4. Juni 2018

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Wie Immobilieninvestoren die Digitalisierung meistern (3/3)

Wie Immobilieninvestoren die Digitalisierung meistern (3/3)

Technologische Neuerungen waren und sind häufig Auslöser von Entwicklungsschüben und Umwälzungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Diese machen auch vor der Immobilienwirtschaft nicht halt und Immobilieninvestoren sehen sich zunehmend mit der Digitalisierung konfrontiert. Wer als Immobilieninvestor die Einzeltrends bei Wohn-, Geschäfts- und Spezialimmobilien verschläft, kann mittelfristig immer weniger marktgängige Flächen anbieten. Deshalb sind zukünftig insbesondere „digital“-denkende Mitarbeiter mit entsprechenden Kernkompetenzen von Bedeutung.

Prof. Dr. Markus Schmidiger und Dr. Christian Kraft

Teil 3 der dreiteiligen Artikelserie zum Thema „Was die Digitalisierung für Immobilieninvestoren bedeutet“.
Teil 1 finden Sie hier, Teil 2 hier

4. Konsequenzen für Immobilieninvestoren

Wenn sich die Art und Weise verändert, wie Menschen leben, arbeiten und interagieren, führt das zwangsläufig zu neuen Anforderungen an die gebaute Umwelt. Standortattraktivitäten, Produkte und Services sowie Planungs-, Bau- und Bewirtschaftungsprozesse, aber auch die Mitarbeiterführung und die Interaktion müssen sich anpassen. Die für den Investor relevanten Cashflows kommen von den Nutzern. Somit müssen sich Investoren und Eigentümer mit folgenden Fragen beschäftigen: Wer werden die Nutzer in der Zukunft sein? Wo werden sie welche Leistungen in Form von Services und Produkten nachfragen? Wie können diese Bedürfnisse am besten erfüllt werden? Einige mögliche Antworten finden sich nachstehend.

4.1 Standorte: Verschiebung von Attraktivitäten

Durch den einfachen und schnellen Datenaustausch verschiebt die Digitalisierung die Bedeutung von Distanzen. Mobile Zugänge ermöglichen neue Zusammenarbeitsformen und dezentrales, mobiles Arbeiten. Selbstfahrende Transportmittel verändern Logistik und Personentransport. Online-Einkauf verändert die Rolle des stationären Einzelhandels. Mit diesen geänderten Spielregeln verschiebt sich die Attraktivität der Standorte.

Städte sind weiterhin Katalysatoren für Kreativität und Entwicklung

Ein uneingelöstes frühes Versprechen der Digitalisierung war es, «dass die Welt flach würde», da es mit dem Internet ja nicht mehr darauf ankomme, wo jemand arbeite und wohne. Eingetreten ist genau das Gegenteil. Auch im Zeitalter der Digitalisierung entstehen Innovation und Fortschritt dort, wo viele intelligente, gut ausgebildete und ambitionierte Menschen aufeinandertreffen und sich inspirieren. Die «kreative Klasse»7 als Treiber von Entwicklung und Produktivität will in die grossen Metropolen wie London, Berlin oder auch Zürich, Basel, Genf.

Dieser Trend wird anhalten. Durch einfachere Transportmittel und die Option, nicht mehr jeden Tag von morgens bis abends am Arbeitsplatz sein zu müssen, wird sich der Radius des Einzugsgebietes ausdehnen. Grundsätzlich aber werden die heutigen Hot Spots auch in Zukunft die wichtigen Standorte sein, die sich dynamisch entwickeln. Die globalen Nomaden bewegen sich zwischen diesen Städten. Schnelle, direkte Bahn- und Flugverbindungen sind essentiell, ebenso ein gutes Einkaufs- und Freizeitangebot.

Sowohl Zürich als auch Genf und Basel sind diesbezüglich im internationalen Vergleich hervorragend aufgestellt und dürften sich damit weiterhin dynamisch entwickeln. Satelliten wie Zug, Winterthur, Baden oder Lausanne, die so gut angebunden sind, dass sie etwa in London oder Berlin eher als Stadtteile denn als eigenständige Städte bezeichnet würden, werden daran partizipieren. Diese Standorte werden somit auch in Zukunft für Investoren sowohl für Wohn als auch für Büro-, Retail- und Freizeitnutzungen hoch attraktiv sein. Fehlt die gute Anbindung an Metropolen, wie etwa in St. Gallen, Bern oder

