VORLESUNG 3:
STADT MACHEN

PROF. ANGELIKA JUPPIEN

 

Einführung

Zeittypische Positionen und Diskurse zum Städtebau schlagen sich in Vorstellungen von künftigen Städten, Siedlungen und Landschaften nieder und hinterlassen ihre Spuren im gebauten Umfeld. Die Vorlesungsreihe «Stadt machen» zeigt exemplarisch auf, durch welche Bedingungen städtebauliche Positionen hervorgebracht oder beeinflusst werden und welche Visionen den jeweiligen Positionen zugrunde liegen respektive lagen. In den Vorlesungen der Reihe «Stadt machen» nehmen wir neben städtebaulichen Utopien und klassischen Reformprojekten des 20. Jahrhunderts auch aktuelle Positionen in den Blick und gehen der Frage nach, wie Architektinnen und Architekten ihre Rolle in der Gestaltung von Räumen, Programmen und Strukturen heute wahrnehmen. Dabei suchen wir nach Antworten auf die uralte Frage: Wie können wir als Architekt:innen Raum produzieren und zugleich sozial gerecht sein? Wir diskutieren neue Möglichkeiten des Handelns und reflektieren das sich wandelnde Rollenverständnis von Stadtplaner:innen und Architekt:innen. Dabei strukturiert sich die Vorlesungsreihe um die vier Schlagworte: Utopie, Reform, Experiment und Dialog.

 

Vorlesung 1: Utopie

Termin gemäss Agenda

 Schon immer waren Menschen von neuen Zukunftsmodellen und ihren Möglichkeiten fasziniert. Auch Architekten haben seit dem späten 19. Jahrhundert vielfältige Vorstellungen für die Stadt und das Leben in der Zukunft formuliert und damit zugleich den Zustand der zeitgenössischen Gesellschaft reflektiert. Die Vorlesung «Utopie» stellt eine Auswahl utopischer städtebaulicher Positionen als Spiegelbild bestehender Ordnungen vor und diskutiert ihre Relevanz für die zeitgenössische Realität von Stadt und Landschaft. Neben Utopien des späten 20. Jahrhunderts werden beispielsweise die «Cité Industrielle» von Tony Garnier, das Konzept der Gartenstadt von Ebenezer Howard, «Broadacre City» von Frank Lloyd Wright oder die «Ville Spatiale» von Yona Friedman diskutiert.


Literatur:

 

Vorlesung 2: Reform

Termin gemäss Agenda

 Die städtebaulichen Reformprojekte des Architekten und Städtebauers Fritz Schumacher sind immer noch zukunftsweisend. Gerade sein Interesse an der Verflechtung räumlicher, sozialer und ökonomischer Anliegen ist von grosser Aktualität – insbesondere dann, wenn Architektur als kulturell gestalteter Raum für die Entfaltung des alltäglichen Lebens verstanden wird. Ziel der Vorlesung ist, die Position und Haltung Schumachers zu Architektur und Städtebau darzulegen und die Aktualität dieser Position herauszuarbeiten. Neben dem Hamburger Stadtpark als städtebauliches Reformprojekt werden die Grosssiedlungen Jarrestadt und Dulsberg in Hamburg vertieft diskutiert und ihre Relevanz im aktuellen Diskurs festgemacht.


Literatur:

  • Popp, Roger: Fritz Schumacher und der Dulsberg. Hamburg. 2018
  • Schädel, Dieter, Schädel, Gisela (Hrsg.): Reform der Grossstadtkultur – Das Lebenswerk Fritz Schumachers. Hamburg 2013
  • Schädel, Dieter, Schädel, Gisela (Hrsg.): Die wachsende Stadt – Hamburg von 1814-1914. Hundert Jahre Stadtentwicklung. Von der Franzosenzeit bis zum Ersten Weltkrieg. Hamburg 2019
  • Schumacher, Fritz: Das bauliche Gestalten. Basel 1991

 

Vorlesung 3: Improvisation

Termin gemäss Agenda

 Architektinnen und Architekten erforschen die Gegenwart und analysieren (Stadt)Räume dahingehend, welche Möglichkeiten, Kapazitäten und Spielräume bestehende Situationen bieten, um diese dann offenzulegen, zu vervollständigen oder zu verbessern. In der Vorlesung werden Praktiken und Projekte diskutiert, die deutlich machen, wie Architektur und räumliche Praxis über den rein gestalterisch motivierten Rahmen hinaus Wirkung auf die Gesellschaft haben. Ausgehend von der Situationistischen Internationale als Herkunftsort aktueller Planungsstrategien werden u.a. Projekte von Lacaton & Vassal, Lucius Burckhardt, Atelier Latent, dem Kollektiv „Assemble“ sowie raumlaborberlin diskutiert.


Literatur:

  • Awan, Nischat; Schneider, Tatjana; Jeremy, Till: Spatial Agency. Other Ways of Doing Architecture. London / New York 2011
  • Dell, Christopher: Raum und Handlung. Raumtheorien des Städtischen. Bielefeld 2023
  • Trogal, Kim; Petrescu, Doina: The Social (Re)Production of Architecture. Abingdon + New York 2017
  • Wüstenrot Stiftung (Hrsg.): Bedingt planbar. Städtebau und Stadtentwicklung in Deutschland und Europa. Ludwigsburg 2021

 

Vorlesung 4: Dialog

Termin gemäss Agenda

Die Möglichkeit, sich aktiv in den Gestaltungsprozess des eigenen Lebensraums einbringen zu können, entscheidet über Lebensqualität und Identität. Gerade deshalb bedarf es einer aktiven Diskurs-und Dialogkultur über unser Zusammenleben und unsere gebaute Umwelt, in die sich unterschiedliche Akteur:innen als Raumproduzent:innen einbringen. Dies hat wiederum Einfluss auf die Rolle von Stadtplaner:innen, Architekt:innen und Landschaftsarchitekt:innen und stellt neue Anforderungen an ihre Kompetenzen im Prozess. Wie können Kooperationen im Stadtentwicklungsprozessen aussehen? Und welche Potenziale können daraus entstehen?  Diesen und anderen Fragen gehen wir nach und diskutieren Projekte in Europa und Bangladesch. Ergänzend werfen wir einen Blick auf (Partizipations-)Strategien der 60er und 70er Jahre.


Literatur:

  • Rosa, Hartmut: Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung. Berlin 2016
  • Sennett, Richard: The Open City. In: Towards an Urban Age. Berlin 2006
  • Schmid, Christian: Henri Lefèbvre und das Recht auf Stadt. In: Holm, Andrej / Gebhard, Dirk (Hg.): Initiativen für ein Recht auf Stadt. Theorie und Praxis städtischer Aneignung. Hamburg 2011
  • Wolfrum, Sophie und Janson, Alban Die Stadt als Architektur. Boston/Berlin 2019