Entscheiden Sie: Ist diese Aussage wahr oder falsch?
Die meisten von uns vergessen 90 % von allem, was wir in der Schule gelernt haben?
Stimmen Sie dieser Aussage für sich selber zu?
Wichtig zu wissen!
- Ihre Überzeugung, dass Sie besser lernen, wenn Sie sich auf nur eine Sache konzentrieren und diese stur wiederholen kommt nicht von ungefähr. Dieses Vorgehen wird durch die erkennbaren (aber kurzfristigen) Fortschritte untermauert, die sich durch dieses «üben, üben, üben» einstellen. Aber Achtung: Dabei handelt es sich aber nicht um einen langfristigen Lerneffekt.
- Wechseln Sie beim Üben zwischen unterschiedlichen Themen! Zwar sehen Sie selbst, dass Sie langsamer voranschreiten. Dies wird durch den Langzeitvorteil den Sie dadurch erlangen wettgemacht. Je mehr Sie mit dem Wissen ringen, desto langfristiger ist Ihr Lernen. Abwechselndes Üben hilft Ihnen langfristig weiter.
Beispiel: Wenn Sie etwas schnell nacheinander wieder und wieder üben, z.B. das Konjugieren von Verben in einer Fremdsprache, beanspruchen Sie vor allem Ihr Kurzzeitgedächtnis. Der geistige Aufwand ist gering. Sie kommen angenehm schnell vorwärts. «Die momentane Leistung ist aber kein Indikator für dauerhaftes Lernen. Wenn Sie dem Gedächtnis etwas Zeit lassen, zum Beispiel durch eine Pause oder durch Umschalten auf ein anderes Thema, fällt die Erinnerung schwerer, die Leistung erscheint schlechter, und man fühlt sich verraten. Tatsächlich sitzt der Stoff besser und bleibt auf längere Sicht leichter zugänglich.» (Brown/Roediger Ill/McDaniel. «Das merk ich mir!» München 2019, S. 104)
- Die Forschung belegt eindeutig, dass abwechselnde Üben langfristig bessere und zuverlässigere Ergebnisse erzielt als gründliches Einüben gleich zu Beginn.
Was passiert beim Lernen?
- Durch das abwechselnde Lernen erstellen Sie im Kopf Verknüpfungen zwischen den verschiedenen Themen. Durch wechselnde Anforderungen, haben sie im Vergleich zum sturen Pauken den Vorteil, dass es Ihnen leichter fallen wird Erlerntes erfolgreich auf neue Situationen zu übertragen.
- Übrigens werden Sie so auch besser darin, verschiedene Lösungsstrategien auszuprobieren und Fehler zu machen, ohne dass Sie dies verunsichert (Fehler sind für das Lernen wichtig!). Und in einer Prüfungssituation sind Sie besser darauf vorbereitet, dass nie viele gleiche Fragen nacheinander auftreten. Denn es ist bei praktisch allen Lernprozessen besser, wenn Sie anhand von Probedurchläufen Ihre Schwächen ermitteln und beheben können.
Merke: Je mehr wir um das neue Wissen ringen, desto länger und fester bleibt es im Gedächtnis. Häufiges Wiederholen von Fachbegriffen oder den Stoff in einfachen kleinen Häppchen serviert zu bekommen hat keinen Einfluss auf den Lernerfolg.
Und noch die Auflösung der Einstiegsfrage:
Die meisten von uns vergessen 90 % von allem, was wir in der Schule gelernt haben? Stimmen Sie dieser Aussage für sich selber zu? Das Gerücht stimmt nicht! Es ist wichtig zwischen LERNEN und BÜFFELN zu unterscheiden. Falls Sie selbst meinen, Sie haben bereits zu 90 % von allem vergessen was Sie in der Schule gelernt haben, haben Sie noch nie wirklich gelernt, sondern wohl eher gebüffelt. Also versucht Dinge krampfhaft in Ihren Kopf zu bringen. Da Sie diese Informationen nur kurzfristig und oberflächlich für die Prüfung gebüffelt haben, wurden diese nie wirklich Teil Ihres Wissens. Aber: Sie haben Glück. Sie können Ihr Lernverhalten ändern! Unterbrechen Sie diesen Kreislauf und beginnen Sie mit effektivem Lernen. Schauen Sie sich die Übungen an. (Übrigens dieses Büffeln wird auch als Bulimie-Lernen bezeichnet, weil man wie bei einer Fressattacke kurzfristig einen Menge Wissen aufnimmt. Das Problem ist nur: das meiste wird schnell wieder ausgespien.)
