Wie Big Data die Art und Weise verändert, wie wir Wohnimmobilien kaufen und verkaufen

Big Techs wie Amazon oder Google haben dank Big Data bereits viele unserer Lebensbereiche und Verhaltensformen grundlegend verändert. Die grossen Datenmengen können nun auch ein Markt verändern, der bis anhin noch immer sehr traditionellen Mustern gefolgt ist: Der Markt für den Kauf und Verkauf von Wohnimmobilien.

Was, wenn ich nicht mehr auf den Marktplatz gehe, um mir mein Gemüse zu kaufen, sondern der Gemüselieferant direkt zu mir vor die Haustür kommt und mir mein Warenkorb perfekt auf meine Vorlieben abgestimmt, vorbeibringt? Klingt ungewöhnlich? Mitnichten. Tatsächlich läuft es bei vielen Konsumgütern bereits heute schon so. E-Commerce-Plattformen sammeln durch unser Online-Nutzerverhalten Unmengen von Daten, die sie dafür nutzen, uns massgeschneiderte Kaufvorschläge zu erstellen und unsere Vorlieben so schon fast besser kennen als wir selber.

Beim Immobilienkauf läuft es (noch) nicht so. Der Immobilienmarkt in der Schweiz ist nach wie vor ein Anbietermarkt wo die Nachfrage das Angebot übersteigt. Die Coronakrise hat diesen Umstand nochmals weiter verstärkt. Innerhalb Jahresfrist ist beispielsweise die Nachfrage nach Einfamilienhäusern um 27 Prozent angestiegen. Dadurch sind potenzielle Käufer gezwungen, neue Wege zu gehen, um die Chancen auf ihr Wunschobjekt zu erhöhen. Der klassische Weg über Kontaktanfrage auf einer Immobilienplattform mit anschliessender Besichtigung ist zeitintensiv und oftmals nicht von Erfolg gekrönt.

Nun könnte aber die Nutzung von Big Data-Technologien mehr Dynamik in den verrosteten Immobilienmarkt bringen. Startups machen sich die Unmengen an frei zugänglichen Daten zu Nutzen, um mehr Transparenz in den Immobilienmarkt zu bringen. So auch das Münchner Unternehmen Scoperty. Die Nutzer von Scoperty können schon heute die Schätzwerte von 35 Millionen Wohnimmobilien einsehen. Scoperty setzt sich jedoch nicht nur zum Ziel, diesen Immobilien-Voyeurismus zu ermöglichen. Viel mehr soll aus dem Immobilienmarkt ein Peer-to-Peer Markt entstehen, wo Immobilieneigentümer direkt mit potenziellen Käufern in Kontakt treten können.

Das Prinzip funktioniert so, dass sich Immobiliensuchende auf der Plattform registrieren und sich da in Ihrer Wunschregion nach Immobilien erkunden, die Ihren Suchkriterien entsprechen. Sobald sie ein passendes Objekt gefunden haben, können diese direkt mit dem Immobilieneigentümer in Kontakt treten, ohne dabei vorher auf ein Kaufinserat auf einer Immobilienplattform abwarten zu müssen, wo die Erfolgschancen ohnehin tief sind. Die Immobilieneigentümer auf der anderen Seite können auf der Plattform entweder einen gewünschten Kaufpreis angeben oder die Option „offen für Angebote“ wählen, sofern Sie von einem Verkauf zumindest mal nicht abgeneigt sind.

Da den Wohneigentümerinnen und -eigentümern in der Schweiz nebst dem bestmöglichen Verkaufspreis auch wichtig ist, wer als Nachfolger in ihr Eigenheim einzieht, könnte eine solche Plattform als Match-Making-Plattform weiter ausgebaut werden. Die Suchenden erstellen dabei ein Suchprofil, welches mit persönlichen Informationen und einem Teaser-Text, eine Art Motivationsschreiben, angereichert wird. Aufgrund der erschwerten Suche im Schweizer Immobilienmarkt darf man davon ausgehen, dass die Suchkunden dazu bereit sind, weitere Informationen anzugeben, um sich selbst einen Vorteil gegenüber anderen Interessenten zu verschaffen.

