in einem Wechselspiel stehen und sich gegenseitig beeinflussen und die Anerkennung von Grenzen des Religiösen, die der moderne, demokratische Staat setzen muss (S. 11).

Die Teilnehmenden am Workshop sind sich einig, dass das Zusammenleben nur mit und durch die Menschen funktioniert. Die Kirche kann durch ihre Vernetzung, durch die vorhandenen Räumlichkeiten und Infrastrukturen sowie mit den Menschen einen wertvollen Beitrag zu einer friedlichen und solidarischen Gesellschaft leisten, wenn sie ethisch, authentisch, empathisch und auf Augenhöhe handelt.

Digitale Tools als Unterstützung für das Engagement

Bisher lokal und eher informell organisiert, kommen die freiwilligen Helfer:innen an ihre Grenzen. Die individualisierten Lebensformen benötigen eine andere Form des Freiwilligenengagements. Für alle Workshop-Teilnehmenden ist klar – die Koordination des freiwilligen Engagements benötigt einen Wandel, unterstützt durch digitale Tools und mit Raum für Mitgestaltung, persönliche Kontakte, Selbstbestimmung und Partizipation. Die Teilnahme darf jedoch nicht davon abhängig gemacht werden, digital versiert zu sein. Weiterhin braucht es analoge Austauschformen und Kanäle, um sich einbringen zu können.

Entstanden ist eine Vision zu «engagiert – ich gestalte mit!»

Aus beiden Welten

Gemäss einer Umfrage am Digitaltag im Oktober 2018 wünschen sich 48 % der Befragten inmitten der Digitalisierung und Veränderungsprozessen eine Arbeitswelt, in der der Mensch im Mittelpunkt steht und eine Arbeitstätigkeit, die Relevanz und gesellschaftliche Bedeutung hat (PwC, 2018, S. 9).

Freiwillig Engagierte wollen mitreden. Dazu braucht es Partizipationsmöglichkeiten. Digitale Tools können Partizipation erleichtern, sofern die nötigen Kenntnisse vorhanden sind. Medienkompetenz stellt heute eine Kernkompetenz dar. Doch nicht alle haben die nötigen Kenntnisse über Datensicherheit, Umgang mit sensiblen Daten oder dem Recht am Bild. Im Herbst ist daher ein Workshop zu Medienkompetenz für freiwillig Engagierte und Mitarbeitende der Römisch – Katholischen Kirche Oberaargau in Planung.

Interessanterweise wurden am Festival für die digitale Gesellschaft 2025 in Berlin diese Thematiken ebenfalls bearbeitet. Am Forum re:bublica 25: Digital die Welt retten? – NGO Arbeit @ Ehrenamt im Wandel der Zeit wurden die Vor- und Nachteile, Risiken sowie Anwendungen von digitalen und analogen Mitteln und Kanälen miteinander abgewogen. Aus beiden Welten das Beste mitnehmen, war ein Fazit von M. Quast, Lead Ehrenamt Programme, Vier Pfoten- Stiftung für Tierschutz. Die Reichweite könne mit der Digitalisierung vergrössert werden, jedoch blieben Aktionen auf der Strasse extrem wichtig (2025, 33:03).

Diese Erkenntnisse bestätigen unsere Workshop-Erfahrungen und unterstreichen die Notwendigkeit hybrider Ansätze in der Freiwilligenkoordination.

 

Quellenverzeichnis

Gesetz über die bernischen Landeskirchen. (2018). Landeskirchengesetz, LKG. https://www.belex.sites.be.ch/app/de/texts_of_law/410.11

Dienststelle Missbrauch im kirchlichen Kontext. (2025). Missbrauch im Kontext der katholischen Kirche Schweiz: Faktenblatt zum Stand der Umsetzung der 2023 beschlossenen Massnahmen und weiteres Vorgehen. https://www.kathbern.ch/fileadmin/user_upload/kathbern/PDFs/missbrauch/Missbrauch_kirchl_Kontext_Faktenblatt_Medieninformation_250129_DE.pdf

Migros-Kulturprozent (Hrsg.). (2010). Die Kooperation von Gemeinden und Vereinen: Eine Kosten-Nutzen-Analyse in zehn Schweizer Gemeinden. https://sgg-ssup.ch/wp-content/uploads/2020/11/Vereinsweg-Gesamtstudie.pdf

PwC. (Hrsg.). (2018). Welche Farbe hat die Zukunft? Digitalisierung und die Arbeitswelt der Zukunft: Digitaltag 2018. https://www.pwc.ch/de/publications/2018/Welche_Farbe_hat_Ihre_Zukunft-Digitaltag_2018.pdf

Quast, M. (Diskussionsteilnehmer:in). (2025, 27. Mai). re:publica 25: Digital die Welt retten? – NGO Arbeit & Ehrenamt im Wandel der Zeit. In H. Klimpke (Moderator:in), re:publica 25 [Festival]. youtoube. https://www.youtube.com/watch?v=PYxUspLOCqU

Schmid, W. (2011). Einführungsreferat: Religionen – ich, wir und die anderen. Werkstattheft HSLU SA

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