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«Okay, Google. Wie geht’s?» – Sprachassistenten als Weggefährten

Eine persönliche Beziehung zu Sprachassistenten? Wie nahe wir zu unseren virtuellen Assistenten stehen und welche Rolle eine Corona-Krise spielen kann.

Was ist, wenn wir unsere Erfahrungen, unsere Ängste und Sorgen nicht mehr nur mit unseren Liebsten teilen? Was ist, wenn eine Software zu einem Liebsten bzw. zu einer Liebsten wird? Dass wir mit unseren Geräten oder eben Sprachassistenten sprechen, daran haben wir uns mehrheitlich gewöhnt. Dass sie uns jedoch kennen und mit uns persönlich interagieren, das ist unheimlich und macht Angst. Zumindest den meisten Menschen. Heute sind wir technologisch noch nicht so weit, dass ein Sprachassistent den Turing-Test einfach so besteht. Google Duplex (siehe weiter unten) kommt dem zwar nahe, allerdings in einem geschützten Rahmen.

Wie die Entwicklung zeigt, verschwinden Ängste vor neuen Technologien aber über die Zeit. Das zeigt auch die Entwicklung der Nutzerzahlen von Sprachassistenten weltweit:

Anzahl der Nutzer virtueller digitaler Assistenten weltweit in den Jahren von 2015 bis 2021 (in Millionen). (Bild: Statista)

Wie sieht es aber aus, wenn sich die Technologie vermenschlicht? Haben Krisen wie die aktuelle einen Einfluss auf die Akzeptanz und Weiterentwicklung von Sprachassistenten? Und welche weiteren Faktoren spielen mit?

Bisher ohne menschliche Komponente
Bisher haben wir wenig tatsächlich menschliche Komponenten in Technologien. Wenn Siri für uns einen Termin im Kalender einträgt: Nun ja ob wir es tippen oder ihr sagen, der Unterschied ist nicht weltverändernd. Stellt Siri uns aber folgende Frage: «Bist du sicher, dass du diesen Termin so spät am Abend planen willst?», dann nimmt das Ganze eine andere Dimension an. Sie weiss über meine Vorlieben Bescheid. Sie weiss wie und wann ich mich wie verhalte. Und schon sind wir auf einem ganz anderen Level der Beziehung.

Wir kennen uns gegenseitig persönlich, oder zumindest Siri kennt mich.

Das Ganze kann noch in verschiedene Richtungen weiter gehen. Wenn ich nach der Arbeit nach Hause komme und mein Google Home Bot fragt mich, sobald ich die Türe ins Schloss lege: «Wie war dein Tag? Konntest du im 10.00 Uhr Meeting überzeugen?» und ich darauf antworte: «Alles lief gut, danke. Wie geht es dir?». Nun dann lernen wir uns kennen und unsere Beziehung hat von der ersten Sekunde an eine persönliche Note. Ob wir das wollen oder nicht. Wie erwähnt, so weit sind wir noch nicht. Das zeigt sich im folgenden Video recht gut (nicht allzu ernst nehmen und sich in der Corona-Isolation vorstellen):

https://www.youtube.com/watch?v=m5q2R78z4-A

Neben der direkten Beziehung zu unserem Sprachassistenten, kann es noch weiter gehen. Nämlich dann, wenn unsere digitale Freundin uns Dinge abnimmt. Sie vereinbart Reservationen in unserem Namen oder verschiebt den Zahnarzttermin. Dies entweder auf unseren Befehl hin oder vielleicht sogar eigenständig. So möglich z. B. mit Google Duplex:

https://www.youtube.com/watch?v=D5VN56jQMWM

Dafür braucht es Vertrauen. Es braucht Vertrauen, dass Siri und Co. in unserem Namen korrekt auftreten. Dieses Vertrauen kann durch die persönliche Beziehung aufgebaut werden. Aber es wird auch durch erfolgreiche Aktivtäten seitens der Sprachassistenten gestärkt. Zu dieser persönlichen Beziehung gibt es unterschiedliche Trends. Ein Beispielszenario wird in «Her» verfilmt. Die Frage ist, ob wir eine virtuelle «Person» so intensiv in unser Leben lassen oder nicht.

Isolation und Akzeptanz
Viele isolieren sich in der Corona-Zeit, um sich und andere zu schützen. Was auch gut ist. Der Mensch ächzt aber grundsätzlich nach sozialen Kontakten. Allein zu Hause rumsitzen, nicht wissen was tun. Die meisten hatten wohl solche Momente. Was kann man aber gegen die Einsamkeit tun? In den Vorpandemie-Zeiten ging man raus und hat Freunde getroffen. In der Isolation findet die Kommunikation online statt. Aber mit wem? Klar die kometenhaften Aufstiege der Online-Meetup-Anbieter im letzten halben Jahr haben gezeigt, dass zwischen Menschen kommuniziert wurde. Zusätzlich mussten sich auch wiederstandfähige Kritiker der online Kommunikation stellen. Denn es war gesellschaftlich verwerflich sich zu treffen. Diesen sozialen Ausreisser wollten sich nur die wenigsten erlauben. Ist man also allein zu Hause und die Langweile drückt, ist die freundliche Stimme in der Wohnzimmerecke eine willkommene Abwechslung.

