Die Siedlung Klee in Zürich-Affoltern mit insgesamt 340 Wohnungen wurde im Jahr 2011 fertiggestellt. Sie befindet sich zu fast gleichen Teilen im Besitz der Baugenossenschaft Hagenbrünneli (BGH) und der Gemeinnützigen Bau- und Mietergenossenschaft Zürich (GBMZ). Die Wohnungen im Teil der GBMZ werden über eine zentrale Lüftungsanlage be- und entlüftet, und es findet eine Wärmerückgewinnung (WRG) statt. Die BGH verzichtete dagegen auf eine zentrale Lüftungsanlage und setzte auf das herkömmliche Lüftungskonzept der unkontrollierten (manuellen) Fensterlüftung mit mechanischer Abluft in den Nasszellen und Küchen (Betrieb nur bei Bedarf, keine kontinuierliche Belüftung). Da Gebäudestruktur und -hülle, die Nutzungsart sowie die Wärmeversorgung der beiden Gebäudeteile identisch sind, bietet die Siedlung Klee beinahe optimale Rahmenbedingungen, um die beiden Lüftungskonzepte ökologisch und finanziell zu vergleichen. Um Anhaltspunkte für künftige Bauprojekte zu gewinnen, beauftragte die BGH s3-engineering damit, diesen Vergleich in einer Studie durchzuführen.
In einem ersten Schritt wurden die Allgemeinstrom- sowie die Heizwärmeverbräuche der beiden Siedlungsteile ausgewertet. Dabei zeigte sich, dass der Siedlungsteil mit zentraler Lüftungsanlage 60 % mehr Allgemeinstrom verbraucht als der Siedlungsteil mit unkontrollierter Fensterlüftung. Diese grosse Differenz ist mit grosser Wahrscheinlichkeit auf die Ventilatoren der zentralen Lüftungsanlage zurückzuführen, wie die Berechnungen zum Strombedarf der Ventilatoren zeigten. Bei der Heizwärme dagegen weist der Siedlungsteil mit zentraler Lüftungsanlage einen 2.4 % gemessenen geringeren Verbrauch auf als der Siedlungsteil mit unkontrollierter Fensterlüftung und Abluft. Das laut Minergie-Nachweis theoretisch mögliche Einsparungspotential beläuft sich allerdings auf fast 19 % und wird somit bei weitem nicht ausgeschöpft. Beim ökologischen Vergleich mittels Ökobilanzen schneidet die zentrale Lüftungsanlage schlechter ab, wobei die totale Umweltbelastung – ermittelt mit der Schweizer Methode der ökologischen Knappheit – 36 % höher ist als diejenige der unkontrollierten Fensterlüftung. Finanziell über den gesamten Lebenszyklus betrachtet verursacht die zentrale Lüftungsanlage 74 % höhere Kosten, was auf die hohen Investitionskosten (der Lüftungskomponenten und zusätzlichen Betonarbeiten), die höheren Stromkosten sowie die Kosten für Unterhalt und Wartung zurückzuführen ist.
Um die Aussagen zur zentralen Lüftungsanlage der Siedlung Klee zu verallgemeinern, wurde in einem nächsten Schritt ein Szenario untersucht, in dem die Wärmeerzeugung mittels Erdsonden-Wärmepumpen erfolgt und die theoretisch mögliche Reduktion an Heizwärme durch optimales Nutzerverhalten und optimal funktionierende WRG erreicht wird. Zudem wurden optimistisch lange Lebensdauern für die Lüftungskomponenten angenommen und neu auch die graue Energie der Wärmegewinnung/-erzeugung berücksichtigt. Selbst in diesem idealen Szenario schneidet das zentrale Lüftungssystem sowohl ökologisch wie auch finanziell schlechter ab. Grund dafür ist, dass es sich bei einer nachhaltigen Wärmeerzeugung sowohl ökologisch als auch finanziell noch weniger lohnt, durch deutlichen Mehraufwand bei Lüftungskomponenten, Stromverbrauch und Wartung den Heizwärmeverbrauch zu reduzieren.
Die Deutlichkeit der Resultate, die Qualität der zur Verfügung stehenden Daten und die Eignung der Siedlung Klee als Studienobjekt legen die Vermutung nahe, dass die finanzielle und ökologische Bilanz ähnlich aussieht für viele zentrale Lüftungsanlagen. Die Tendenz der Kantone und Gemeinden, Lüftungssysteme oder WRG vermehrt vorzuschreiben bzw. zu fördern sowie die KWL-Anforderungen gewisser Baustandards (z.B. Minergie-Standards) erscheinen mit Blick auf die Resultate der vorliegenden Studie zumindest ökologisch und finanziell als Irrweg.
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