Lessons Learned?
Formulieren Sie zuerst Ihre Kernbotschaft des Textes in eigenen Worten. Machen Sie am besten 3 bis 4 ganze, zusammenhängende Sätze.
Eine mögliche Kernbotschaft
Der Themenwechsel bewirkt später ein besseres Abschneiden bei einem Test, wenn es um die Kombination unterschiedlicher Themen geht. Da Sie geübt sind die Grundprinzipien oder «Regeln» unterschiedlicher Problemstellungen zu erfassen, können Sie in ungewohnten Situationen erfolgreicher die passende Lösung wählen. Diese Fähigkeit lässt sich durch Themenwechsel leichter erwerben als durch intensives Pauken.
Weiterlesen:
Brown/Roediger Ill/McDaniel. «Das merk ich mir!». München 2019, S. 74 ff.
Weinstein/Sumeracki/Caviglioli. Understanding How We Learn. London 2018. S. 93 ff. (Englisch)
Birkenbihl. LERNEN lassen!, 6. A. München 2014.
Go into Action
Nachfolgend finden Sie eine konkrete Technik, um Vernetztes Denken zu üben und in Ihrem Studienalltag umzusetzen.
Themenwechsel – eine kurze Anleitung für realitätsnahes und langfristiges Lernen
Damit Sie für Prüfungen (aber auch das Leben) gewappnet sind, lohnt es sich die folgenden Regeln vor Augen zu halten:
Wechseln Sie in einer Lerneinheit zwischen verschiedenen verknüpften Themen hin und her, d.h.
- Studieren Sie nicht zu lange an einem Problem oder einer Information herum.
- Lenken Sie Ihren Fokus auf ein anderes Problem bevor Sie das eine komplett gemeistert haben.
2. Repetieren Sie die Themen in unterschiedlicher Reihenfolge (nach Zufallsprinzip – so dass Sie nicht wissen was als nächstes geprüft wird).
Es ist für Ihren langfristigen Erfolg besser verschiedene Themen ein bisschen zu üben, als ein Problem komplett zu meistern. Dadurch erstellen Sie essenzielle Verknüpfungen zwischen den Themen und schulen Ihre Fähigkeit, das jeweilige Problem zu erkennen und passende Lösungen dafür zu finden.
Wie können Sie konkret Vorgehen?
- Wenn Sie das nächste Mal mathematische Formeln lernen, nehmen Sie sich mehrere Formeln auf einmal vor. Wechseln Sie nach dem Zufallsprinzip zwischen den verschiedenen Übungen hin und her, so dass Sie herausfinden müssen, welche Formel Sie einsetzen müssen.
- Wenn Sie Prinzipien der Makroökonomie lernen, wechseln Sie zwischen diesen hin und her. So gelingt es Ihnen Gemeinsamkeiten zu sehen und Unterschiede festzustellen, welche Sie sonst nicht erkannt hätten. Sie erlangen dadurch ein grösseres Verständnis für unterschiedliche Problemstellungen, die eine andere Herangehensweise verlangen.
- Wenn Sie Maler verschiedener Zeitepochen lernen, lernen Sie nicht einen Maler nach dem anderen – sondern wechseln Sie diese zufällig ab.
Wo lässt sich der Themenwechsel sonst noch einsetzen? Dieses Vorgehen können Sie auf andere Fächer und Themen übertragen. Versuchen Sie es z.B. beim Lösen von juristischen Fallbeispielen, beim Erlernen eines neuen Computerprogramms oder auch beim Sport. Auch wenn in Übungsbüchern, die Aufgaben meist blockweise behandelt werden, lösen Sie diese nicht der Reihe nach, sondern schalten Sie zwischen verschiedenen Themen um.
Titelbild: Brain Network by Bob Holzer from the Noun Project