Luzern, wird die Entwicklung wesentlich weniger dynamisch verlaufen. Quartiere als Orte der Nähe und des persönlichen Austauschs. Bei Wohnflächen bekommt das innerstädtische Quartierleben ein höheres Gewicht, besonders bei jüngeren Generationen. Diejenigen, die das Elternhaus aus Berufs- oder Ausbildungsgründen verlassen haben, suchen mit zunehmender digitaler Vernetzung Gegenpole des realen sozialen Austauschs. Nachbarschaften, Identifikation mit dem Quartier und Wohngemeinschaften spielen eine wichtige Rolle. Sie bevorzugen daher lebhafte Quartiere in Gross- und Mittelzentren und in der Nähe von Bildungsinstitutionen und zukunftsweisenden Arbeitgebern. Zusammen mit noch tiefen Einkommen resultieren diese Standortpräferenzen damit zumeist in einer Wohnsituation in günstigen, alten und unsanierten Wohnungen im dichten städtischen Raum und somit gewissermassen in einem Anachronismus. Die Gegensätze zwischen Anspruch an technologischen Fortschritt und realer Wohnsituation sind somit vor allem in den präferierten Quartieren häufig hoch. Bewirtschaftungsorganisationen tun gut daran, sich in der Betreuung von grösseren Überbauungen und Quartieren an Genossenschaften zu orientieren und mehr Gewicht auf die Sozialanimation zu legen.

Dezentrale Standorte sind einfacher erreichbar

In den letzten Jahren haben sich vor allem die Standorte entlang der S-Bahn-Linien sehr positiv entwickelt. Mit dem Einsatz von selbstfahrenden Fahrzeugen und der Möglichkeit zu dezentralem Arbeiten dürfte sich der Radius erweitern. Aus Kapazit.tsgründen ist nicht anzunehmen, dass selbstfahrende Autos die Bahn als wichtiges Pendlertransportmittel ersetzen werden. Sie werden es jedoch ergänzen und damit auch Standorte etwas abseits der S-Bahn-Linien einfacher erreichbar machen.

Zudem wird die SBB mithilfe von selbstfahrenden Bussen oder im Sinne eines Transport-Generalunternehmers vermehrt in der Lage sein, individuelle Tür-zu-Tür-Transportleistungen anzubieten.

Erste Versuche im Wallis oder in Zug laufen vielversprechend. Diese Standorte werden somit in Zukunft weiterhin als Wohnstandorte attraktiv sein. Einerseits für die etwas älteren Mitglieder der «kreativen Klasse», die schon Familie und Kinder haben. Andererseits für diejenigen, die aus den Städten gedrängt werden, da aufgrund der dort sehr eingeschränkten Wachstumsmöglichkeiten die Nachfrage auch in Zukunft kaum gedeckt werden kann. Büro- und Geschäftsflächen werden an diesen Standorten primär von lokalen Unternehmen nachgefragt, Erdgeschossflächen werden eher zur Herausforderung.

B- und C-Städte haben Mühe, lebendig zu bleiben

Die immer attraktiveren Möglichkeiten des Online-Shoppings führen dazu, dass Konsumenten sich für den Akt des Einkaufens nicht mehr aus dem Haus bewegen müssen. Wenn man sich denn schon aus dem Haus bemüht, möchte man mehr als nur einkaufen: breites Sortiment, gute Beratung, Unterhaltung, Erlebnisse. Dies wird primär in grösseren Shopping-Centers und Städten geboten. Läden in kleineren Städten werden demzufolge mehr und mehr Mühe haben zu überleben. Ohne Gegenmassnahmen werden die Zentren von Kleinstädten veröden. Die heute bereits an sehr dezentralen Standorten ersichtliche Tendenz wird sich auf grössere Gemeinden, kleine und mittlere Städte und sogar einzelne Quartiere in Grossstädten ausdehnen. Eine attraktive Bespielung der Erdgeschossflächen im Dorfzentrum, das Aufrechterhalten von Lebendigkeit, die das Zusammenspiel von Einzelhandel, Restauration und weiteren Freizeitangeboten ermöglicht, wird zur Herausforderung. Immobilieneigentümer werden sich an diesen Standorten auf sinkende Erdgeschosserträge einstellen und gemeinsam mit lokalen Vereinen und Behörden dafür sorgen müssen, dass eine lebendige Gemeinschaft entsteht.

