LEbensformen HS 2024

MEILENSTEINE:

Semesterstart (Plenum): 
Startveranstaltung (Plenum):
Poolkritik (Studio):
Zwischenkritik  (Studio):
Tischkritik + (Studio):
Planabgabe
Schlusskritik: (Studio):

16. September 2024
19. September 2024
10. Oktober 2024
07. und 8. November 2024
28. November 2024
08. Januar 2025
16. und 17. Januar 2025

RAUS AUF’S LAND?
Obwohl die Lebenswelten des Dorfes aufgrund sozialer, ökonomischer und kultureller Transformationen lange Zeit als überholt und veraltet diskutiert wurden, lässt sich aktuell wieder ein neues und verstärktes Interesse an ländlichen Lebenswelten beobachten. Und auch wenn die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung in urbanisierten Gebieten lebt, wird das Dorf als zunehmend attraktiver Lebens- und Gestaltungsraum wahrgenommen. Angesichts globaler Herausforderungen wie dem Klimawandel, der Ressourcenverknappung und einer drohenden Erschöpfung der natürlichen Lebensgrundlagen, weitet sich der bisher eher stadtzentrierte Blick auf Netzwerke und Arbeitsteilungen, auf natürliche Lebensgrundlagen und auf ländliche Räume aus. Es deutet sich also eine Perspektiverweiterung an. Das Dorf erscheint im Kontext urbanisierter Lebenswelten (wieder) als wünschens- und erstrebenswert.


TRANSFORMATION
Wir diskutieren in diesem Semester mögliche zukunftsfähige Wohn- und Lebensformen im Bestand in einem dörflichen Kontext. Einem Kontext, der sowohl von spezifischen Bedingungen vor Ort als auch von global wirksamen Transformationsprozessen berührt und beeinflusst wird. Uns interessiert, wie diese spezifisch lokalen Bedingungen mit den grossen gesellschaftlichen Themen verflochten sind. Welche möglichen relevanten Zukunftserzählungen können daraus vor Ort entstehen? Was heissen diese Verflechtungen für unseren Umgang mit dem Bestand und seinem Programm? Wenn der portugiesische Architekt Alvaro Siza behauptet, «Architects don’t invent anything, they transform reality», hat er sicher Recht. Aber die Frage ist, in welche Richtung diese Transformation geht. Und gerade hier kann die genaue Analyse und Interpretation des Bestands und seines Umfelds hilfreich sein: Es geht also darum, den spezifischen Ort, an dem wir arbeiten, zu schätzen, seine lokalen Eigenheiten und die Logik des Umfelds zu verstehen und mit Blick auf die grossen Themen zukunftsfähig weiterzuentwickeln.


KONTEXT
Unser Arbeits- und Experimentierfeld ist das Dorf Giswil im Kanton Obwalden. Die Streusiedlung zählt ca. 3›800 Einwohner und verzeichnet seit Jahrzehnten ein stetiges leichtes Bevölkerungswachstum, das u.a. auf die gute Infrastruktur und die attraktiven naturräumlichen Gegebenheiten zurückzuführen ist. So umfasst das Bildungsangebot Kindergärten, Primarschulen und eine Sekundarschule, während weiterführende Schulen in Sarnen oder Luzern besucht werden können. Die Gemeinde ist sowohl über die A8 an das nationale Straßennetz als auch über die Zentralbahn an das Bahnnetz angebunden, wodurch eine schnelle Erreichbarkeit der Städte Luzern und Interlaken gegeben ist. Ein gut ausgebautes Busnetz ergänzt die Verkehrsanbindung. 1.500 Menschen sind in der Gemeinde selbst beschäftigt, sie arbeiten in der Land- und Forstwirtschaft, im Dienstleistungssektor, in kleineren Industrie- und Gewerbebetrieben. Giswil bietet damit eine nennenswerte Anzahl von Arbeitsplätzen in verschiedenen Sektoren. Giswil weist eine lebendige Vereinslandschaft auf mit insgesamt rund 50 Vereinen, deren Aktivitäten und Interessen von Sport über Kultur und Musik bis hin zu sozialen und gemeinnützigen Initiativen reichen. Auch der Tourismus ist ein relevanter Faktor. Gute Grundvoraussetzungen also, um die vorhandenen noch leerstehenden Gebäude in Bahnhofsnähe zu reaktivieren und darüber nachzudenken, welchen Wert sie für Giswil zukünftig haben könnten.


