9. – 10. Juni 2022, Hochschule Luzern (Online-Teilnahme möglich)
Vorträge | Programm | Anmeldung
Im Verlauf künstlerischer Experimentationen kontaminieren intuitive Vorgehensweisen die Wissenschaftlichkeit mit Subjektivität, da ihnen die Perspektive der forschenden Künstler:innen eingeschrieben ist. Zugunsten transparenter Forschungsmethoden müssen im künstlerischen Dispositiv die Spuren der Forschungstätigkeit und damit die subjektiven Anteile der Prozesse aufgezeigt werden. Der Workshop Multiperspektivik und Intersubjektivität wird sich am 9. und 10. Juni 2022 dem Phänomen der mehrkanaligen Inszenierung zeitbasierter Medien im Raum widmen. Wir suchen nach Ansätzen und Hypothesen, welche mehrkanalige Dispositive nutzen, um die Transparenz im Umgang mit der Subjektivität oder Kontingenz zu reflektieren. Indem divergierende Sicht- und Darstellungsweisen konzipiert werden, birgt die Gleichzeitigkeit mehrerer Kanäle das Potenzial unterschiedliche Perspektiven in einer räumlichen Erzählweise zu veranschaulichen.
Forschungshypothese
Dem verkörperten Standpunkt der Betrachtenden kommt in räumlichen Dispositiven zeitbasierter Medien eine zentrale Rolle zu; einerseits als Ankerpunkt der jeweiligen Perspektive auf das Werk, andererseits als Agent, der aktiv die Wahlfreiheit über ersteren ausübt. Jene subjektive Wahrnehmung – der Künstler:in oder Betrachter:in – wird in Verbindung mit dem technologischen Dispositiv zur Einheit und zum erweiterten Raum künstlerischen Experimentierens, der so als ganzheitlicher Ort der Erkenntnis zum Vorschein treten kann. Wenn wir das Potenzial betrachten, das die Simulation von Perzeption in Echtzeit in der Inszenierung birgt – beispielsweise durch Video, Sound, sensorielle Substitution in VR/AR/XR, biometrische Sensoren oder intelligente Algorithmen, stellt sich wiederum die Frage nach der Wahrnehmung und ihrer Objektivierung. Räumliche Aspekte, die über die Apparatustheorie hinausgreifen, weisen auf das Thema der Leiblichkeit und der mechanischen Reproduzierbarkeit gewisser Phänomene der Wahrnehmung hin, sowie auf einen der Technologie selbst inhärenten Abstraktions- oder Automatisierungsprozess.
Diskussion
Mehrkanalige Erzählweisen können in der Wissenschaft ihren Anteil leisten, mit gegenüberliegenden Realitäten zu verhandeln, um einen intersubjektiven Konsens herzustellen. Anhand von Arbeitsnotizen, Spekulationen und Projektskizzen wollen wir mit den Teilnehmer:innen des Workshops diese Zusammenhänge transdisziplinär betrachten. Passend zum übergeordneten Thema soll die Vielfalt der präsentierten Ansätze die Diskussion der experimentellen Forschung erweitern. Gesucht sind weniger die fertigen Resultate einer Installation oder Forschung als die Spuren von experimentellen Prozessen und Methoden zur künstlerischen und räumlichen Auseinandersetzung.
Forschungsfragen
Es sind Konzepte gesucht, die sich räumlich, figürlich oder abstrakt mit multiperspektivischen Konstrukten in der künstlerischen Praxis auseinandersetzen, aber auch solche, die sich phänomenologisch mit der Intersubjektivität im künstlerischen Diskurs befassen wollen.
Ausgehend von experimentellen künstlerischen Praktiken, die mit installativen Arbeiten fest im Kunstraum verwurzelt sind, wollen wir auch mehrkanalige Dispositive miteinbeziehen, die für den Bühnenraum und das Theater oder für den virtuellen Raum geschaffen sind.
Wie wird im figürlichen – physischen, virtuellen, medialen, sonifizierten oder gefilmten – Raum die Intersubjektivität mittels eines mehrkanaligen Dispositivs so thematisiert, dass die experimentelle Forschung als solche explizit wahrgenommen werden kann? Wie erschliesst die empirische künstlerische Arbeit den Begriff der Intersubjektivität sprachlich?
Welche Subjekte werden in Werken konstituiert, in denen Algorithmen die Kunstproduktion generieren? Mit welchen Identitäten werden jene besetzt? Wie könnten diese generativen Identitäten im Rahmen der Dikussion um Intersubjektivität formalisiert werden?
Werden durch diese methodischen Ansätze Erkenntnisse für die Wissenschaft gewonnen, die die Spaltung in Objekt und Subjekt, Wahrgenommenem und Wahrnehmendem, Körper und Raum überwinden?
Welche Arten von Erzählungen sind mehrkanaligen Formen eigen? Was geschieht mit der Narration, wenn sie nicht dramaturgisch konzipiert wird, sondern räumlich über eine intersubjektive Erzählstruktur generiert wird? Ist der figürliche Raum oder die Konfiguration von Materie in audiovisuellen Installationen als eigenständiger Kanal der Narration zu verstehen.