Geschäftsstandorte zwischen Erreichbarkeit und Adressbildung

Industrie- und Logistikunternehmen, die sich im Transformationsprozess zur Industrie 4.0 befinden, müssen sich bei der Standortwahl mit der Frage auseinandersetzen, unter welchen Bedingungen eine autonome oder teilautonome Belieferung mit selbstfahrenden Lastwagen möglich sein wird. Aus Risikoüberlegungen wird jedes Passieren durch bewohnte Quartiere zu einer unüberwindbaren Hürde – unabhängig der Nähe zum Autobahnanschluss. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass die Teilautomatisierung des Strassenverkehrs eine starke Rolle in der zukünftigen Standortbeurteilung spielen wird. In der heutigen Diskussion wird dieser Gedanke aufgrund der Radikalität häufig verworfen. Die Idee des vollautonomen Fahrens von A–Z scheint noch zu unausgereift, zu risikobehaftet und mit zu vielen rechtlichen Fragestellungen blockiert zu sein. Im Bereich der Bürofl.chen zeichnet sich ab, dass alte Standorttugenden weiterhin Bestand haben. Adressbildung, Prestige sowie bestmögliche Erreichbarkeit und Infrastruktur bleiben wichtig. Sowohl im Kampf um Kunden als auch um gute Mitarbeitende. Der Flächenbedarf verändert sich jedoch massiv. Das Auflösen von Unternehmensgrenzen, die Externalisierung von Leistungen an weltweit tätige Freelancer, die erhöhte Mobilität und die Anforderung an Mitarbeitende, mehr Zeit beim Kunden zu verbringen, reduzieren die Flächenbedürfnisse massiv.

4.2 Produkte: Von Quadratmetern zu Services und Plattformen

Veränderungen in der Produktpalette von Immobilien waren in den letzten Jahren stark angebotsgetrieben. Aufgrund der Knappheit in allen Segmenten wurde praktisch alles absorbiert, die effektiven Bedürfnisse der Nutzer waren nur am Rande interessant. Dies verändert sich radikal. Wenn verstärkt der Kundennutzen im Fokus steht, werden künftig nicht mehr primär Quadratmeter vermietet, sondern individuelle Lösungen mit Services auch im Sinne von Plattformen, auf denen der Nutzer seine spezifischen Bedürfnisse befriedigen kann.

Im Zusammenhang mit digitalen Lösungen stellt sich für die an lange Planungs- und Bauzyklen gewohnte Immobilienbranche die Frage, wie sie mit den für digitale Produkte typischen Innovationszyklen von teilweise weniger als einem Jahr umgehen soll. Die Lösung wird in einer noch weitergehenden Trennung zwischen den unterschiedlichen Ausbaustufen liegen. Die Branche tut gut daran, sich in ihren Angebotsstrategien am Plattformgedanken zu orientieren und dem Nutzer eine Basisinfrastruktur anzubieten, die er dann individuell bespielen kann. Das kann unter anderem in einer Reduktion des technologischen Ausbaus sowie im Angebot von digitalen Zusatzleistungen resultieren. Im Folgenden gehen wir auf die Bereiche Wohnen, Büro, Gewerbe/Industrie/ Logistik und Verkauf ein.

Wohnflächen: Plattform für individuelle Lösungen

Die Grundbedürfnisse an das Wohnen werden sich nicht gross ändern: Sicherheit, Privatsphäre, Platz, Ruhe und Interaktion mit Nachbarn und Freunden werden auch in Zukunft zu befriedigende Bedürfnisse sein. Die Art und Weise wie diese gedeckt werden, wird sich jedoch ändern. Zurzeit steht aufgrund des demografischen Wandels das «Wohnen im Alter» stark im Fokus. Mit dem Eintritt der letzten Babyboomer ins Rentenalter im Jahre 2030 wird die Anzahl neu Pensionierter jedoch stark rückläufig werden. Der Gesamtbestand an Rentnern wird etwa ab 2045 schrumpfen. Eine reine Ausrichtung von Wohnungen auf «Wohnen im Alter» wird also langfristig keine erfolgsversprechende Strategie sein. Flexibilität und Umnutzungsfähigkeit sind auch in diesem Segment gefragt. Das Grundbedürfnis dieser Personen, bis zum Tod zuhause zu wohnen, verlangt jedoch auch kaum spezifische bauliche Massnahmen, Behindertengerechtigkeit ausgenommen. Technische Hilfsmittel wie Alarmanlagen, Bewegungssensoren etc. können aufbauend auf einer grundlegenden Kommunikationsinfrastruktur individuell installiert werden. Serviceleistungen werden in der Regel durch die Gemeinde zur Verfügung gestellt und dank der zunehmenden Technikaffinität auch dieser Generation können Plattformen zur Organisation der Dienstleistungen verstärkt eingesetzt werden.

