3. Dezember 2018

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Nahversorger wieder im Trend

Nahversorger wieder im Trend

Eine Antwort der grossen Detaillisten auf das veränderte Einkaufsverhalten und den Onlinehandel ist eine Rückkehr von Nahversorgungsläden in Wohnquartiere und Gemeinden. Mit kleinen Handelsflächen können Vermieter das Leerstandsrisiko reduzieren, das Portfolio diversifizieren sowie ihre Renditen erhöhen.

Norbert Scholz

Im Quartier sowie auf dem Arbeits- und Schulweg werden die täglichen Einkäufe erledigt. Schnelles Einkaufen und ständige Verfügbarkeit der Waren des täglichen Bedarfs suchen die Menschen vor Ort. Im Rahmen von 2`000-W-Arealen werden bereits mit Mietern Fahrtenkontingente oder sogar der Verzicht auf den eigenen PKW in Mietverträgen vereinbart. Dieses Streben nach CO2-Reduktion und der Nachhaltigkeitsgedanke führt Wohnen und den täglichen Einkauf im Quartier wieder zueinander. Die Nachfrage von Flächen für Nahversorgungsläden ist wieder angestiegen.

Lebensmittelläden kehren in Gemeinden und Quartiere zurück

Nach einer Zeit des Ladensterbens in kleinen Ortschaften ist ein rückläufiger Trend sichtbar. Vor der Konzentration der Lebensmittelhändler auf Zentren gab es im Ort mehrere auf wenige Warengruppen spezialisierte Geschäfte. Heute geht der Trend zurück zu Quartierläden mit einem breiten Angebot. Neben Lebensmitteln für den täglichen Bedarf sucht der Kunde in den Geschäften auch Papeterie, Drogerieartikel und weitere Haushaltsartikel.

Marta Kwiatkowski, eine Trendforscherin am Gottlieb – Duttweiler – Institut, bestätigt im Mai 2018 die Rückbesinnung auf den kleinen Laden um die Ecke. Der Grund dafür liege in der zunehmenden Mobilität. Heute werde mehr und über weitere Distanzen gependelt als noch vor zwanzig Jahren und das habe automatisch Folgen für das Einkaufsverhalten (Künzi, 2018).

Verkaufsflächen über 800 m2 sind mittel- und langfristig nicht mehr in der gewünschten Menge zu realisieren. Es fehlen in der Schweiz die notwendigen Grundstücks- und Mietflächen. Bei den auf Effizienz getriebenen Grossverteilern hat ein strukturelles Umdenken begonnen. Neue Vertriebsstrukturen, moderne Ladenkonzepte und flexiblere Belieferungswege stellen die überregionalen Lebensmittelhändler vor neue Aufgaben.

Obgleich der Umsatzanteil des Onlinelebensmittelhandels aktuell nur etwa 2% beträgt, spornt diese Konkurrenz innovative Konzepte der stationären Händler an. Bis der Händler in den Kühlschrank der Kunden liefert, bedarf es noch eines langen logistischen Entwicklungswegs. Dem Warten auf die Heimlieferung begegnen die Händler mit kurzen Einkaufswegen und langen Öffnungszeiten. Trotz guter Einkaufsvorbereitung wird der überwiegende Teil der Kaufentscheide im Laden getroffen. Der tägliche Einkauf lebt von Inspiration und guten Angeboten, kombiniert mit Zusatzdienstleistungen (z.B. Post-Agenturen). Flexibilität und permanente Warenverfügbarkeit sind ein Erfolgsmodell der Nahversorger direkt im Wohn- und Arbeitsort der Menschen.

Die Migros hat mit ihrem Franchisesystem VOI Migros-Partner seit zehn Jahren eine Antwort auf diese Herausforderungen gefunden und baut die Kleinladensparte aktiv aus. Coop bietet mit Coop Pronto Shops ein vergleichbares Angebot an. Dank lokaler Verankerung und Unternehmertum, unterstützt durch hochwertiges Ladendesign sowie einem breiten Vollsortiment, gewinnen die Kleinläden Kunde um Kunde zurück. Vom Verkaufspersonal mit Namen begrüsst zu werden begeistert nicht nur ältere Bewohner, sondern vermehrt auch die jüngere Kundschaft.

