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Lesen lernen

    Sie lesen zwar viel, das Lesen wissenschaftlicher Fachtexte an der Hochschule ist aber eine Herausforderung für Sie? Sie fragen sich, ob Sie «richtig» lesen und ob eventuell auch Techniken gibt, effizienter zu lesen?

    Dieser Blog versucht auf die Frage nach dem «richtigen» oder «effizienten» Lesen von wissenschaftlichen Fachtexten eine Antwort zu geben. Er enthält einen Überblick über die wichtigsten Erkenntnisse aus der Leseforschung, einen Test deiner akademischen Lesekompetenz sowie eine Gebrauchsanweisung für das Lesen eines Fachtextes.


    Erkenntnisse aus der Leseforschung

    Das Lesen wissenschaftlicher Fachtexte erfordert nicht nur sprachliche Fähigkeiten, sondern auch bestimmte Grundvoraussetzungen und Lesestrategien. Wir haben die wichtigsten Erkenntnisse der Leseforschung für Sie zusammengestellt.

    Lesekompetenz umfasst kognitive und emotionale Faktoren. Wenn Sie als Weiterbildungsstudent wissenschaftliche Fachtexte als Herausforderung empfinden, liegt es wahrscheinlich weniger an mangelnden kognitiven Fähigkeiten – zum Beispiel der Fähigkeit, Wörter oder Satzstrukturen zu erkennen –, sondern vor allem an emotionalen Voraussetzungen: Vielleicht haben Sie wenig Lust oder Zeit, sehen den Sinn nicht ein, gerade diesen Text lesen zu müssen, oder Sie sind frustriert, weil der Text immer wieder von Dingen zu sprechen scheint, die Sie (noch) nicht wissen. Der Text ist kein festes Gebilde, das nur noch in Ihren Kopf wandern muss, sondern er entsteht erst in Ihrem Kopf – dank Ihrem Vorwissen, Ihrer Kombinationsfähigkeit und -bereitschaft.

    Ein guter Leser, eine gute Leserin weist gemäss Erkenntnissen der Leseforschung nebst kognitiven Fähigkeiten folgende Grundvoraussetzungen auf (vgl. u.a. Kruse, 2020; Sturm & Bertschi-Kaufmann, 2009):

    • Ein guter Leser hat Zeit. Er lässt die Langsamkeit zu, die notwendig ist, um die komplexen Gedankengänge in einem Text nachzuvollziehen. Schnelles Lesen führt meist zu ineffizientem Lesen, weil wir das Gelesene nicht verstehen und so auch nicht davon profitieren können.
    • Eine gute Leserin weiss, warum sie einen Text liest. Das Wissen über den Zweck der Lektüre ermöglicht ihr, die passende Lesestrategie auszuwählen. Wer sich auf eine Prüfung vorbereitet, liest anders als jemand, der für eine Seminararbeit das vorhandene Wissen sondiert. Mehr dazu unter: Zwecke und Arten des Lesens.
    • Ein guter Leser ist motiviert und neugierig. Intrinsische Motivation hilft dabei, auch bei anspruchsvollen Texten dranzubleiben. Die Motivation hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter vom Wissensstand, dem Zweck des Lesens und der Nähe des Lesestoffs zu den eigenen Interessen.
    • Ein guter Leser lässt sich von mangelndem Vorwissen nicht entmutigen: Er weiss, dass wir nicht nur lesen, um mit einem Fach vertraut zu werden, sondern dass wir uns auch mit dem Fach vertraut machen müssen, um besser und schneller lesen zu können.
    • Eine gute Leserin «spricht» mit dem Text. Sie setzt sich aktiv mit dem Text auseinander, indem sie zum Beispiel Randbemerkungen oder Zeichnungen macht, Wichtiges unterstreicht oder herausschreibt. Durch diese gedankliche Auseinandersetzung überträgt sie das, was der Text sagt, in ihr eigenes Gedankensystem. Mehr dazu unter: Lesetechnik: Wie man einen wissenschaftlichen Fachtext liest.

    Vielleicht denken Sie nun: «Das alles trifft auf mich nicht zu, also bin ich eine schlechte Leserin. Was jetzt?» Es ist zuallererst einmal wichtig zu wissen, dass viele Weiterbildungsteilnehmende und Studierende ähnliche Schwierigkeiten beim Lesen von Fachtexten haben. Und: Lesekompetenz ist eine entwickelbare Fähigkeit! Sie können sich das Lesen einfacher machen, indem Sie bewusst die oben genannten Faktoren ins Auge fassen. Wo Ihre ganz persönlichen Stellschrauben sind, erfahren Sie auch in unserem Selbsttest: Testen Sie Ihre Lesekompetenz.