Auf dieser Basis können diese Wohnungen in einer späteren Phase problemlos einer anderen Nutzung zugeführt werden. Durch die Konzentration auf ältere Personen drohten jüngere Generationen etwas in Vergessenheit zu geraten, obwohl sie eine gewichtige Zielgruppe sind. Sie fordert starke Individualisierungsmöglichkeiten und Flexibilität. Gefragt ist eine einfache und kostengünstige Grundausstattung (Strom, Daten, technische Anschlüsse), die eine Individualisierung mit eigener Ausstattung und vernetzten Geräten erlaubt. Aufgrund der Fluktuation und der damit verbundenen häufigen Individualisierungen erfordert die Grundausstattung robuste Materialien sowie kostengünstige und langlebige Hardware. In diesem Kontext ist vor allem zu erwarten, dass das Internet of Things und die intelligente Verknüpfung aller produktbasierten Systeme dem Smart Home und Smart Working einen weiteren Schub verleihen. Trotz des geringen Hardware-Anteils in der Wohnung oder am Arbeitsplatz selbst, können sich die angedockten Systeme aber dennoch nur voll entfalten, wenn eine ausreichende Grundausstattung an Schnittstellen, leistungsfähige Kabelsysteme und dienstleistungsorientierte Anbieter in den Bereichen Energie und Telekommunikation vorhanden sind. Sowohl im Neubau als auch in der Modernisierung von Mietflächen bietet die Ausstattung mit technischen Basics – für schnelle und einfach installierbare Datenverbindungen – sowie eine ausreichende Verteilung von Stromleitungen zur späteren produktbasierten Individualisierung einen Vorteil im Wettbewerb um Mieter.

Büroflächen: Flexible Angebote

Für Büroflächen fallen die technologisch induzierten Einflüsse radikaler aus. Für die Arbeit an sich wird kein fixes Büro mehr benötigt – für den Austausch dafür um so mehr. Immer mehr Mitarbeitende sind mobil und arbeiten an unterschiedlichen Orten. Wenn sich Unternehmensgrenzen auflösen, werden immer mehr Projekte in wechselnder Team-Zusammensetzung bearbeitet. Die Planungshorizonte von Unternehmen werden kürzer. Der Flächenbedarf reduziert sich, die Anforderungen an die Ausstattung und die Flexibilität steigen. Die Nachfrage nach Büroflächen wird sich somit gleichzeitig in mehrere Richtungen entwickeln. Mit der zunehmenden Mobilität wird es wichtiger, den kulturellen Zusammenhalt von Unternehmen zu stärken, um die Mitarbeitenden auch emotional zu binden. Zudem finden Kreativität und Innovation nach wie vor dort statt, wo Personen aufeinandertreffen und sich persönlich austauschen. Nicht zufällig fördert ein Vorzeigeunternehmen wie Google in keiner Weise das Work-at-Home, sondern wünscht, dass die Mitarbeitenden in den Büros arbeiten und dort auch möglichst viel informellen Kontakt haben. Büroflächen entwickeln sich noch mehr zu Orten, wo sich Menschen treffen, austauschen und gemeinsam arbeiten. In diesem Sinne wird das Büro zu einer Art «Tempel der Unternehmenskultur». Dementsprechend hoch sind die Anforderungen an die Ausstattung. Die heute im Ansatz vorhandene Erkenntnis, dass die Bürooptimierungskonzepte der letzten Jahre mit einem starken Fokus auf Flächen- und Kostenoptimierung in die Irre führen, wird sich breitflächig durchsetzen. In modernen Dienstleistungsunternehmen  machen Flächenkosten ca. 10  Prozent der Gesamtkosten aus, Mitarbeiterkosten hingegen liegen im Bereich von 50 bis 60 Prozent. Optimierung der Flächenkosten zulasten der Mitarbeitermotivation und -produktivität ist somit ein klarer Irrweg. Dementsprechend werden noch mehr flexibel nutzbare und individuell bespielbare Flächen nachgefragt werden. Gleichzeitig werden jedoch die Planungshorizonte für Unternehmen kürzer und viele Projekte werden in kurzfristigen Teams mit wechselnder Grösse und Zusammensetzung bearbeitet. Für den Immobilienbesitzer wird das bedeuten, dass (vor allem grössere) Firmen weiterhin Flächen auch längerfristig anmieten und individuell ausbauen. Zusätzlich wird es aber sinnvoll sein, ihnen gewisse Flächen möglichst im gleichen Gebäude voll ausgebaut und betriebsfertig für Projekte kurzfristig und mit flexiblen Laufzeiten zur Verfügung zu stellen, so dass sie quasi atmen und die Flächen laufend ihren Bedürfnissen anpassen können. Dies kann durchaus in einem ins Gebäude integrierten Co-Working- Konzept stattfinden. Kleinere Firmen werden noch vermehrt betriebsfertige Arbeitsplätze mieten wollen mit der Option, Besprechungs- und Konferenzräume bei Bedarf dazu zu mieten. Die Netzwerkfunktion des Büros als Herz des Unternehmens setzt sich nach aussen fort. Lokale Branchen- oder Dienstleistungscluster spielen eine wichtige Rolle. Zusammen mit geringeren Flächenansprüchen erleben Standorte in den zentralen Geschäftsgebieten der Grosszentren deshalb ein Revival. Diese Entwicklung wird zusätzlich dadurch begünstigt, dass die erhöhte Mobilität der Mitarbeitenden eine hervorragende verkehrstechnische Erreichbarkeit in Bahnhofsnähe erfordert.