FIKTION
«Wir greifen in Gebäude ein, die vor uns eine Geschichte hatten und nach uns eine andere Geschichte haben werden.»1 Dieses Statement von BAST (Bureau Architectures Sans Titre) bringt unser Anliegen in der Auseinandersetzung mit den vorhandenen leerstehenden Gebäuden auf den Punkt. Welche Informationen, die aufgenommen werden können oder sollten, birgt der Bestand? Gibt es bereits Zeichen von Veränderungen oder Modifikationen, die für Euch von Interesse sind? Welche Potenziale erkennt Ihr? Der Bestand ist ein Vorrat an Material, Bedeutungen und Zeichen, die in der Transformation vielfältiges Potenzial zur Interpretation bieten. Nehmt also die Fäden vor Ort auf und knüpft diese spekulativ weiter – ganz im Sinne des Schriftstellers J.G. Ballard, der behauptet, dass die Fiktion bereits vorhanden ist und unsere Aufgabe als Entwerfende darin besteht, die Realität neu zu erfinden.


PROJEKTENTWURF
Verschiedene un- oder untergenutzte Gebäue in der Nähe des Bahnhofs Giswil bilden die stimulierende Basis für unsere TransformationenTransformationen, wie beispielsweise ein ehemaliges Hotel oder eine alte Schleifsteinfabrik. Wie sollten die Grundbestimmungen der jeweiligen Bautypologien neu justiert werden, um als lebendige Bausteine einen produktiven Beitrag für das Dorf Giswil zu leisten? Welche Lebens- und Wohnformen werden der aktuellen Veränderungsdynamik vor Ort gerecht? Und welche räumlichen und konstruktiven Strategien werden im Dialog mit dem Bestand entwickelt? Das sind zentrale Fragestellungen, denen wir uns im Rahmen der individuellen Projektarbeit widmen. Dabei gehen wir davon aus, dass Wohn- und Lebensraum für ca. 25 Personen entstehen soll. Dem Verhältnis von Wohnen und Arbeiten ist besondere Beachtung zu schenken, denn wie, wo und mit wem wir wohnen, hängt eng mit unseren Arbeitsverhältnissen zusammen. Weitere ergänzend programmatische Vorschläge sind möglich und Teil der individuellen Narration respektive der gewählten architektonischen Strategie. Diese gilt es eigenständig weiterzuentwickeln. Auch den konstruktiven und atmosphärischen Aspekten sollte im Rahmen der Projektarbeiten die gebührende Aufmerksamkeit gewidmet werden.


ABLAUF
Die Poolkritik XL ist die erste Gelegenheit, eigene Ideen und Hypothesen zur Transformation der Bestandsbauten studioübergreifend zu präsentieren und zur Diskussion zu stellen. Wir versprechen uns von diesem Format, eine studioübergreifende Debattenkultur im Jahreskurs zu verankern. Bis zur Schlusskritik werden die individuellen Projektarbeiten im Wochenrhythmus in den jeweiligen Studios mit Tischkritiken begleitet und durch zwei Tragwerkscoachings sowie studioübergreifende Zwischenkritiken und unterstützende Inputs ergänzt.

Poolkritik 10.10.

PRÄMISSEN

Wir haben drei Gebäude mit unterschiedlichen Eigenschaften an zentralen Lagen in Giswil ausgewählt, die so transformiert werden sollen, dass sie zukunftsfähigen Wohn- und Arbeitsraum bieten und zugleich einen Beitrag zum Leben in Giswil leisten.

Es soll Platz zum Wohnen und Arbeiten geschaffen respektive erhalten werden. Neben einer eigenen Haltung zum Umgang mit dem Bestand ist also auch eine Strategie zur baulichen und programmatischen Verdichtung und Intensivierung gefragt. Denn jeder Quadratmeter zählt. Es geht damit nicht nur um die Anzahl von potenziellen Bewohnner:innen und Nutzer:innen. Auch das Raumprogramm sollte eine hohe Nutzungsintensität und Erlebnisdichte ermöglichen. Denn nur so ist Verdichtung zukunftsfähig und kann einen Beitrag für das Dorf Giswil leisten.