Leerstand im Erdgeschoss mit lokalen Verkaufsläden reduzieren.

Neben Veränderungen im Detailhandel sind auch Anpassungen der Mietflächennachfrage ausserhalb der Zentren sichtbar. In den Erdgeschossen der Innenstädte ist Wohnen und Büro bedingt durch gestiegene Verkehrs- und Personenfrequenzen unattraktiv geworden. Der Lebensmittelhandel wird jedoch im stufenfreien Erdgeschoss durchgeführt. Ehemalige Restaurantflächen, Bäckereien, private Verkaufsgeschäfte ohne Nachfolger oder Gemeinschaftsflächen lassen sich mit überschaubaren, baulichen Eingriffen zu Kleinladenflächen umbauen. Neben Schulen, medizinischer Versorgung, einer infrastrukturell guten Anbindung wird ein Lebensmittelgeschäft zur Deckung des täglichen Bedarfs im Quartier wieder geschätzt. Zusätzliches Umsatzpotential generieren die Händler aus dem Durchgangsverkehr und suchen deshalb Läden an stark frequentierten Verkehrswegen. Strassenlage, Erdgeschoss und Zentrumslage sind für Nahversorger  bestens geeignet.

Geschwindigkeit versus Komplexität

Langfristige Projektentwicklung und mehrjährige Bauprojekte sind häufig zu träge für die nachgefragte Flexibilität und Expansionsgeschwindigkeit im Handel. Umnutzungen von Neubauflächen und sanierte Altbauten haben durch ihre kurzfristige Verfügbarkeit bessere Chancen, vom Handel angemietet zu werden. Durch befristete Mietverträge und Vermietung im Rohbauzustand empfehlen sich Kleinläden auch als Zwischennutzung bei komplexen Bauprojekten. Viele in den 70er bis 90er Jahren errichteten Gebäude stehen aktuell vor einer Teil- oder Vollsanierung. Mit den geplanten Sanierungen lassen sich auch Anpassungen an veränderte Mieteranforderungen oder zusätzliche Nutzer realisieren.

Eine häufig vom Vermieter unterschätzte Herausforderung ist die Terminverbindlichkeit zum vereinbarten Mietflächenantritt. Neben der Organisation der eigenen Ladenausbauten stellen die Händler frühzeitig Mitarbeiter ein und bestellen bei der Industrie Ware. Nicht selten startet dieser Prozess bereits sechs  bis acht Monate vor der Ladeneröffnung.

Mietmodelle und technische Flächenanforderungen

In der Schweiz hat sich bei Retailflächen die Rohbaumiete (abgeschlossene Gebäudehülle und auf die Mietfläche vorgestreckte Haustechnik) durchgesetzt. Die zu beachtenden Baustandards für Handelsflächen stellen die Retailer den Vermietern zur Verfügung. Eine enge Zusammenarbeit mit den Bauabteilungen garantiert die Optimierungen der Baukosten und der Bautermine. Es entsteht für beide Vertragspartner eine Win – Win Situation. Der Vermieter optimiert seine Baukosten und Prozesse und der Mieter erhält eine Fläche, welche die Umsetzung der eigenen Ladenbaustandards zulässt.