Diese zunehmende Mobilität und die Möglichkeit, ausserhalb des Büros arbeiten zu können, schafft zusätzlich Nachfrage nach dezentralen, flexiblen Arbeitsplätzen. Es ist nach wie vor nicht anzunehmen, dass sich das Home Office auf breiter Front durchsetzen wird. Die Herausforderungen betreffend Motivation, Selbstdisziplin, aber auch sozialem Kontakt sind für viele Menschen zu hoch. Eher werden dezentrale Bürostrukturen in Quartieren oder dezentralen Orten nachgefragt werden. Das können wiederum Co-Working-Strukturen sein, in denen sowohl lokale Unternehmen und Freelancer als auch Mitarbeitende grösserer Unternehmen dann arbeiten, wenn sie nicht ins Büro pendeln wollen. Der aktuell einsetzende Co-Working-Trend wird sich damit noch verstärken. Idealerweise werden sich Netzwerke bilden, so dass Unternehmen mit einem Anbieter einen einzigen Vertrag abschliessen können und ihre Mitarbeitenden dann in den verschiedensten Co-Working-Spaces sowohl in den grösseren Städten als auch dezentral arbeiten können. Gerade grössere Immobilienbesitzer können ihre Objekte aufwerten, wenn sie verschiedene Objekte mit Co-Working-Spaces und flexiblen Meeting- und Projekträumen ausstatten und diese idealerweise geografisch verteilt miteinander verbinden.

Gewerbe-, Industrie- und Logistikflächen

Im Kontext von Online-Shopping, 3D-Druck, digitalen Modellen, Simulationen, intelligenteren Robotern und (teil)autonomen Transportmöglichkeiten werden sich die Anforderungen an Gewerbe-, Industrie- und Logistikflächen verändern. Dadurch, dass die Kosten für die menschliche Arbeit noch mehr an Bedeutung verlieren, ist mit einem gewissen Reshoring zu rechnen. Die Natur des Geschäftes wird sich weiter von der ursprünglichen «lärmigen und dreckigen Industrie» hin zu klinischeren, weniger emissionsintensiven Tätigkeiten verlagern. Damit können viele Elemente der klassischen Industrie in oder nahe bei Wohn- und Bürostandorten angesiedelt werden. Die laufend kürzer werdenden Produkt- und Produktionszyklen verlangen hoch flexible Flächen, die schnell auf neue Produkte umgestellt werden können. Gewerbe- und Industrieparks mit Shared Services nicht nur in den Büro- und Konferenzfazilitäten, sondern auch bei Labor- und Prototyping-Aktivitäten könnten damit einen Aufschwung erleben. Logistikflächen werden zunehmend gefragt. Wichtig werden insbesondere Umladestationen, aus  denen die Feinverteilung organisiert wird. Ebenso werden Lagerflächen gebraucht, in denen online eingekaufte Produkte für den Einzelversand zusammengestellt und versendet werden können.

Erstere werden nahe bei den Zentren am Stadtrand stehen müssen, zweitere müssen mit Bahn, aber auch Individualverkehr gut erschlossen sein. Die in der Vergangenheit wichtige Verfügbarkeit von preisgünstigen Arbeitskräften wird sich aufgrund der rasanten Entwicklung von automatisierten Pick- und Transportsystemen nicht nur ausserhalb, sondern auch innerhalb der Logistikzentren relativieren.

