Von Damian Freund, Teilnehmer CAS Digitalisierung und Soziale Arbeit, Mai 2022
In diesem Blogbeitrag wird ein Einblick in den Prozess der Auseinandersetzung eines Unternehmens mit der digitalen Transformation gewährt. Das Vorhaben, welches hinter dieser Fragestellung steht, setzt sich mit folgender Frage auseinander: «Wie erkenne ich ob meine Organisation digitalisierungs-fit ist und was braucht es dafür?»
Ausgangslage:
Mit dem Eintreten des ersten Lockdowns im Zuge der Covid-19 Pandemie sah sich die Koosa AG mit einer erheblichen Fragestellung konfrontiert: Wie lässt sich die aufsuchende Arbeit mit Familien gestalten, ohne dass sie physisch besucht werden könne? Plötzlich musste ein Team von rund 20 Mitarbeitenden Familiensysteme im digitalen Raum aufsuchen und mit ihnen in Kontakt treten können. Schon bald wurden digitale Tools omnipräsent im Alltag der Organisation. In Fallbesprechungen zeigte sich immer wieder, welch grosser Bandbreite an Herausforderungen die Mitarbeitenden hierbei gegenüberstehen. Ebenfalls wurde deutlich, dass digitale Grundkompetenzen im Laufe der Pandemie nicht nur für das Team, sondern auch für das Klientel der Organisation eine grössere Bedeutung gewonnen haben. Ein Mangel an digitaler Kompetenz kann nämlich auch einen Risikofaktor von «digitaler Exklusion» (Mühlebach, 2022) darstellen. Innerhalb der Organisation sah man sich schnell mit der Herausforderung konfrontiert, dieser Situation professionell zu begegnen. Es wurde deutlich, dass auch in dieser schwierigen Ausgangslage eine Chance zur Weiterentwicklung der Organisation liegen kann. Die Chancen dieser sogenannten «Zwangsdigitalisierung», werden ebenfalls von sozialinfo.ch erläutert. Aus dem Gedanken der Chance heraus entstand ein dementsprechendes Projekt, welches «SMART» genannt wird. Um dieses fachlich zu fundieren, wurde der Autor damit beauftragt, im Rahmen des CAS das «Herzstück» des Projekts zu erstellen, das «Grundlagenpapier zum Umgang mit der digitalen Transformation innerhalb der Koosa».
Herangehensweise & Literarische Hinweise:
Schnell zeigte sich, dass die Thematik der digitalen Transformation eine unglaubliche Bandbreite spannender Herausforderungen und Möglichkeiten innehat. Es galt daher, das Thema nicht nur von der Mikroebene aus zu betrachten, sondern auch auf der Organisations- und Haltungsebene. Als geeignetes Tool für eine direkte Gegenüberstellung der Haltung der Praxisorganisation und den Pflichten der Sozialen Arbeit als Profession kristallisierte sich das «Thesenpapier 1.01» von «sozialdigital» heraus. Ein Beispiel der darin enthaltenen Thesen lautet wie folgt:
«Soziale Arbeit ist aufgrund ihres komplexen Arbeitsfeldes prädestiniert und in der Pflicht, sich mit Fragen der Digitalisierung zu beschäftigen.» (sozialdigital.eu, 2022, S.1)
Im nächsten Schritt galt es nun, die Haltung der Organisation für eine Gegenüberstellung, sowie den darauffolgenden Abgleich mit den Thesen in eine passende Form zu bringen. Hierzu wurden sämtliche organisationsinternen Dokumente gesichtet, sowie interne Gespräche geführt, um daraus Gegenthesen zu bilden. Die daraus entstandenen Ergebnisse bildeten aus Sicht des Autors jedoch erst einen Teil des gewünschten Produktes ab. Diese ersten Haltungsabgleiche befanden sich aufgrund des doch einseitigen Vergleichs noch im luftleeren Raum und stellten eher «gute Vorsätze» dar, als Aufgaben zur Weiterentwicklung der Organisation. Die entstandenen Resultate, beispielsweise «Wir sehen uns als lernende Organisation