Es liegt dabei auf der Hand, dass der Erfolg und damit der Nutzen einer solchen Plattform mit der Nutzer- und Besucherzahl steht und fällt. Hier lassen sich Parallelen zu anderen Plattformen wie Facebook, Instagram & Co. erkennen, welche ihren Erfolg den hohen Nutzerzahlen und somit einem grossen Netzwerkeffekt verdanken. Damit ein Modell wie Scoperty sich also am Markt durchsetzen kann, bedarf es einem konsequenten Aufbau der Nutzer. Die Verzweiflung der suchenden Käufer könnte dies durchaus begünstigen.

Big Techs als ernstzunehmende Player im Eigenheimmarkt

Nebst den genannten Startups schielen aber auch andere Anbieter auf den noch immer sehr rentablen Eigenheimmarkt. Bekannte Firmen wie Amazon oder Google investieren schon seit einiger Zeit in die Diversifikation ihrer Ertragsquellen und damit auch in den Eigenheimmarkt. Niemand kennt die Nachbarschaft des künftigen Eigenheims besser als Google und nur wenige verstehen es besser, die Nutzer- und Konsumdaten der Kunden zu interpretieren und zu nutzen als Amazon. Beide Firmen gehören zu den Top 10 der wertvollsten Firmen weltweit, auch dank deren grossen Datensätzen.

Google lancierte 2020 in Amerika einen eigenen Hypothekarservice in Zusammenarbeit mit dem Consumer Financial Protection Bureau (vergleichbar mit der FINMA in der Schweiz), welcher die Hypothekarnehmer im gesamten Prozess mit Anleitungen, Zinsvergleichen oder Online-Rechnern begleitet. Dabei greift Google auf die eigens entwickelte Technologie der Knowledge Graphs zurück, die durch die Aggregation der Suchergebnisse zu einem bestimmten Thema Wissen vermittelt.

Screenshot des Google-Mortgage Services. Aktuell ist dieser erst in Amerika und für Mobile verfügbar. Quelle: searchenginejournal.com

Auch Amazon investierte bereits im Jahr 2019 in den grössten amerikanischen Immobilienmakler Realogy. Das direkte Potenzial liegt auf der Hand; Amazon erhofft sich durch die Kooperation Zugang zu Millionen von Hauskäufern in Amerika, um diesen etablierte Amazon Home Services oder Smart Home Produkte, wie beispielsweise die Sprachassistentin Alexa,  anzubieten. Dank den umfassenden Nutzerdaten weiss Amazon zudem möglicherweise früher als die Kunden selbst, wann es Zeit für einen Wechsel der Wohnsituation ist. Dann zum Beispiel, wenn Amazon aufgrund des Konsumverhaltens erkennt, dass Nachwuchs im Anmarsch ist.

Quellen

Der Bund. Corona treibt die Preise hoch: Häuser werden noch teurer. Abgerufen am 16.03.2021 von https://www.derbund.ch/corona-treibt-die-preise-hoch-haeuser-werden-noch-teurer-130905133532

Handelsblatt. Dieses Start-up zeigt, wie viel Ihr Haus wert ist – oder das Ihrer Nachbarn. Abgerufen am 16.03.2021 von https://www.handelsblatt.com/finanzen/immobilien/scoperty-dieses-start-up-zeigt-wie-viel-ihr-haus-wert-ist-oder-das-ihrer-nachbarn/26955518.html?ticket=ST-3234391-SdMxYsFuegnkoKds4dby-ap5

Scoperty. Über Scoperty. Abgerufen am 16.03.2021 von https://scoperty.de/pages/about

Search Engine Journal. New Google Mortgage Information Search. Abgerufen am 16.03.2021 von https://www.searchenginejournal.com/google-mortgage-information-search/375258/

The Washington Post. Amazon is edging into real estate, but not how anyone expected. Abgerufen am 16.03.2021 von https://www.washingtonpost.com/business/2019/07/23/amazon-moves-into-real-estate-by-teaming-up-with-realogy/

 

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Andreas Wintsch

Andreas Wintsch ist Student bei der Hochschule Luzern – Informatik und bloggt zum Modul Studienreise des Studiums Wirtschaftsinformatik.

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