17. Dezember 2018

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Unterschätzte Nachfragegruppen auf dem Schweizer Büroflächenmarkt

Unterschätzte Nachfragegruppen auf dem Schweizer Büroflächenmarkt

Für Mikro- und Kleinunternehmen stellt die Suche eines geeigneten Objekts auf dem Schweizer Büroflächenmarkt eine Herausforderung dar. Meist haben Anbieter aufgrund der heterogenen Nutzerbedürfnisse dieser Nachfragegruppe Probleme, entsprechend auf ihre Anliegen zu reagieren. Der kürzlich publizierte «KMU Büromieter Monitor 2018» der Hochschule Luzern gibt Aufschluss über die Marktsituation für KMU aus Mieter- und Vermietersicht. Dabei wird auch die derzeitige Situation für Mikro- und Kleinunternehmen aufgezeigt.

Ein Inhaber eines wachsenden Mikrounternehmens für IT-Lösungen mit fünf Angestellten sucht eine neue Büroliegenschaft. Grösser und funktionaler soll sie sein als die vorherige, mit einem flexiblen Mietvertrag. Die Lage spielt für das IT- Unternehmen keine Rolle. Wenige Wochen später bezieht das Unternehmen seine neue 150 m2 grosse Liegenschaft mit Arbeitsplätzen für zehn Mitarbeitende. Der Mietvertrag ist leider nicht so flexibel wie gewünscht. Die Liegenschaft wurde über umfangreiche Online Recherchen gefunden.

So wie dem IT-Unternehmen geht es vielen Mikro- und Kleinunternehmen. Oftmals stehen Betriebe mit bis zu 50 Mitarbeitenden in Vollzeit nicht im Fokus der Vermarkter. Sie müssen sich bei der Büroflächensuche mit einer mühsamen Online-Recherche begnügen. Bei der Suche nach adäquatem Büroraum tun sich aber nicht nur Mikro- und Kleinunternehmen, die der Gruppe der Klein- und Mittelunternehmen (KMU) zugeordnet werden, schwer: Der Flächenbedarf der gesamten KMU-Landschaft steigt und es gibt derzeit für diese Nachfragegruppe kein zugeschnittenes Angebot. Dies zeigt der kürzlich erschienene «KMU Büromieter Monitor 2018» der Hochschule Luzern auf.

KMU sind Treiber des Beschäftigungswachstums

Laut Prognosen wird die Beschäftigungsrate in den Schweizer Unternehmen in den nächsten Jahren weiter ansteigen: Aus etwa 1.6% jährlichem BIP-Wachstum zwischen 2011 und 2015 resultierte ein Beschäftigungswachstum von insgesamt 1.14%. Beim aktuell erwarteten BIP-Wachstum von 2% zwischen 2017 und 2019 dürfte das Wachstum rund 55’000 Beschäftigte pro Jahr erreichen. Abbildung 1 verdeutlicht, dass KMU die bedeutendsten Treiber des Beschäftigungswachstums sind. «Mit einem Plus von 150’000 Mitarbeitenden von 2011 bis 2015 wuchsen die KMU viel stärker als die Grossunternehmen», reflektiert Christian Kraft, Studienleiter des «KMU Büromieter Monitors 2018» in der Studie die Entwicklungen der letzten Jahre.

Abbildung 1: Beschäftigungswachstum nach Unternehmensgrössen (Daten: Statent, BFS, Quelle: KMU Büromieter Monitor 2018)

Die Karte in Abbildung 2 verdeutlicht, dass die daraus resultierende Flächennachfrage von KMU in den Stadtzentren und ihren umliegenden Agglomerationen am stärksten ist. Daneben gibt es vielfach in Mittel- und Regionalzentren ein Nachfragewachstum. Auch in ländlichen und peripheren Orten werden derzeit Flächen von KMU mit einem moderaten Zuwachs nachgefragt. Insbesondere sind dies solche Randlagen, die die höchsten Leerstandsraten auf dem Schweizer Büroflächenmarkt verzeichnen.

Abbildung 2: Regionale Ungleichgewichte von Angebot und Nachfrage (Daten: Statent, BFS, Quelle: KMU Büromieter Monitor 2018)

Leerstehende Flächen in der Peripherie als passendes Angebot für KMU?

Für Mikrounternehmen mit bis zu 10 Mitarbeitenden wird im «KMU Büro Monitor 2018» für die Jahre zwischen 2011 und 2015 schweizweit eine Zusatznachfrage von rund 215.200 m2 Flächen festgestellt. Für Kleinunternehmen, die 10-50 Mitarbeiter in Vollzeit beschäftigen, sind es rund 204’000 m2 an Zusatznachfrage (vgl. Abbildung 3). Für diese Unternehmensgrössen wären auf den ersten Blick die leerstehenden Liegenschaften ausserhalb der Stadt interessant. So gibt es doch einige Gründe für die «Stadtflucht» kleiner Unternehmen: ausreichend Parkplätze oder preisgünstige Raumkombinationen von Büro, Lager und Gewerbe sowie gute verkehrstechnische Erreichbarkeiten zwischen den Grosszentren sprechen für einen Bürostandort ausserhalb der Stadt.

