Kurzbeschreibung

Interaktive Dokumentarfilme geben Möglichkeiten der Auswahl, um den Ablauf der Filme zu beeinflussen und ermöglichen, generativ und regelbasiert, verschiedene Fortsetzungen einer Narration. In unserem durch den SNF geförderten, auf drei Jahre angelegten Forschungsprojekt untersuchen wir das hier vorherrschende Verständnis der Wirklichkeitserzählung, das veränderte Verhältnis der Zuschauenden zum Film und die Rolle, die Entscheidungen für die Medialität interaktiver Dokumentationen spielen.

Projektbeschreibung

Den Dokumentarfilm zeichnet aus, dass er eine besondere Nähe zur Wirklichkeit behauptet. Ihm kommt daher als Genre eine Sonderstellung zu. Technische Neuerungen bei Produktion, Zirkulation und Rezeption und die besondere Konjunktur interaktiver Formate machen eine Bestandsaufnahme und Analyse der Beziehung von medialer Repräsentation und zugrunde liegender Realität notwendig. Interaktive Dokumentarfilme können dabei in Bezug auf Präsentation, Produktion und Zirkulation grosse Unterschiede aufweisen. In dem Projekt wollen wir Kriterien für die Unterscheidung verschiedener interaktiver Dokumentarfilme entwickeln und uns dafür nicht allein auf die fertigen Resultate beziehen, sondern insbesondere die Bedeutung der Software als auch die Herstellungsweise in den Blick rücken.

Theorien des Dokumentarfilms sollen in Hinsicht auf interaktive Formate, deren Multiperspektivität und Möglichkeit der Abgabe von Autor*innenkontrolle hin aktualisiert werden. Diesbezüglich gilt es auch Methodiken zu entwickeln, mit denen Bedienelemente und Interfaces stärker in der Analyse der Filme berücksichtigt werden können. Projektbegleitend soll zudem erprobt werden, inwieweit die Software generativer, regelbasierter Dokumentarfilme auch als Rechercheinstrument zur Materialerschliessung und -analyse nutzbar ist.

Die Besonderheit des Projekts liegt dabei in der Verbindung von kultur- und geisteswissenschaftlicher Theoriebildung und kreativer Praxis. Beide Felder sind Teil zweier Untersuchungspfade, die sich zum einen dem Dokumentarischen, zum anderen dem Interaktiven widmen, und deren Trennung eben nicht zwischen Theorie und Praxis verläuft.

Dabei wird eine Aktualisierung der Theorie des Dokumentarischen geleistet werden, die webbasierte Formen dokumentarischen Arbeitens mit einschliesst und eine kritische Reflexion zeitgenössischer Interaktivität im filmischen Bereich umfasst. Die Untersuchung konkreter Beispieldokumentationen geschieht zum einen mit den Werkzeugen der Medien- und Filmwissenschaft, wobei die Analyse der Interfaces und zugrunde liegender Programmierungen mit einem Bezug zu Interface- und Softwarestudies besondere Beachtung erfährt. Für die Analyse des Produktionsprozesses greifen wir auf Verfahren der Production Studies und kreativen Praxis zurück. Methodologisch wird hier die praktische Durchführung dokumentarischer Arbeit mit den Werkzeugen der Medienethnographie und visuellen Anthropologie begleitet und beobachtet.

Mit unserem Projekt leisten wir einen Beitrag im Rahmen des grundlegenden und anhaltenden Wandels zeitgenössischer Medien- und Filmtheorie, der reflektiert, dass audiovisuelle Formate und Formationen heterogener werden und Fragen der Zirkulation und Interaktivität in den Vordergrund rücken. Über die transdisziplinäre Verbindung von Praxis und Theorie werden Produzent*innen interaktiver Dokumentarfilme zu zentralen Akteuren der Medienforschung. Die Analyse interaktiver Dokumentarfilme wird so Gegenstand eines interdisziplinären Ansatzes.

Im Folgenden können Sie den beim SNF eingereichten Antrag lesen