    Testen Sie Ihre Lesekompetenz

    Beantworten Sie die folgenden Fragen, um herauszufinden, wie es um Ihre Lesekompetenzen bestellt ist. Finden Sie dabei auch heraus, wo Ihre Schwierigkeiten beim Lesen und Verstehen von wissenschaftlichen Fachtexten liegen könnten. Wählen Sie die Antwort, die am besten auf Ihre Situation zutrifft.

    Wie empfinden Sie Ihre Motivation, wissenschaftliche Fachtexte zu lesen?

    A) Ich bin sehr motiviert und interessiert an den Themen, lese gerne und freue mich auf neue Erkenntnisse.

    B) Ich habe eine gewisse Motivation, aber manchmal fehlt mir das Interesse oder die Verbindung zum Thema.

    C) Ich habe wenig bis keine Motivation, wissenschaftliche Fachtexte zu lesen, und empfinde es als lästige Pflicht.

    Haben Sie C gewählt? Hier erfahren Sie, wie wichtig Motivation und Interesse für effizientes Lesen sind und wie Sie sich selbst besser motivieren können.

    Die Motivation zum Lesen ist entscheidend für die Lesekompetenz. Versuchen Sie, einen Bezug zum Thema herzustellen, um Ihre Motivation zu steigern. Fragen Sie sich, wie das Verständnis des Fachtextes Ihnen in Ihrem Studium oder Beruf helfen kann. Stellen Sie Fragen an den Text. Setzen Sie sich klare Ziele und belohnen Sie sich nach dem Lesen mit einer kleinen Pause. Achten Sie auch auf Ihre Emotionen beim Lesen. Gönnen Sie sich eine kurze Pause, wenn Sie frustriert sind, und machen Sie danach erholt weiter.

    Wie gehen Sie mit dem Umfang eines Fachtextes um?

    A) Ich habe kein Problem damit, längere Fachtexte zu lesen und sie strukturiert zu bewältigen.

    B) Ich finde lange Texte herausfordernd und habe Schwierigkeiten, sie vollständig zu erfassen.

    C) Ich vermeide es oft, längere Fachtexte zu lesen, da ich überfordert bin.

    Haben Sie C gewählt? Hier erfahren Sie, wie Ihnen auch lange Fachtexte nicht die Laune verderben.

    Die Länge eines Fachtextes kann einschüchternd wirken, besonders wenn Sie sich überfordert fühlen. Eine gute Strategie ist es, den Text in kleinere Abschnitte aufzuteilen und diese nacheinander zu lesen. Setzen Sie sich realistische Zeitziele für jeden Abschnitt. Notieren Sie sich Fragen oder Gedanken zu jedem Abschnitt, damit Sie beim nächsten Mal weitermachen können, wo Sie aufgehört haben. Sie müssen übrigens nicht jedes Detail verstehen, um die Kernaussagen eines Textes zu erfassen.

    Wie oft fühlen Sie sich während des Lesens von Fachtexten überfordert?

    A) Selten bis gar nicht, ich komme gut mit dem Lesematerial zurecht.

    B) Manchmal fühle ich mich überfordert, insbesondere bei abstrakten oder neuen Inhalten.

    C) Häufig, ich fühle mich oft verwirrt und frustriert.

    Haben Sie C gewählt? Hier erfahren Sie, wie Sie dem Gefühl der Überforderung entgegenwirken können.

    Das Gefühl der Überforderung kann verschiedene Ursachen haben, einschliesslich des Schwierigkeitsgrads des Textes oder des Mangels an Vorwissen zum Thema. Wenn Sie sich verwirrt oder frustriert fühlen, versuchen Sie, sich auf die Hauptgedanken und Schlüsselaussagen des Textes zu konzentrieren, anstatt jedes Detail verstehen zu wollen. Oft versteht man gewisse Details erst im Nachhinein, wenn man den ganzen Text gelesen hat – umgekehrt kann man auch den Gesamttext nur verstehen, wenn man die einzelnen Teile kennt («hermeneutischer Zirkel»).

    Wie gut gelingt es Ihnen, Fachtermini und komplexe Ausdrücke zu verstehen?

    A) Ich habe in der Regel kein Problem damit, Fachtermini zu verstehen und komplexe Ausdrücke zu entschlüsseln.