Anforderungen an Mietfläche für Kleinläden

  • Laufzeit Mietvertrag 8 – 10 Jahre + 2 x 5 Jahre Option
  • Indexierte Fix- und Umsatzmiete oder in Kombination
  • Miete abhängig von Lage und Ausbauzustand zwischen 3 % und 4 % des budgetierten Umsatzes
  • Verkaufsraumfläche 200 m2 bis 400 m2
  • 5 bis 15 Kundenparkplätze (abhängig von Ladengrösse und Lage)
  • Anlieferung: LKW 22to, Höhe 4.2 m

Die erwartete Häufigkeit der Mieterwechsel hat sich am Markt nicht bestätigt. Nur wenige Mieter- und Markenwechsel sind erkennbar. Der Wettbewerb im Einzelhandel gibt nur an unattraktiven Standorten Flächen frei. Kleinläden unterliegen einer schnelleren Alterung als Grossflächen. Der Handel erneuert durchschnittlich alle 8 bis 12 Jahre seine Ladengeschäfte und überprüft in diesem Zusammenhang den Business Case für die Zukunft. Es ist nicht ausgeschlossen, dass im Rahmen der Verhandlungen zu Mietvertragsverlängerungen der Händler Ausbaukostenzuschüsse fordert.

Mehrwert schaffen durch Mieterausbauten

Der steigende Wettbewerb der Flächenanbieter, aber auch rückläufige Umsätze der Lebensmittelhändler erhöhen den Druck auf die Mietzinsen. Neue Modelle der Zusammenarbeit sind gefragt. Mit der Übernahme von Mieterausbauten durch den Vermieter lassen sich eine zusätzliche Rendite und ein Wettbewerbsvorteil erzielen. Etwa 50 % der üblichen Mieterausbaukosten können technisch durch den Vermieter erstellt werden. Auf Seiten des Händlers verbleiben nur die eigentlichen Ladenausbauten, die Kosten für Werbeanschriften sowie der Einbau von notwendigen technischen Anlagen für den Verkaufsbetrieb.

Die unternehmensbezogenen Verzinsungsvorgaben der Händler für Investitionen sind im Regelfall einige Prozent höher als die marktüblichen erzielbaren Renditen aus Immobilien. Für den Handel ist es wirtschaftlicher, die Mietflächen bereits teilausgebaut anzumieten und die Verlagerung der Mieterausbauten durch einen zusätzlichen Mietzins zu vergüten. Ein grosser Teil der Mietflächenausbauten sind über die vereinbarte Erstmietdauer hinaus nutzbar und auch für Nachmieter zu verwenden. Der Händler hingegen schreibt seine Investitionen in die Ladenausstattungen innerhalb der vereinbarten Mietvertragsdauer kalkulatorisch ab. Die Summe aus interner Verzinsung und Abschreibung beeinflusst die Wirtschaftlichkeitsrechnungen der Mieter erheblich, was auf den Mietzins drückt. Für den Vermieter hingegen öffnet sich eine Möglichkeit einer zusätzlichen Rendite. Die filialisierenden Lebensmittelhändler gehen sorgsam um mit ihren Mietflächen. Ein gutes Erscheinungsbild gehört zum Geschäftsmodell.

Vermieter und Händler sind Partner

Eine publikumsorientierte, gewerbliche Erdgeschossnutzung belebt Wohnquartiere. Der Handel hat den Trend zum lokalen, täglichen Einkauf aufgenommen und passt seine Vertriebsstrukturen und Verkaufsflächen an die veränderten Kundenbedürfnisse an. Ursprünglich für den Lebensmittelhandel zu kleine Flächen werden wieder nachgefragt. Eine professionelle Vorbereitung und Potentialabschätzung ist die Grundlage für einen erfolgreichen Mietvertragsabschluss mit den grossen Lebensmittelhändlern. Die Kenntnis der Anforderungen an Retailflächen durch den Vermieter ist Basis des beidseitigen Erfolges und sichert eine gute Zusammenarbeit.

Quellen: Künzi, S. (06.06.2018). Die Grossen entdecken die Kleinen. BZ Berner Zeitung. S. 7

Der Artikel ist im 269. Schweizer Immobilienbrief im Rahmen des MAS Immobilienmanagement der Hochschule Luzern erschienen. Der Autor, Norbert Scholz, ist Teamleiter Bau der Genossenschaft Migros Aare.

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