ZIELSETZUNG

Auf Basis Eurer individuellen Recherche erzeugt Ihr neue Zusammenhänge und nutzt Euer Wissen zum Bestand und dem Dorf Giswil. Ihr konstruiert und interpretiert den Bestand mittels sogenannter subjektiver Analysen neu. Diese bilden den Ausgangspunkt für eigene Strategien, die die Umsetzung Eurer Ziele ermöglichen sollen.

Die Erkenntnisse aus Euren subjektiven Analysen, die daraus entwickelten Strategien, ihre Wirkung und die mit ihnen verbundenen Ziele werden von Euch für die Poolkritik beschrieben, mit unterschiedlichen Methoden visualisiert und in einer Bildschirmpräsentation vorgestellt. Mit welchen räumlichen, programmatischen, atmosphärischen und konstruktiven Mitteln möchtet Ihr Eure Ziele erreichen?

Dabei nutzen wir die Methode des Storytellings, um unsere Aufmerksamkeit auf das Vorhandene zu richten, komplexen Zusammenhängen auf die Spur zu kommen und Phänomene vor Ort aufzuspüren. Eure Erzählungen sind damit einerseits ein Mittel, Vergangenheit und Gegenwart nachvollziehbar zu interpretieren. Andererseits beschreiben sie mögliche Zukünfte als Ausgangslage für Euer Projekt. Wie können also wahrscheinlich widersprüchliche Beobachtungen, Annahmen und Wünsche zu einem Narrativ arrangiert werden, das zukunftsfähiges und qualitätsvolles Wohnen und Arbeiten im und um Euer Bestandsgebäude ermöglicht? Nehmt dabei alle drei etablierten Kategorien einer nachhaltigen Entwicklung in den Blick – also Themen der ökonomischen, ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit. Ziel der Poolkritik ist es, eine gute Ausgangslage für die Weiterentwicklung Eurer Entwürfe zu schaffen.

ORGANISATION

  • Die Präsentation dauert max. 5 Minuten pro Person.
  • Ihr habt 5-8 Slides zur Verfügung, um die wichtigsten Aspekte Eurer Anliegen und Eurer Strategie zu zeigen.
  • Mit jedem Slide wählt Ihr eine andere Perspektive, ein neues Thema, einen weiteren Massstab oder eine andere Darstellungsform (Zeichnung, Modellfoto, Skizze, Collage etc.).
  • Die Bezüge zwischen den aufgezeigten Aspekten der Slides werden durch das Storytelling hergestellt.
  • Die Unterlagen sind digital als pdf-Datei auf Ilias bis Mittwoch, 09.10.24 um 21.00 Uhr hochzuladen.
  • Die Besprechungen finden in zwei Gruppen statt, mit jeweils drei wechselnden Studios

Schlusskritik 16. und 17.01 2025

LEITLINIEN MEP LEBENSFORMEN „RAUS AUF‘S LAND“

Abgabe: Freitag, 10.01.25
MEP: Donnerstag, 16.01.25 und Freitag, 17.01.25

Die hier zusammengefassten Punkte sind Leitlinien für Eure Präsentationen. Entscheidet in Abhängigkeit vom Charakter und den Stärken Eures Projekts. Zudem sind ergänzende Präsentationen auf dem Monitor möglich.