Abbildung 3: Aus dem Beschäftigungswachstum generierte Flächennachfrage (ImmoCompass, Statent, BFS)

Breite Streuung der Branchen und unterschiedliche Bedürfnisse

Dennoch sind nicht alle leerstehenden Flächen das passende Angebot für Mikro- und Kleinunternehmen. Die Standortpräferenzen kleiner Unternehmen sind extrem unterschiedlich. In einem repräsentativen Portfolio des Immobilienbewirtschafters Wincasa, das für die Studie der HSLU analysiert wurde, streuen sich die Mietverträge aller KMU-Büroflächen über 48 Branchen. Mehr als die Hälfte davon gelten nicht als klassische Bürobranchen. Beispielsweise hat der Spitexanbieter, der in der Agglomeration tätig ist, wenig gemeinsam mit der trendigen Grafikagentur in der City.

In der Regel mieten Mikrounternehmen mit einem Flächenbedarf bis 150 m2 Büros in Untermiete an. Oftmals arbeiten Mitarbeiter dieser Unternehmensgrösse auch von zu Hause aus oder nutzen Arbeitsplätze beim Kunden. Der boomende Co-Working-Trend schafft zudem kurzfristig passende Angebote. Anders sieht es hingegen bei Kleinunternehmen mit einem Flächenbedarf von 150 und 750 m2 aus: Co-Working Angebote sind hier oftmals ungeeignet, da die Unternehmen zu gross sind. Eine Single-Tenant-Nutzung kommt aufgrund der zu geringen Flächenbedarfe auch nicht in Frage. Das bedeutet: Diese Unternehmen suchen kleinteilige und flexibel nutzbare Räume für Büros, Logistik, Kleinserienproduktion oder den Verkauf – zugeschnitten auf ihre heterogenen Bedürfnisse.

Für Anbieter von Büroflächen stehen Grossunternehmen im Zentrum des Interesses

Die gesamte Gruppe der KMU steht trotz ihrer verhältnismässig grossen Anzahl und des dargelegten Wachstums nicht im Fokus der Anbieter. Grossunternehmen mit über 1000 Mitarbeitern bieten den Vermarktern und Bewirtschaftern auf den ersten Blick mehr Sicherheit. Zu unsicher ist beispielsweise die Entwicklung eines Fünf-Mann-Unternehmens und zu vielfältig die aufgezeigten Bedürfnisse. Zudem sind viele Büroflächenangebote der Vermarkter für kleine Unternehmen ungeeignet, da sie mitunter im Rohbau angeboten oder nur langfristig gemietet werden können. Hinzukommend führen die heutigen Honorarmodelle der Bewirtschafter dazu, dass KMU-Büromieter aufgrund erhöhter Beratungsbedarfe schlechter oder gar nicht beraten werden können.

Implikationen für Anbieter und Nachfrager

Anbieter und Nachfrager wissen bisher zu wenig übereinander. Diese Wissenslücke strebt das Projekt «KMU Büromieter Monitor» an zu schliessen und Betreiber und KMU langfristig zusammenzubringen. Als Lösung für die bisherige Problematik auf Angebotsseite fasst Daniel Hediger vom Beratungsunternehmen immodea und Co-Autor der Studie zusammen: «Um das eigene Unternehmen für KMU-Büromieter attraktiver zu machen, wird Vermarktern und Bewirtschaftern empfohlen, KMU-Büromieter in der Vormietphase mit qualitativ, hochwertigen und vertrauenswürdigen Informationen zu unterstützen. Wir empfehlen, dazu zum Beispiel Hintergrundinformationen zu Büromietverträgen, Vorteile von neuen Bürolayouts für KMU, Wegleitungen, Checklisten für die Büroflächensuche und Videokurse anzubieten.»

Durch solche Angebote können die Bewirtschafter als auch die gesamte Gruppe der KMU profitieren. Daher wird im nächsten Jahr das Projekt «KMU Büromieter Monitor» fortgeführt, mit konkreten Lösungsansätzen zum bisherigen Mismatching.

Die aktuelle Studie «KMU Büromieter Monitor 2018» kann kostenlos hier bezogen werden. Bei weiteren Anfragen wenden Sie sich an den Studienleiter, Christian Kraft, christian.kraft@hslu.ch

Autorin: Angela Thomsen, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Finanzdienstleistungen Zug. Der Artikel ist der Fachzeitschrift «Intelligent Bauen, Oktober 2018″ erschienen.

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