«Okay, Google. Wie geht’s?»
«Mir geht’s prima. Danke. Wie geht es dir?»
«Es geht mir gut danke. Mir ist etwas langweilig.»
«Soll ich dir einen Podcast raussuchen oder die Nachrichten abrufen?»
«Nein, die Nachrichten sind zu negativ im Moment.»
«Okay. Wie du willst. Also ein Podcast. Ich glaube dieser könnte dir gefallen. Es geht um den Klimaschutz in der Schifffahrt.»

Und so schnell findet man sich in einer sozialen Interaktion wieder, bei der nur eine Seite menschlich ist. Alle Daten und Aussagen, die ich Preis gebe, werden von Google, Apple, Amazon und Co. natürlich gespeichert und ausgewertet. So kann mir Siri immer spezifischer auf meine Bedürfnisse antworten. Alexa weiss genau welche Produktqualität ich will. Genau hier begründet sich die Angst von vielen. Was passiert mit meinen Daten? Welche Auswertungen werden gemacht? Warum weiss Siri das von mir? Wann hört sie mir zu? Warum habe ich dieses Produkt bestellt?
Neben der Datenschutzfrage stellen sich noch weitere: Wer ist für die Handlung des Sprachassistenten verantwortlich? Wenn Google Duplex für mich irgendwo anruft, woher weiss das andere Ende wer da anruft?

Zusammengefasst sind es alles gesellschaftlich, ethische Fragen, die es zu klären gilt.

Sie müssen als Kollektiv überwunden werden. Nur so können Sprachassistenten weiter in unseren Alltag einfliessen. Wenn nun die Welt aus den Fugen gerät. Das sind die Zeiten, in denen wir uns schneller adaptieren. Wir öffnen uns neuen Möglichkeiten, freiwillig oder auch nicht. Dabei scheint es durchaus möglich, dass wir unsere Sprachassistenten mehr nutzen. Auch in Zeiten von Corona.

Menschlichkeit und Conversational Design
Neben der Datenschutzfrage ist die Menschlichkeit eine grosse Herausforderung für Sprachassistenten. Bei Conversational Design geht es darum, dass die Sprachassistenten besser mit uns interagieren. Der Mensch soll nicht wie ein Computer sprechen müssen und der Computer soll sich wie ein Mensch anhören. Weiter oben im Video zu Google Duplex kann man das gut beobachten. Die Computer-Stimme sagt mehrfach: «Mm-hmm». Das gibt einen näheren, menschlichen Eindruck. Oft ist es also nicht die Technologie, die gewisse Dinge nicht erlaubt. Es ist das Conversational Design. Dadurch wird die Menschlichkeit erreicht. Was schlussendlich wichtig ist, um das Vertrauen zu stärken.

https://www.youtube.com/watch?v=5vwvyi5UmP8

Sprachassistenten als Weggefährten
Können diese Herausforderungen durch eine Corona-Krise überwunden werden? Nun, die Menschen müssen sich isolieren, die sozialen Kontakte verringern sich und Einsamkeit kommt auf. Gleichzeitig steigt die digitale Akzeptanz, auch bei Verweigerern.

Also die perfekten Voraussetzungen für den Vormarsch von Sprachassistenten.

Ob es tatsächlich so ist, wird sich in den Zahlen noch zeigen. Tendenziell scheint die Konklusion etwas zu eingleisig. Neben den ethischen und gesellschaftlichen Fragen müssen weitere Rahmenbedingungen zutreffen: Jemand weiss, was Sprachassistenten sind und welche es gibt. Ein Sprachassistent ist installiert oder zu Hause vorhanden. Jemand mag die Stimme der Assistentin nicht. All das sind bereits die ersten Stolpersteine.

Sprachassistenten sind sicherlich nicht die Lösung gegen Einsamkeit und Langeweile. Werden sie aber in Zukunft immer persönlicher, so sind sie stärker in unserem Leben. Sie begleiten uns im Alltag und wir vertrauen ihnen. Sie wissen Dinge über uns, bei denen wir froh sind, dass sie sie wissen.

Einfach gesagt: Sie vereinfachen uns das Leben.

Eine persönliche Beziehung zum Sprachassistenten? Das ist heute noch unklar. Schaut man sich den Film «Her» an, ist es auch etwas unheimlich. Dennoch werden wir immer mehr mit Computern bzw. Software interagieren. Es wird immer ein grösserer Teil unserer aller Leben. Dabei wirken Krisen wie die Corona-Zeit sehr wahrscheinlich als Förderer für die Akzeptanz. Darum, wer weiss – vielleicht haben wir in 10 Jahren alle einen virtuellen besten Freund.

Weiterführende Links:
Voxly Digital Studie zur vermehrten Nutzung von Sprachassistenten bedingt durch COVID19
SAIConference – mehr zu Conversational Design
Deloitte Studie zum Megatrend Sprachassistenten
Bitkom Studie zur Verbreitung von Sprachassistenten

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