    B) Ich habe gelegentlich Schwierigkeiten mit Fachtermini, aber ich versuche, sie nachzuschlagen und zu verstehen.

    C) Ich habe oft Probleme mit Fachtermini und komplexen Ausdrücken und fühle mich dadurch demotiviert.

    Haben Sie C gewählt? Hier erfahren Sie, wie Sie bei schwierigen Fachbegriffen cool bleiben.

    Fachtermini können das Verständnis eines Textes erschweren, insbesondere wenn Sie wenig Erfahrung mit dem Thema haben. Versuchen Sie sich mit dem spezifischen Fachgebiet vertraut zu machen, indem Sie zusätzliche Literatur oder Online-Ressourcen nutzen. Nicht alle Begriffe müssen jedoch gleich nachgeschlagen werden. Vielleicht ergibt sich die Bedeutung eines Begriffs auch noch während des Lesens. Entwickeln Sie eine «Begriffsliste» für das Thema und schreiben Sie sich Definitionen auf, um Sie später nachzuschlagen. Mit der Zeit werden Sie sich mit der Fachterminologie vertrauter fühlen und sich weniger demotiviert fühlen.

    Welche Zeitrahmen setzen Sie sich für das Lesen von wissenschaftlichen Fachtexten?

    A) Ich plane mein Lesen gut und setze mir ausreichend Zeit für das Verstehen der Texte.

    B) Ich versuche, mir genügend Zeit zu nehmen, aber es fällt mir manchmal schwer, mich daran zu halten.

    C) Ich lese Fachtexte oft in Eile, weil andere wichtige Dinge anstehen, oder verschiebe das Lesen auf den letzten Moment.

    Haben Sie C gewählt? Wie Sie Zeit sparen, wenn Sie sich für das Lesen genügend Zeit nehmen, erfahren Sie hier.

    Zeitdruck kann das Lesen und Verstehen von Fachtexten erschweren. Versuchen Sie sich ausreichend Zeit für das Lesen zu nehmen. Gutes Lesen erfordert Langsamkeit, schnelles Lesen ist oft ineffizient, da man das Wichtigste verpasst! Das rechtzeitige Planen ermöglicht es Ihnen auch, den Text in Ruhe zu reflektieren und Fragen zu klären.

    Auswertung

    Auswertung: Zählen Sie die Anzahl der Antworten A, B und C, um mögliche Herausforderungen beim Lesen und Verstehen von wissenschaftlichen Fachtexten zu identifizieren:

      • Hauptsächlich A: Sie haben ein gutes Verständnis für wissenschaftliche Fachtexte und sind motiviert, sich mit komplexen Inhalten auseinanderzusetzen.

      • Hauptsächlich B: Sie zeigen eine gewisse Motivation und Interesse an Fachtexten, können jedoch Schwierigkeiten mit komplexen Terminologien und längeren Texten haben.

      • Hauptsächlich C: Sie können Herausforderungen beim Lesen und Verstehen von wissenschaftlichen Fachtexten haben, sei es aufgrund von fehlender Motivation, Zeitmanagement oder Schwierigkeiten mit dem Inhalt. Klappen Sie die Hinweise bei den Fragen auf, die Sie mit C) beantwortet haben.

    Unabhängig von Ihrem Ergebnis: Es ist wichtig zu wissen, dass viele Weiterbildungsteilnehmende und Studierende ähnlichen Herausforderungen beim Lesen von Fachtexten begegnen. Wenn Sie Schwierigkeiten haben, gibt es verschiedene Strategien, um Ihre Lesekompetenz zu verbessern. Die kontinuierliche Praxis und das Interesse an den Themen werden Ihnen dabei helfen, Ihre Fähigkeiten im Umgang mit wissenschaftlichen Fachtexten zu entwickeln und zu stärken.


    Lesetechnik: Wie man einen wissenschaftlichen Fachtext liest

    Verschiedene Zwecke des Lesens erfordern verschiedene Lesearten. Die folgende Lesetechnik eignet sich vor allem dann, wenn Sie einen Text verstehen wollen, um ihn zum Beispiel in einem Seminar zu diskutieren oder weil es sich um einen Grundlagentext für eine schriftliche Arbeit handelt. Die Technik basiert auf der ältesten und bekannten Lesetechnik von Francis Robinson (1970), der SQ3R-Lesetechnik.