Verkaufsflächen: Auseinanderklaffen von Top und Flop

Online-Handel und veränderte Konsumgewohnheiten haben bei den Verkaufsflächen mit dem Trend zum Multi Channel Retailing schon jetzt starke Spuren hinterlassen. Wenn sich der Kunde aus dem Haus bewegt, will er einen Mehrnutzen gegenüber dem Online-Einkauf haben. Das kann einerseits die persönliche Beratung, die Haptik oder die Auswahl sein, andererseits das Erlebnis und die Möglichkeit, Leute zu treffen. Das bedeutet, dass er primär dorthin gehen wird, wo er nicht nur ein hohes Angebot auf kleinem Raum, sondern auch eine hohe Erlebnisdichte findet. Der stationäre Handel wird sich somit noch viel stärker auf Top-Lagen konzentrieren. Mit dem Cross Channel und Omni Channel Retailing erhalten die klassischen stationären Flächen immer öfter die Funktion von Showrooms, allenfalls mit der Zusatzfunktion des Click & Collect, sprich der Online-Bestellung mit lokaler Abholfunktion z. B. am Bahnhof, an der Autobahnraststätte oder an einer anderen Pick-up-Station. Retailer werden dadurch auf kleinerer Fläche mehr Umsatz erzielen können, was es wiederum erlaubt, bei gleichbleibender Fläche an den Top-Standorten die Auswahl an Retailern, aber auch Gastronomie und Freizeitaktivitäten zu erhöhen. Für Flagship-Stores sind Top-Lagen gefragter denn je. Die hohe Visibilität an hochfrequentierten Lagen bringt auch hohe Online-Frequenzen. Der Flächenumsatz vor Ort verliert immer mehr an Bedeutung. Damit werden sich die Top-Standorte immer weiter von den anderen Standorten absetzen, mit sehr positiven Auswirkungen auf die Mietzinse. B-Standorte und periphere Quartiere, aber auch kleinere oder peripherere Shopping-Center werden zunehmend leiden. Schwierig ist und bleibt die Situation für kleinere, traditionelle Detailhändler an B-Lagen der Grosszentren, in den Klein- und Mittelzentren und in den Parterrenutzungen grosser Arealüberbauungen. Die Mischung aus Abwanderung der Käufer ins Netz und fehlenden Passantenfrequenzen üben einen hohen Druck auf diese Anbieter aus. Wenn die Retail-Flächen als Frequenz- und Renditebringer zunehmend ausfallen, stellt sich die Frage, wie kleinere Städte und Quartiere lebendig gehalten werden können. Hier wird einerseits eine stärkere eigentümerübergreifende Zusammenarbeit gefordert sein, andererseits ist mit deutlich tieferen Einnahmen aus der Erdgeschossnutzung zu rechnen. Kommunen, Eigentümer und Nutzer werden sich vermehrt zusammentun und ihre Standorte gemeinsam ähnlich wie Einkaufszentren positionieren und betreiben müssen, wollen sie zumindest eine gewisse Attraktivität aufrechterhalten.

4.3 Prozesse: Von sequentieller zu paralleler und integraler Zusammenarbeit

Die technologischen Innovationen müssen zwingend zu Veränderungen in den Prozessen führen. Einerseits wird es neue Möglichkeiten geben, die Bedürfnisse von Kunden zu befriedigen und mit ihnen zu interagieren. Daraus entstehen neue Geschäftsmodelle oder sogar neue Märkte. Andererseits wird sich die Zusammenarbeit innerhalb des Unternehmens sowie mit den Lieferanten und anderen Partnern verändern. Dies führt insbesondere zu Effizienzgewinnen. Beiden Ausprägungen gemeinsam ist, dass mit der Digitalisierung riesige Mengen von Daten verfügbar gemacht werden, deren Auswertungen interessante Erkenntnisse oder auch Automatisierungen ermöglichen. Nicht umsonst werden Daten auch «das neue Erdöl» genannt. Es stellt sich die Frage, wie dieser Wert erschlossen wird, aber auch, wer die Hoheit über die Daten besitzt. Wie immer bei Veränderungen geht es letztlich auch um die Rolle der Mitarbeitenden – sowohl im Rahmen der neuen Prozesse als auch insbesondere als Katalysator oder Verhinderer von Veränderungsprozessen.

Marktprozesse: Zusammenspiel zwischen online und offline

Die digitalen Medien bieten völlig neue Möglichkeiten der Interaktion zwischen Unternehmen und ihren Kunden. Aus anderen Branchen sind sich Kunden heute gewöhnt, dass ihre Anliegen jederzeit, sofort individualisiert beantwortet werden. Internet-Giganten wie Amazon, Booking.com, aber auch Unternehmen wie die SBB machen vor, wie es geht. Kunden sind mittlerweile bereit, ihren Anteil in einem Online-Self-Service-Prozess beizutragen, wenn er nur schnell und überall verfügbar sowie einfach zu handhaben ist und ihre Probleme löst. Damit werden sie in allen Bereichen intolerant gegenüber Wartezeiten, Inkompetenzen, Kundenunfreundlichkeit und schlechten Auskünften.

Erfolgreiche Unternehmen setzen aber nicht ausschliesslich auf Online-Kommunikation mit dem Kunden. Vielmehr kombinieren sie diese geschickt mit persönlicher Interaktion, wo diese gewünscht und sinnvoller ist. Für ein Unternehmen ist es daher essentiell, die sogenannte «Customer Journey» zu kennen und ihre Interaktion mit dem Kunden darauf basierend zu optimieren.