Narrativ/Strategie

  • Kurzer prägnanter Text zum Narrativ und der daraus entwickelten architektonischen Idee→ Aussage zur Transformationsstrategie im Umgang mit dem Bestand
  • Aussagen zu Fragestellungen die sich aus dem Narrativ und der Strategie ergeben haben

Pläne

  • Lageplan M 1:500 mit Dachaufsicht des Projekts im gebauten Kontext
  • EG-Plan im Detaillierungsgrad M 1:100 mit Darstellung der Umgebung
  • Alle weiteren für das Verständnis des Projekts notwendigen Pläne im Detaillierungsgrad M 1:100 (Grundrisse, Schnitte, Ansichten) mit Darstellung der angrenzenden Bebauung
  • Darstellung einer exemplarischen Wohnung (möbliert) M 1:50 / 1:20 mit angrenzenden Räumen
  • Konkretisierte Aussagen zum Tragwerk, zur Konstruktion oder Materialisierung im Bezug zur räumlichen Idee (Massstab und Darstellung ist projektabhängig)

Modelle

  • Volumenmodell im Massstab M 1:500
  • Strukturmodell des Gesamtprojekts im Massstab M 1:100
  • Modell einer oder mehrerer Wohnungen materialisiert und möbliert im Massstab M 1:20
  • Arbeitsmodelle, die die wichtigen Punkte des Narrativs in unterschiedlichen Massstäben darstellen

Fotografie

  • Ausgewählte Fotos von Aspekten des Bestands die für das Projekt wichtig waren.
  • Modellfotos, die die räumlichen Qualitäten der Wohnungen und der angrenzenden Räume zeigen sowie die gewünschten Atmosphären des Projekts und die architektonische Grundidee konkretisieren

Konstruktion und Umgang mit Bestand

  • Frei zu wählende Darstellung des konzeptionellen Ansatzes zum konstruktiven Umgang mit dem Bestand
  • Integration der Änderungen im Bestand im Rahmen der Präsentation (gelb: Abbruch / rot: Neu) in das Gesamt-Layout

Planabgabe analog und auf Ilias

  • siehe Infomail

Bewertungskriterien

Prozess 20%

Selbständiges Erfassen der Aufgabe und Reflexion

  • Werden Themen eigenständig gesetzt, entwickelt und erweitert? Tragen eigene
    Beobachtungen zu einem umfassenden Bestands- und Ortsverständnis bei?
  • Werden relevante Fragestellungen sowie Thesen zu aktuellen Herausforderungen
    oder dem Umgang mit Bestandsstrukturen formuliert und im Prozess schlüssig
    weiterbearbeitet?

Projekt 60%

Kontext

  • Stellt das vorgestellte Projekt einen nachvollziehbaren Umgang mit Ort und
    Kontext dar?
  • Stellt das vorgestellte Projekt einen relevanten und plausiblen Beitrag zur
    gestellten Aufgabe eines zukunftsfähigen Umgangs mit dem Bestand dar?

Architektonische Absicht und Umsetzung

  • Stehen Narrativ, Strategie und Projekt in einem kongruenten Zusammenhang
    und ist die Argumentation auch bzgl. der angestrebten sozialen, kulturellen,
    ökonomischen und ökologischen Nachhaltigkeitsdimensionen nachvollziehbar
    und angemessen?
  • Zeigt das Projekt die Fähigkeit auf, Innen- und Aussenräume, Schwellenräume
    und umliegende Räume aus dem Bestand heraus zu gestalten?
  • Weist das Projekt die aus dem eigenen Narrativ bzw. aus der eigenen
    Projektidee heraus entwickelten und gewünschten Qualitäten auf?
    (Grundrissqualitäten, räumliche Qualitäten, Nutzungsqualitäten)

Konstruktion und Materialisierung

  • Gelingt die Übersetzung der architektonischen Idee in einen konstruktiven
    Ansatz?
  • Sind die gewählten konstruktiven Ansätze und die Materialwahl im Umgang mit
    dem Bestand schlüssig und angemessen?
  • Zeigt das Projekt ein kritisches Verständnis für die Konstruktion und die Verwendung
    von Materialien in Hinblick auf nicht erneuerbare Ressourcen, Energie und
    Recyclebarkeit auf?

Präsentation 20%

Abgabe

  • Werden Narrativ und Projekt prägnant und in der Wahl der Mittel angemessen in
    Plänen, Modell und Bild dargestellt?
  • Werden Bestandsstrukturen und Massnahmen der eigenen Intervention differenziert
    aufgezeigt?

Sprache: Logik, Präzision, Wissen, Gehalt

  • Werden die Inhalte sprachlich präzise und nachvollziehbar vermittelt?
  • Wird das Gesprochene dem Dargestellten gerecht?