und dürfen daher auch in der digitalen Transformation nicht stehen bleiben.» könnten aufgrund der Organisationsform der Aktiengesellschaft auch ein rein wirtschaftliches Interesse am Wandel in der digitalen Transformation suggerieren. Somit galt es, die Ergebnisse zu erweitern. Bei der Suche nach entsprechenden Quellen stoss der Autor auf zwei zentrale Werke. Im «Handbuch Digitalisierung und Soziale Arbeit» (Kutscher et. Al, 2020, S.290-302) findet sich nämlich der Abschnitt «Digitalisierung und Profession» von Salvador Campayo. Dieser behandelt das Thema Digitalisierung auf der Ebene der Profession, während Thomas Ley und Ute Reichmann sich im selben Buch mit einer der für viele Organisationen zugänglichsten «Digitalisierungs-Challenges» auseinandersetzen, der digitalisierten Dokumentation professionellen Handels in Organisationen der Sozialen Arbeit. (ebd., S.241-255)
Ein weitere, aus Sicht des Autors fast unumgängliche, Quelle für die Thematik der Digitalisierung in Sozialen Organisationen stellt Kai Reinhardt’s «Digitale Transformation der Organisation» dar. Hierbei ist wertvoll, dass Reinhardt nicht ausschliesslich auf Herausforderungen im Zuge des digitalen Wandels eingeht, sondern auch auf damit einhergehende Chancen.
Learnings & Ausblick:
In der Bearbeitung des Vorhabens stoss der Autor auf Herausforderungen verschiedener Schwierigkeitsgrade, welche dazu auf verschiedenen Ebenen verankert waren. Als eine der primären Herausforderungen stellte sich der Austausch mit anderen, vergleichbaren Organisationen heraus. Viele der angefragten Fachstellen zeigten sich kaum bis gar nicht gewillt, ihre Erkenntnisse im Umgang mit dem digitalen Wandel in der Sozialen Arbeit zu teilen. Hier drängt sich dem Autor ein Paradoxon zwischen dem offenen Austausch von methodischen und erfahrungsbezogenen Erkenntnissen in der Sozialen Arbeit und dem scheinbar kaum vorhandenen Austausch hinsichtlich der Erkenntnisse bezüglich des digitalen Wandels in eben jenen Organisationen auf. Dies irritierte, da die Wichtigkeit des Austausches sogar im Berufskodex der Sozialen Arbeit verankert ist. (Avenir Social, 2010, S.14)
Weitere, im Falle des Autors jedoch weit weniger anspruchsvolle Herausforderungen zeigten sich auf der Ebene der Organisation. Der Ablauf des Vorhabens musste aufgrund seines Charakters als Teil eines weitergehenden Projektes an bestehende Prozesse der Organisation angepasst werden und auch teilweise kritischen Meinungen aus dem Team widerstehen können. Bei der Bewältigungen dieser Herausforderungen bildeten literarische Werke, wie jene von Reinhardt; Campayo und Reichmann ein diskussionstaugliches Argumentarium.
Literaturverzeichnis:
Avenir Social, (2010). Berufskodex Soziale Arbeit : Ein Argumentarium für die Praxis. https://elearning.hslu.ch/ilias/goto.php?target=file_5235275_download&client_id=hslu
Campayo, Salvador (2020) in Kutscher et. Al. Handbuch Soziale Arbeit und Digitalisierung: Professionelles Handeln mit Blick auf Digitalisierung. (1. Aufl.). Weinheim: Beltz Juventa
Ley Thomas, Ute Reichmann (2020) in Kutscher et. Al. Handbuch Soziale Arbeit und Digitalisierung: Digitale Dokumentation in Organisationen Sozialer Arbeit. (1. Aufl.). Weinheim: Beltz Juventa
Mühlebach, Chris (2022, April). Digitale Kompetenzen sind ungleich verteilt. Dossier Digitalisierung. https://www.sozialinfo.ch/digitalisierung/dossiers/digitale-kompetenzen-sind-ungleich-verteilt
Abbildungsverzeichnis:
Abbildung 1: Ablauf Koosa-Projekt «SMART» (Freund Damian, 2021)