FREMD das fremde.
Unglaublich viele Eindrücke von vielen verschiedenen Künstlern, Architekten, Gebäuden und Ortschaften beinhaltete unsere ein-wöchige Studienreise in den Kantonen Tessin und Graubünden. Es war sehr bereichernd und doch hatte man manchmal das Gefühl, man braucht mehr Zeit um die verschiedenen Eindrücke auf sich wirken zu lassen. Nach unserer Rückkehr hatten wir glücklicherweise noch eine Woche Semesterferien, die wir dann gut nutzen konnten, um uns alles nochmals durch den Kopf gehen zu lassen. Mich beschäftigte die Kunst und die Provokation von der Künstlerin Miriam Cahn, und ich frage mich was bei Ihren Bilder wohl schwerer wiegt, die Kunst oder die Provokation?!
Wir konnten einen Tag nach unserem Besuch des Ateliers von Miriam Cahn in Stampa eine Austellung ihrer Kunstwerke im geschichtsträchtigen Palazzo Castelmur besuchen. Diese war schon von aussen beeindruckend, irritierend und provokant zugleich. Das Gebäude sieht von zwei gegenüberliegenden Fassaden komplett anders aus und vermittelt dem Besucher bereits von aussen ein verwirrendes Gefühl.
Für mehr über das Gebäude siehe: Castellmur Homepage
Die Palazzo ist im inneren sehr prunkvoll. Die Räume sind mit lackiertem Täfer und mit Tapeten versehen und glamourösen Möbeln ausgestattet. Sie beherbergt eine Dauerausstellung über die Zuckerbäckern und momentan eine Bilderausstellung der Künstlerin, Miriam Cahn. Das Thema des Fremden zeigt die Künstlerin in verschiedenen Bildern, die sie mit Flucht von zuhause oder ähnlichen Titeln versieht. Sie nimmt dabei auch Bezug auf die Zeit der Zuckerbäcker, die während Jahrhunderten in europäische Metropolen emigrierten, um dort ihr Glück zu suchen. So verbindet sie die Thematik der Flucht von früher mit der heutigen, die sehr aktuell und tragisch ist. Die nackte Wahrheit bildet sie ab ohne Scham oder Zensur, was ihre Bilder sehr wirkungsvoll, provokativ und zudem auch prägend zeigt.
Auf uns hat die Ausstellung von Cahn sehr provokativ gewirkt und wir haben uns gefragt wie düster sie und ihr Inneres sein musste. Als ich jedoch zuhause weiter nachrecherchiert habe, bin ich zum Entschluss gekommen, dass die Ehrlichkeit, die sie uns über die weniger schönen Dinge im Leben durch ihre Bilder vermittelt, einfach nichts für schwache Nerven sind. Wenn man die Kunst als etwas Schönes und mit guten Gefühlen assoziiert, dann ist Miriams Kunst eher eine Provokation. Meiner Meinung nach sollte die Kunst sowohl über die unschönen Dinge als auch über die Themen über die man gerne schweigt, sprechen dürfen. Ihre Bilder haben eine Anziehungskraft, wecken Neugier und zugleich sind sie abstoßend und verursachen Entsetzen.
„Sie arrangiert ihre Zeichnungen und Ölbilder in ihrem Sinn stimmig, was auch bedeutet, dass sie keinem Bild, sei es noch so gross und gewichtig, einen Rahmen gegeben hat. Stattdessen sind die Zeichnungen, mögen sie noch so monumental und fragil sein, mit Klebstoff oder Nadeln an der Wand befestigt worden. Stimmig heisst bei Cahn vor allem aber auch, politisch zu sein, gegen den Strom zu schwimmen, sich für Minderheiten, für Flüchtlinge, gegen Krieg und gegen Männer-Macho-Kisten einzusetzen, Gegenbilder zu entwerfen zum Mainstream-Reklame-Wahnsinn, der uns täglich unter Beschuss nimmt.“[1]
Ob man die Bilder als Kunst oder Provokation anschauen muss, liegt im Auge des Betrachters.
Für mich kommen beide Ansichten in Frage.
Quellenverzeichnis:
[1] Zitat Textabschnitt:
Republik. unbedingt, absolut, frei. Aufgerufen von https://www.republik.ch/2019/03/15/unbedingt-absolut-frei (19.09.21)
Abbildungsverzeichnis:
Alle Abbildungen von: Gülbeyza Erek
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