Mit Plattformen, Internet-Chat, Virtual und Augmented Reality, Simulationen und BIM ergeben sich gerade in der Immobilienwirtschaft in vielen Bereichen über den Lebenszyklus eines Objektes neue Interaktionsmöglichkeiten, sei es online oder in Unterstützung des persönlichen Kontaktes. Investoren sind in diesen Prozessen häufig nicht direkt eingebunden, sondern lassen diese durch Dienstleister wie Vermarkter, Bewirtschafter oder Facility Manager erbringen. Für sie stellen sich zwei Fragen: (1) Welche Mittelsmänner wird es noch brauchen, welche werden durch Online-Plattformen abgelöst und wie soll die Zusammenarbeit idealerweise sein? (2) Wieweit soll der Investor selbst bestimmte Kundeninteraktionsmedien (wie etwa Mieterportale) betreiben, um in den Genuss der dabei generierten Daten und Informationen zu kommen und mit diesen Informationen seine Objekte gezielt optimieren zu können?

Prozessoptimierung: Effizienz- und Geschwindigkeitsgewinne

Sowohl in der Bewirtschaftung als auch in Verkauf und Asset Management sind die Prozesse heute durch viele Medienbrüche gekennzeichnet. Ineffizienzen, Doppelerfassungen, Geschwindigkeitsverlust, hohe Kosten und Intransparenz sind die Folge. Eine Verzahnung mit Lieferanten und Dienstleistern findet kaum statt. Für Investoren stellt sich die Frage, wie weit sie Prozessoptimierungen bewusst nicht nur bei sich selbst, sondern auch bei ihren Auftragnehmern (insbesondere Bewirtschaftern und Facility Managern) aktiv vorantreiben wollen, um damit sowohl von tieferen Kosten als auch von grösserer Transparenz und höherer Geschwindigkeit zu profitieren. Mit der Einführung von computergestützten Portfolio- Managementsystemen haben dies viele, zumindest für die kaufmännischen Bestandesdaten, bereits getan. Sowohl in der Projektentwicklung bzw. den architektonischen Bestandesdaten (Stichwort BIM) als auch in der Vermarktung und dem Mieterkontakt ist das noch kaum passiert. Grundsätzlich werden die grössten Prozessoptimierungspotentiale eher bei den Zulieferern und weniger bei den Investoren selbst liegen. Mehr und mehr werden Prozesse jedoch nicht mehr linear, sondern parallel ablaufen, wie das zum Beispiel in der Planungsphase mit BIM bereits heute passiert. Investoren werden dementsprechend ihre Projektmanagementfähigkeiten massiv ausbauen müssen. Allerdings lassen sich heute und in Zukunft auch komplexe bestehende Prozesse  so dass gewisse Dienstleistungen nicht mehr eingekauft, sondern (teil-)automatisiert selbst erstellt werden können. Die Abklärung von Neuoder Umbaupotentialen auf bestehenden Immobilien oder Ländereien ist heute bereits teilautomatisiert machbar, ebenso Marktmonitoring oder Betriebsoptimierungen. Für Investoren ist es wichtig, diese Entwicklungen eng zu beobachten und gegebenenfalls bei sich zu integrieren. Mehr und mehr werden dafür offene Plattformen zur Verfügung stehen, derer sich der Investor bedienen kann. Bei der aktuell hohen und in Zukunft weiter wachsenden Innovationsrate wird es immer gefährlicher, eigene, proprietäre Lösungen zu entwickeln. Diese Option dürfte nur den sehr grossen Unternehmen offenstehen und auch sie werden darauf achten müssen, dass sie Datenmodelle mit guten, flexiblen Schnittstellen verwenden. Mehr und mehr wird es relevant sein, sich mit den eigenen Prozessen in offene Ökosysteme einzubinden, damit flexibel und fallbezogen mit den richtigen Partnern zusammengearbeitet werden kann.

