Designansätze – für wirtschaftliche Innovation und gesellschaftlichen Wandel? – Design in Organisationen

Globale Ereignisse und Entwicklungen fordern private wie öffentliche Organisationen heraus, sich neuen Handels- und Denkweisen zu öffnen. Langfristiger und nachhaltiger Erfolg wird zunehmend in Verbindung mit internen Designfähigkeiten gebracht. Doch was ist damit gemeint? Was gehört dazu? Wo in der Organisation sind diese Fähigkeiten zu entwickeln und zu platzieren? Was und wen braucht es dazu? Welche Erfahrungen und Beispiele gibt es bereits in der Schweiz und international?

Im Rahmen des 140-Jahr-Jubiläums der Hochschule Luzern – Design & Kunst richten die Forschungsgruppen Tagungen aus, die Einblick in die aktuellen Diskurse und Erkenntnisse in den jeweiligen Lehr- und Forschungsfeldern geben. Dabei greifen sie ausgewählte Themen, Problemfelder und Entwicklungslinien der 140-jährigen Geschichte der Hochschule Luzern – Design & Kunst auf und beleuchten diese aus einer aktuellen, forschungsorientierten Sicht.

Alles ist in Bewegung, alles ist im Umbruch – auf kaum eine Disziplin trifft diese Aussage besser zu als auf Design. Wie die Geschichte der Hochschule Luzern – Design & Kunst zeigt, wurden Designschaffende durch technologische Umbrüche sowie wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt. Gleichzeitig aber stellen gestalterisches Denken und gestalterisches Tun diese Rahmenbedingungen auch immer in Frage, um neue Formen des menschlichen Zusammenlebens zu ermöglichen – stets mit dem Ziel, eine bestehende Situation in eine verbesserte zu transformieren. Wenn Werte und Wertvorstellungen sich ändern, ändern sich auch die gestalterischen Prozesse und die Inhalte Designschaffender. Wie wichtig hier das Zusammenspiel zwischen Leitung, Management, Organisation und Gesellschaft ist, belegt die Chronik der Hochschule ebenfalls.

Neue Aufgaben für das Design in Gesellschaft und Wirtschaft

Auch heute leben wir in einer Zeit der Bewegung und des Umbruchs. Nichts ist mehr, wie es war, und vieles wird und kann nicht bleiben, wie es ist in Gesellschaft und Wirtschaft. Doch was sind die Grundlagen für notwendigen gesellschaftlichen Wandel und wirtschaftliche Innovationen und welchen Beitrag leistet hier Design?

Vielen bekannt für seine bahnbrechende Erforschung von Entscheidungsprozessen in Wirtschaftsorganisationen, verblüffte Wirtschaftsnobelpreisträger Herbert A. Simon 1969 nicht nurDesigner mit seiner Feststellung, dass ein jeder ein Designer sei, der oder die Handlungen ersinnt, die darauf abzielen, eine bestehende Situation in eine bevorzugte Situation zu verwandeln (Simon 1996 [1969]). Simons Erweiterung des Designbegriffes und das damit verbundene Designverständnis erlauben uns, soziale Innovationen und damit gesellschaftlichen Wandel als Designherausforderung zu betrachten, da sie eine bestehende soziale Situation in eine bevorzugte zu verwandeln suchen.

Auch der amerikanische Designtheoretiker Richard Buchanan verweist auf die Reichweite gestalterischen Denkens und Handelns. Es gibt, so Buchanan, «keinen Bereich gegenwärtigen Lebens, in dem Design – der Plan, das Projekt oder die Arbeitshypothese, die ‹die Intention› in beabsichtigten Aktivitäten konstituieren – kein signifikanter Faktor in der Formierung menschlicher Erfahrung ist» (Buchanan 1992). Soziale Innovation ist folglich immer mit einer Um- oder Neuformierung menschlicher Erfahrung und Interaktionen verbunden oder macht diese sogar zu ihrem zentralen Anliegen. Designprinzipien, Designmethoden und Designprozesse rücken somit in den Mittelpunkt, immer im Verbund mit innovativen Produkten und Dienstleistungen. Doch was bedeutet Design «when everybody designs» (Manzini 2015)? Wo findet Design statt? Wer führt Designaktivitäten aus, wer ist in oder übernimmt Verantwortung für welche Designprodukte in Gesellschaft und Wirtschaft? Welche «Designprodukte» nehmen wie Einfluss auf die alltägliche Erfahrung und das alltägliche Miteinander von Menschen?

Zunehmend rückt der Blick auf den öffentlichen Dienst, wo Verantwortliche, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seit jeher kontinuierlich an der Gestaltung von Produkten und Dienstleistungen arbeiten, die sozialen und damit gesellschaftlichen Wandel fördern und ermöglichen sollen. Aber nur wenigen ist ihre Designaktivität bewusst, geschweige denn mit Designmethoden vertraut, die potentielle Nutzer und Nutzerinnen frühzeitig in die Entwicklung einbinden, damit Sinn, Nutzen und Handhabbarkeit sichergestellt sind. Doch ist das oberste Ziel für öffentliche Organisationen, für Menschen nützliche, nutzbare, nachhaltige und für die Gesellschaft wünschenswerte Produkte und Dienstleistungen zu konzipieren und zu realisieren.  Nur so können sie ihr soziales und gesellschaftliches Mandat erfüllen. Aber was verlangt eine Mitarbeit an grossen Themen wie Gesundheit, Alternde Gesellschaft, Digitalisierung, Inklusion und Integration heutigen und zukünftigen Designern und Designerinnen ab? Welche Voraussetzungen müssen Organisationen und Management schaffen, damit design-basiert gearbeitet werden kann? Braucht es dazu ein neues Designverständnis und Designbewusstsein? Ist «Design Thinking» die Lösung? Oder braucht es dafür eine gestalterisch geprägte «Design Attitude» (Michlewski 2015), eine designerische Grundhaltung? Wenn ja, wie erreicht man diese? Welche Beispiele gibt es? Und welche Rolle spielt Designforschung in diesem Bereich? Welche Aufgaben fallen ihr zu?

Die Tagung der Forschungsgruppe Design & Management beschäftigt sich mit den Umbrüchen und Bewegungen, die neue Pfade für die Designforschung eröffnen und neue Arbeitsfelder für Designschaffende und Designlehrende an den Schnittstellen Organisation, Management und Gesellschaft erschliessen. Fachleute aus Wirtschaft, Verwaltung und Forschung präsentieren und diskutieren die Bedeutung und die Auswirkungen des erweiterten Designbegriffs. Die zweitägige Veranstaltung zeigt auf, wo, wann und wie Design heute in privaten und öffentlichen Organisationen angewandt wird und welchen Beitrag Design bereits jetzt zu organisatorischem Wandel und sozialer Innovation leistet.


Referenzen

Buchanan, R. (1992). Wicked Problems of Design Thinking. Design Issues, Vol. VIII, Number 2 Spring 1992.

Manzini, E. (2015). Design when everybody designs, MIT Press, Cambridge, MA.

Michlewski, K. (2015). Design Attitude, MIT Press, Cambridge, MA.

Simon. H.A. (1996). The Sciences of the Artificial, MIT Press, Cambridge, MA, 3rd edition.