    1. Planung: Wie viel Zeit steht Ihnen für die Erarbeitung des Textes zur Verfügung? Setzen Sie sich eine Zeitlimite. Rechnen Sie auch Pausen ein. Empfohlen sind Leseintervalle von 25 Minuten, gefolgt von einer 5-minütigen Lesepause. Schalten Sie das Handy in den Leseintervallen aus, damit Sie sich ganz auf den Text konzentrieren können. Überlegen Sie sich, ob Sie den Text ausdrucken wollen. Ausgedruckte Texte liest man erfahrungsgemäss gründlicher als Texte auf dem Computer.
    2. Vorbereitung: Skimmen Sie den Text zunächst, indem Sie sich einen Überblick über die Überschriften, Zwischenüberschriften und den Aufbau des Textes verschaffen. Formulieren Sie Fragen, auf die Sie eine Antwort erwarten. Das fördert nicht nur Ihre Bereitschaft, sich aktiv mit dem Text auseinanderzusetzen. Es hilft Ihnen auch, selektiv zu lesen und das aus dem Text mitzunehmen, was für Sie wichtig ist.
    3. Markieren und notieren: Nur Romane haften von allein im Kopf. Lesen Sie Fachtexte nie ohne Stift in der Hand. Unterstreichen oder markieren Sie während des Lesens relevante Informationen und schwierige Passagen. Machen Sie Randnotizen im Text oder Notizen auf einem separaten Blatt oder in einem dokument. Diese Notizen sind Ihr externer Arbeitsspeicher. Ausserdem verwickeln Sie sich selbst in eine aktive Auseinandersetzung mit dem Text. Diesem Zweck dienen auch Zeichnungen, Fragezeichen, Smileys etc.
    4. Zusammenfassung schreiben: Erstellen Sie aus Ihren (Rand-)Notizen eine Zusammenfassung des Textes. Versuchen Sie, das Gelesene in eigenen Worten wiederzugeben. So behalten Sie das Gelesene besser und können es in Ihr eigenes Denksystem integrieren. Wenn Sie die Zusammenfassung für eine schriftliche Arbeit machen: Vergessen Sie nicht, die Seitenzahlen zu notieren, damit Sie später daraus zitieren können.
    5. Diskutieren Sie den Text: Sprechen Sie über den Text mit Kommilitonen, Dozentinnen oder anderen Personen, die sich für das Thema interessieren. Der Austausch von Gedanken und Perspektiven hilft Ihnen, das Gelesene zu reflektieren und Ihre Interpretation mit derjenigen von anderen zu vergleichen.

    Arten des Lesens

    Wer weiss, zu welchem Zweck er etwas liest, liest besser. Machen Sie sich bewusst, warum Sie einen Text lesen, und verhalten Sie sich entsprechend. Kruse (2020) unterscheidet folgende Zwecke und Techniken des Lesens:

    Zweck

    Technik

    Lesen, um sich auf eine Prüfung vorzubereiten

    Wissenseinheiten auf Karteikarten transferieren

    Regelmässig prüfen, wie viel Sie vom Gelernten behalten haben

    Lesen, um zu diskutieren

    Argumente des Textes herausarbeiten

    Eigene Meinung bilden

    Lesen, um sich in ein Thema einzuarbeiten

    Texte sondieren und nach Schlüsselinhalten absuchen: Abstracts, Inhaltsverzeichnisse, Einleitungen oder Klappentexte lesen, Texte online querlesen

    Dokumentieren, damit Sie später auf das Wissen zurückgreifen können.

    Lesen, um zu verstehen

    Überblick über den Text verschaffen – Fragen stellen – Notizen machen – Zusammenfassen – Mit anderen darüber sprechen

    Lesen, um zu schreiben

    Wechsel von genauem und selektivem Lesen: herausschreiben, was für den eigenen Text wichtig ist, den Rest überfliegen

    Genügend früh beginnen!

    Lesen, um zu geniessen

    Lesen zur Anregung oder zur Entspannung

    Lesen ohne Druck, getragen vom Interesse am Thema

     


    Literaturhinweise

    Groeben, N. & Hurrelmann, B. (Hrsg.) (2002). Lesekompetenz. Bedingungen, Dimensionen, Funktionen. Juventa.

    Kruse, O. (2020): Lesen und Schreiben. Der richtige Umgang mit Texten im Studium (3. überarb. U. erw. Auflage). UVK.

    Robinson, F. P. (1970): Effective Study. Harper & Row.

    Sturm, A. & Bertschi-Kaufmann, A. (2009). Lesen. In G. Bräuer (Hrsg.), Scriptorium: Ways of Interacting With Writers and Readers (S. 71–87). Fillibach.

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