22. Dezember 2019

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Wie Negativzinsen die Immobilienmärkte verändern

Wie Negativzinsen die Immobilienmärkte verändern

Wenn bei positiven Wirtschaftsbedingungen bereits Negativzinsen herrschen, was passiert dann, wenn die Real- oder Finanzmärkte aufgrund von Schocks einen Stimulus brauchen? Ist es denkbar, dass die Negativzinsen dann auf 5-6% sinken? was würde das für die Immobilienmärkte bedeuten?

JLL ist  in einem bemerkenswerten Paper der Frage nachgegangen, was passieren würde, wenn die Notenbanken aufgrund einer Krise wie in der Vergangenheit gezwungen wären, die Zinssätze um 3-5% zu senken. Im heutigen Zinsumfeld würde das bedeuten, dass die Zinssätze auf fast unvorstellbare -5% bis -6% sinken würden.  Das Gedankenspiel hat zu sechs bedenkenswerten Thesen geführt.

1) Einschränkung der Marktliquidität torpediert Investitionsbereitschaft in Immobilien

Um zusätzliche Kapitalrückflüsse und damit Negativzinsen auf Einlagen zu vermeiden, werden insbesondere Immobilien-Aktiengesellschaften, Pensionskassen und Anlagestiftungen ihre Bestandsliegenschaften nicht mehr am Markt zum Verkauf anbieten. Verbleibende Transaktionen fokussieren sich dann nur noch auf risikoreiche Immobilien. Auch Privatinvestoren und Familiy Offices werden durch den hohen Fremdfinanzierungsanteil von einem Verkauf absehen, da die Refinanzierung alter Hypotheken mit neuen, günstigeren Hypotheken die Schaffung von Eigenkapital ermöglicht.

Auf der anderen Seite wird die Nachfrage nach Immobilieninvestitionen steigen, um die Zinskosten durch Einlagen zu minimieren. Das limitierte Angebot sorgt jedoch vermehrt zu kompetitiven Bieterverfahren und prägt somit auch zukünftig den Transaktionsmarkt.

2) Fremdkapitalaffine Investoren haben einen deutlichen Wettbewerbsvorteil

Werden die tiefen negativen Zinsen an Hypothekarnehmer weitergegeben, kann die gewünschte Mindestrendite von Private Equity-Investoren, IRR- und Total-Return-Investoren deutlich einfacher erreicht werden. In der Folge können höhere Preise im Bieterverfahren geboten werden und Investoren mit übermässigen Eigenkapital und Restriktionen in Bezug auf die Fremdkapitalaufnahme verlieren deutlich an Handlungsmacht.

3) Die durchschnittliche Gebäudequalität steigt und Potentiale werden ausgeschöpft

Um Einlagen zu vermeiden werden Kapitalzuflüsse in werterhaltende Sanierungen oder wertschaffende Massnahmen investiert. Bisher ungenutzte Potentiale werden abgerufen und neue Entwicklungsprojekte werden angestossen. Ein weiterer Bau- und Sanierungsschub würde zwar das angestrebte Ziel, durch Zinssenkungen Investitionen zu fördern und so die Wirtschaft anzukurbeln, erreichen, jedoch könnten in diesem Zusammenhang auch die durchschnittlichen Mietpreise deutlich steigen.

4) Immobilienbewertungen folgen neuen Regeln

Die abnehmende Liquidität auf dem Immobilienmarkt führt zu einer abnehmenden Transparenz durch die geringe Verfügbarkeit von Vergleichswerten. Infolgedessen gewinnt der Mark-to-Model-Ansatz an Bedeutung. Ein negativer Leitzins von -5% in Verbindung mit langfristig negativ verharrenden Zinsen, resultiert in einem negativen risikolosen Basiszinssatz. Durch den steigenden Zeitwert des Geldes werden zukünftige positive Zahlungsströme höher bewertet als heutige. Im Extremfall könnte in der Immobilienbewertung sogar ein Paradigmenwechsel stattfinden, bei welchem das DCF-Verfahren gänzlich ausgetauscht wird.

5) Das Risiko einer Investition spiegelt sich nicht mehr in der Rendite wider

Eine Leitzinssenkung hat im Allgemeinen keinen Einfluss auf die Risikobereitschaft von Investoren. Hingegen führt eine drastische Leitzinssenkung zu einer signifikanten steigenden Risikobereitschaft, denn aus psychologischer Perspektive schmerzt ein Verlust mehr, als ein Gewinn in gleicher Höhe Freude bereitet.

Dies bedeutet, dass bisher risikoscheue Investoren zukünftig ein höheres Risiko in Kauf nehmen, um einen Verlust, welcher z.B. durch Negativzinsen hervorgerufen wurde, zu verhindern. An dieser Stelle trifft der hohe Investitionsdruck auf das geringe Angebot und führt zu einer geringeren Rendite.

6) Die Spitzennettoanfangsrendite hat eine Null-Prozent-Untergrenze

Die Nettoanfangsrendite bei Spitzenimmobilien kann technisch gesehen nicht unterschritten werden. Aufgrund von Negativzinsen und negativen Diskonierungssätzen kann der Wert von Spitzenimmobilien aber weiter steigen, so dass die Nettoanfangsrendite als Division der Nettoeinnahmen durch den Immobilienwert asymptotisch null erreicht. Unter der Annahme, dass Spitzenimmobilien bei extrem negativen Zinsen überhaupt zum Verkauf angeboten werden, bleibt die Frage bestehen, bei welcher Nettoanfangsrendite die Schmerzgrenze für Investoren erreicht wird.

Fazit

Weitere Zinssenkungen sind nicht unwahrscheinlich und können zu einem Paradigmenwechsel am Immobilienmarkt führen. Finanzmathematische Konzepte zur Immobilienbewertung werden auf den Kopf gestellt und aus verhaltensökonomischer Sicht ist eine erhöhte Risikobereitschaft auf dem Markt zu erwarten. Die eingeschränkte Marktliquidität führt zu einer höheren durchschnittlichen Gebäudequalität, was auch soziale Auswirkungen auf die Bevölkerung hat.

Für weiterführende Informationen verweisen wir auf den Fachartikel «Der Elefant im Raum – Denkanstösse zu sehr tiefen Negativzinsen» von JLL.

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