von Marianne Stahl, Absolventin Minor Digitalisierung und Soziale Arbeit, Mai 2022
Dieser Beitrag wirft einen Blick auf aktuelle Nachbarschafts-Apps und analysiert diese primär in Betracht der Zugänglichkeit, des Datenschutzes und der Nutzung. Zusätzlich werden die Erfahrungen der Nutzung anhand einer definierten Fallsituation beschrieben. Daraus können Erkenntnisse für den Stand der Hilfsangebote im Bereich der online Nachbarschaftshilfe gewonnen werden.
Gerade in den Städten kennen nur noch wenige ihre Nachbaren. Durch diese Isolation in der Nachbarschaft, gibt es immer weniger soziale Nachbarschaftshilfe. Doch gerade diese bietet aus Sicht der Sozialen Arbeit einen grosses potenzial. Man spricht dabei von Sozialem Kapital der Nachbarschaft, also die Ressoucen die aus der Vernetzung der Nachbarschaft entstehen können (Landhäusser, 2015, S. 169). Nachbarschaftsprojekte haben laut SRF mit der Corona Krise neuen Aufwind bekommen. Viele Leute haben sich engagiert und konnten für Nachbarschaftshilfe mobilisiert werden. Dieser Trend hat sich allerdings schon wieder abgeflacht. Es gibt viele Apps die Nachbarschaftshilfe fördern und den Austausch unter den Nachbarn stärken möchten.
Mit dieser Fallsituation bin ich an die Apps herangegangen.
Frida 57 Jahre Alt, vor kurzem umgezogen und sucht Vernetzung/Unterstützung in ihrem neuen Quartier auf online Nachbarschaftsplattformen.
Gerade mit dem Alter werden Netzwerke mit einem räumlichen Bezug zum Wohnort immer wichtiger (Petermann, 2015, S. 181). Diese Personen aus dem Netzwerk stellen zudem eine prädestinierte Quelle für kurzfristige Unterstützungshilfen oder gesellige Aktivitäten (Günther, 2015, S. 190). Besteht aufgrund eines Umzuges oder anderen Gegebenheiten (noch) keine Vernetzung im Quartier entsteht auch weniger spontanes soziales Engagement. Wie kann sich Frida nun in ihrem Quartier vernetzen?
Eine Option ist persönlich auf die Leute zuzugehen. Aus perspektive der Fallsituation und dem Bezug der digitalen Umsetzung von sozialer Arbeit wurden jedoch online Plattformen für die Nachbarschaftsvernetzung gesucht und analysiert.
Auf den folgenden Darstellungen werden die Plattformen nebenan, Nachbarschaft und Crossiety anhand des Zugangs, des Datenschutz, des Angebots, der Anzahl Nutzer und Erfahrungen verglichen.
Der Zugang zu solchen Plattformen erfordert entweder ein Handy oder einen Computer mit Internetanschluss. Die Anmeldung fällt bei Crossiety besonders leicht und je nach technischer Affinität kann es bei den anderen beiden Plattformen zu kleineren Schwierigkeiten können. Gerade für Leute, die den Umgang mit der Technik nicht gewohnt sind, können so schon zu Beginn erste Hindernisse begegnen.
Der Datenschutz erfolgt bei allen drei Apps über eine Verifizierung. Bei den Apps Nebenan und Nachbarschaft wird mittels Ausweis oder Handyrechnung die zusätzlich die Adresse überprüft. Crossiety verlangt nur eine E-Mail und SMS Verifizierung und fragt nicht nach dem Wohnort.
Das Angebot der Leistungen und Austauschmöglichkeiten ist bei Nebenan und Crossiety sehr gross. Dort kann man sich einmal untereinander vernetzen, wird aber auch über Quartier Veranstaltungen und Vereine auf dem laufenden gehalten. Auf der Plattform Nachbarschaft gibt es nur die Möglichkeit sich untereinander zu vernetzen.
Die Anzahl der Nutzer ist bei allen drei Apps so gering, dass eine Nutzung kaum einen Mehrwert für die Vernetzung bringt. Die wenigen Angemeldeten Nutzer sind zudem kaum aktiv.
Die Erfahrungen von Frida (57) sind ernüchternd. Die Apps sind zwar gut erstellt und einfach zu bedienen, doch leider hat es viel zu wenig Nutzer. So war es ihr nicht möglich Hilfe zu finden oder Nachbaren für gesellige Aktivitäten zu finden.
Nachbarschaftsplattformen sind in der Theorie und in ihrer Umsetzung sehr gut ausgestaltet. Doch online Plattformen leben von ihren Nutzern. Ziel der Nachbarschaftsplattformen ist die Vernetzung und der Austausch. Mit so wenigen Nutzern findet kaum eine Vernetzung oder ein Austausch statt. Auf dem Nachbarschaft App wurde gerade mal all zwei Jahre ein Post in meiner Region gemacht. Damit diese Plattformen von allein Anlaufen bräuchte es eine sehr aktive Bevölkerung und dies ist leider nicht gegeben.
Sind Nachbarschaftsplattformen dennoch eine Perspektive für die Digitalisierung der Soziokulturellen Animation? In der Bachelorarbeit von Lea Estermann und Marco Perucchi , die sich dieser Thematik widmet, wird ersichtlich, dass die Digitalisierung aktuell als Ergänzung zur Sozikulturellen Animation durchaus Potenzial hat. Die App allein vernetzt noch keine Personen, dafür braucht es eine aktive Bevölkerung und Verwaltung der App. Die Soziokulturelle Animation verfügt über mehr stärken den sozialen Zusammenhalt in der Bevölkerung zu fördern. Kombiniert man beides passgenau kann die Soziokulturelle Animation durch erste Digitalisierungsschritte mit der Zeit gehen und allenfalls im Sinne des blendet Counseling mehr Menschen erreichen.
Literaturverzeichnis
Günther, J. (2015). Soziale Unterstützung und Nachbarschaft. In C. Reutlinger, S. Stiehler, & E. Lingg (Hrsg.), Soziale Nachbarschaften: Geschichte, Grundlagen, Perspektiven (1st ed. 2015., S. S.189-200). Springer Fachmedien Wiesbaden.
Landhäusser, S. (2015). Sotiales Kapital und Nachbarschaft. In C. Reutlinger, S. Stiehler, & E. Lingg (Hrsg.), Soziale Nachbarschaften: Geschichte, Grundlagen, Perspektiven (1st ed. 2015., S. S. 169-175). Springer Fachmedien Wiesbaden.
Petermann, S. (2015). Soziale Netzwerke und Nachbarschaft. In C. Reutlinger, S. Stiehler, & E. Lingg (Hrsg.), Soziale Nachbarschaften: Geschichte, Grundlagen, Perspektiven (1st ed. 2015., S. S.177-188). Springer Fachmedien Wiesbaden.
Empfohlene Bücher
Fassbind, Susanna (2017). Zeit für dich – Zeit für mich, Nachbarschaftshilfe für Jung und Alt. Zürich: rüffer&rub.