Der Begriff des vernakulären Bauens leitet sich vom lateinischen vernaculus ab, was so viel wie einheimisch heisst. Durch die Gegebenheiten vor Ort haben sich im 18. Jahrhundert bestimmte Typologien herausgebildet. [1]
In Graubünden gibt es keinen einheitlichen Bautyp. Über die Jahre sind je nach Region unterschiedlich gewachsene Typologien entstanden. Es wurde mit regionalen Baustoffen, vorwiegend mit Holz und Steinen, gebaut. Dadurch besitzt jeder Ort seinen eigenen Charakter, der durch die natürlichen Gegebenheiten und Traditionen der Kultur geprägt sind. Die regionalen Materialien, die sich von Ort zu Ort unterscheiden, lassen verschiedene Bautypen entstehen (Abb. 1 und 2). Mit Materialien, die in einer Gegend nicht vorgekommen sind, wurde auch nicht gebaut. Zu dieser Zeit waren die Transportmöglichkeiten sehr begrenzt und man hatte gar nicht die Wahl, andere Rohstoffe zu verwenden. Dazu kommt, dass man noch keinen Anspruch an repräsentative Bauten hatte. Die Bauten waren stark funktional orientiert. Es wurde das gebaut, was notwendig war und dies mit günstigen und einfachen Rohstoffen (Abb. 3). [2]
Die vernakulären Bauten in Graubünden gehören zur inner- und südalpinen Zone. Mehrheitlich sind es bäuerliche Mehrzweckbauten, die als Streuhof in die Landschaft gestellt wurden. Im Gebiet um die Gotthardregion herrscht die Typologie des «Gotthardhauses» vor (Abb. 4). Dabei ist der Küchenteil gemauert, während der Stubenteil im Blockbau gefertigt ist. Aufgrund der Feuersicherheit wurde die Küche gemauert und der behagliche Wohnbereich in Holz belassen. Stall und Haus sind in dieser Bauart baulich nicht miteinander verbunden (Abb. 5). [3]
Die zweite sehr verbreitete Typologie ist die des «Engadinerhauses», welche in ebendieser Region und seinen benachbarten Gebieten anzutreffen ist (Abb. 6). Hier besteht die Grundkonstruktion ebenfalls aus einem Blockbau, wobei das Haus und der Stall mit einem Mauermantel umgeben werden und so eine Einheit bilden (Abb. 7) [4]. Neben den praktischen Überlegungen zu Feuerschutz und Wetter- und Kälteschutz beeinflussten sicher auch heimgebrachte Vorstellungen die Gestaltung. Zurückgekehrte Auswanderer hatten die Vornehmheit der italienischen Palazzi aus Stein im Sinn. Mit Sgraffito wurden die Fassaden nach dem italienischen Vorbild geschmückt. Neben älteren geometrischen Motiven kommen besonders häufig reiche Pflanzengeflechte, typischerweise Tulpen- und Nelkenmuster, vor (Abb. 8). [5]
Heutzutage werden die historisch am Ort herausgebildeten Häuser sehr geschätzt und man ist bemüht, diese Bauten zu erhalten. Die Häuser gelten als Kulturgüter, mit denen man sich wieder beschäftigt. Vielerorts wird viel daran gesetzt das traditionelle Erscheinungsbild zu erhalten.
Endnoten
[1] Vernakulär, o.D.
[2] Rudofsky, 1989.
[3] Weiss,1959.
[4] Zumbühl, o.D.
[5] Weiss,1959.
Literaturverzeichnis
Rudofsky, Bernard: Architektur ohne Architekten, Eine Einführung in die anonyme Architektur. Salzburg: Residenz Verlag, 1989.
Vernakulär: Wortbedeutung.info. o.D. Aufgerufen von https://www.wortbedeutung.info/vernakul%C3%A4r/ (12.07.2021).
Weiss, Richard: Häuser und Landschaften der Schweiz. Zürich: Eugen Rentsch Verlag, 1959.
Zumbühl, Roland: Ländliche Architektur im Kanton Graubünden (Bauern- und Wohnhäuser). o.D. Aufgerufen von https://www.rolandzumbuehl.ch/fotos/kanton-graub%C3%BCnden/ (20.06.2021).
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Weiss, Richard: Häuser und Landschaften der Schweiz. Zürich: Eugen Rentsch Verlag, 1959.
Abb. 2: Weiss, Richard: Häuser und Landschaften der Schweiz. Zürich: Eugen Rentsch Verlag, 1959.
Abb. 3: Weiss, Richard: Häuser und Landschaften der Schweiz. Zürich: Eugen Rentsch Verlag, 1959.
Abb. 4: Zumbühl, Roland: Ländliche Architektur im Kanton Graubünden (Bauern- und Wohnhäuser). o.D. Aufgerufen von https://www.rolandzumbuehl.ch/fotos/kanton-graub%C3%BCnden/ (20.06.2021).
Abb. 5: Weiss, Richard: Häuser und Landschaften der Schweiz. Zürich: Eugen Rentsch Verlag, 1959.
Abb. 6: Vöck, Anna: Genius Loci – Der vernakuläre Kontext in Soglio und Vrin. Technische Universität Dresden, 2018.
Abb. 7: Weiss, Richard: Häuser und Landschaften der Schweiz. Zürich: Eugen Rentsch Verlag, 1959.
Abb. 8: Winiger, Alex: Engadiner Sgraffiti. 29.06.2016. Aufgerufen von https://www.mural.ch/index.php?kat_id=i&kat_id2=w&sprache=&rid=4209&pos=2 (12.07.2021).
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