Die Sonnenseite aus Stein gebaut

Das warme Klima, die insubrische Landschaft und den kulturellen Charme lässt die kaltblütigen Nordschweizer immer wieder verzaubern. Das Tessin oder auch der sonnige Kanton der Schweiz genannt unterscheidet sich in vielerlei Hinsichten vom Rest der Schweiz. Grösstenteils davon ist der Einfluss der Herrschaft von Mailand und Como geschuldet, welches sich bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts zog1. Als einziger Kanton der Schweiz liegt das Tessin vollständig auf der südlichen Seite der Alpen und hatte damit schon immer einen sehr starken Bezug zum kulinarisch ausgeprägten Nachbarland Italien.

Von diesen Einflüssen sind die vernakulären Land- und Stadthäuser intensiv geprägt.
In der Mediterranen Gegend setzte sich, zur Zeit der römisch- griechisch Hochkultur, aufgrund der Entwaldung von Südeuropa und den wechselnden Bedürfnissen der Zivilisation, die Steinbauweise durch. Dazu kommt, dass die Steinbauweise auch klimatische Vorzüge hatte2. Die Stadthäuser im Tessin sind an den Baustil der lombardischen Gehöfte angeglichen. Die mit Säulen und Rundbögen versehenen Gebäude mit farbenfroher Fassade und schmucken Dekorelementen findet man häufig dort, wo man es sich leisten konnte.

In der eher ländlichen Gegend sieht man die Grenze des Kantons an den aus Gneis geschaffenen Rusticos. Wenn man nur die Ressourcen der Schweiz betrachtet, so sieht man schnell, dass sich das Tessin an der sogenannten Kastaniengrenze entlang schlängelt. Im Gegensatz zu den konstruktiv qualitativen Laub- und Nadelhölzern im Norden, eignet sich das Kastanienholz aufgrund seines nicht geraden Wachstums nicht optimal als primär Struktur. So kommt der tessiner Gneis geschichtet als Trockenmauer zum Zug. Nur zur Verstärkung und Stützung des ebenfalls geschichteten Steindaches3 oder als Sturz bei den Fensteröffnungen zum Einsatz.

Die Gliederung und der Aufbau dieser Rusticos gestaltet sich anfangs sehr simpel. Ein Ein-Raum Haus bildet den Wohnbereich, das Esszimmer und den Arbeitsort. Erst zu einem späteren Zeitpunkt erweiterte man das Gebäude um einen weiteren Stock als Estrich. Dieser war meist nur von aussen zugänglich über eine Treppe, welche ebenfalls aus Gneis war an der Fassade entlang. Nach und nach kamen weitere Räume auch seitlich dazu, was dazu führte, dass sich die typischen engen Gassen bildeten und mehrere Gebäude zu einem gesamtheitlichen Bild verschwanden.


Durch die langhaltende Bausubstanz erfreut sich der Umbau von Rusticos von grosser Beliebtheit5. Durch die Wahrung des Bestandes und das Einsetzten von zeitgemässen Materialien und Elementen bleibt der Charme des einstigen vernakulären Steinhauses bestehen.