Daten: Die neue Währung

Daten haben sich zu einem neuen Rohstoff mit grossem Wertschöpfungspotential entwickelt. Sie können sogar die Grundlage für neue Geschäftsmodelle liefern. Dennoch werden selbst die unternehmenseigenen Datenströme – die wichtige Indikationen für Geschäftsfeldoptimierungen liefern können – vielerorts nicht systematisch erhoben, gespeichert und analysiert. Immobilienbezogene Datenvolumen wachsen täglich und ignorieren gängige Branchenstrukturen oder Wertschöpfungsprozesse. Vom ersten Entwicklungsschritt an lässt sich die Immobilie in einem digitalen Datengerüst abbilden, modellieren und hinsichtlich beliebiger Fragestellungen optimieren. Standardmässig werden damit die Investitions-, Kalkulations-, Planungs- und Bauprozesse bereits jetzt übereinandergelegt. Aber auch im Betrieb von Gebäuden fallen bereits heute vielfältige Daten an. Mit dem zunehmenden Einsatz des Internet of Things (IoT) wird der Datenberg nochmals exponentiell wachsen. Aus diesen Daten lassen sich wichtige Erkenntnisse ziehen. Nicht nur Marktprozesse, Bewirtschaftungskosten, Energieverbräuche, Nutzerverhalten, Zahlungsbereitschaften oder Flächenpräferenzen können verfolgt werden – gerade Eigentümer, die über ein breites Portfolio verfügen, können auch die Effizienz unterschiedlicher Installationen und Apparate ermitteln, Optimierungsprozesse initiieren und wichtige Informationen für künftige Objekt- und Prozessgestaltungen ableiten.

Für den Investor stellt sich deshalb die Frage, wem er die Hoheit über die Daten, die in seinen Gebäuden anfallen, überlassen will und wieweit er selbst (oder mit Partnern) Kompetenzen im Bereich Data Analytics aufbauen will. Mit den Portfolio-Managementsystemen haben diverse Investoren die Hoheit über die kaufmännischen Daten bereits wieder zurückerlangt. Sie tun gut daran, zu überlegen, wieweit sie dasselbe für die Bauwerksinformationen (mit dem Aufbau von BIM-Kompetenz) und für die IoT-Daten tun wollen.

Change Management: Der Faktor Mensch

Ohne die Mitarbeitenden kann keine Transformation gelingen. Von ihnen wird grosse Veränderungsbereitschaft erwartet. Viel Wissen ist heute noch ausschliesslich in den Köpfen der Mitarbeitenden gespeichert. Soll dieses verfügbar gemacht werden, müssen sie zur Mitarbeit motiviert und ihre Ängste betreffend Jobverlust oder Aufgabenverschiebung abgebaut werden. Gerade in der an sehr lange und stabile Zyklen gewöhnten Immobilienwirtschaft ist die Veränderungsbereitschaft beim Personal nicht stark ausgeprägt. Mitarbeitende fühlen sich häufig bedroht oder können sich nicht vorstellen, dass auch in kreativen Bereichen Algorithmen zukünftig Optimierungs- und Gestaltungsprozesse übernehmen könnten. Deshalb müssen sie ermutigt werden, diese Entwicklungen aktiv mitzugestalten, anstatt sich ihnen zu verschliessen. Für Führungskräfte bedeutet die wachsende technologische Komplexität, dass sie selber kaum mehr in der Lage sind, alle Produkte und Prozesse fachlich akkurat zu beurteilen. In agilen Teams mit kurzen Projektzyklen müssen sie Vertrauen zu ihren Fachkräften aufbauen. Dies umso mehr, wenn Hierarchien weiter abgebaut werden und die Führungsspanne wächst, oder wenn Mitarbeiter dezentral arbeiten. Der Weg hin zu einer digitalen Organisation ist vor allem auch ein Organisations- und Personalentwicklungsprozess. Unternehmen, die zu stark auf Instrumente setzen und es dabei verpassen, Führungskräfte und Mitarbeitende mitzunehmen, sind in der Regel nicht erfolgreich.

5. Potentielle Erfolgsfaktoren und Herausforderungen

«Digital Leaders» sind wirtschaftlich erfolgreicher und zeichnen sich durch klare Eigenschaften aus. Spezifisch für Immobilieninvestoren zeigen sich die folgenden Prioritäten. Die richtigen Produkte am richtige Standort Der primäre Erfolgsfaktor ist es, mit den richtigen Produkten an den richtigen Standorte präsent zu sein. Dafür müssen Markt- und Standorttrends verfolgt sowie der Einfluss technologischer Entwicklungen auf lokale Potentiale antizipiert werden. Die schnelle und schienenunabhängige Erschliessung von bisher schlecht erreichbaren Quartieren mit selbstfahrenden Systemen ist ein gutes Beispiel, wie schnell sich Standortqualitäten zukünftig ändern können. Das Portfolio ist entsprechend zu überprüfen, wobei Büro- und Retailobjekte an peripheren Standorten und in B- und C-Städten sowie periphere bzw. kleinere Einkaufszentren besondere Aufmerksamkeit verdienen. Die Erdgeschossnutzung an diesen Standorten wird problematischer. Büroobjekte (auch an guten Lagen), die keine flexible Flächennutzung zulassen, sollten ebenfalls überprüft werden. Ihre Vermietung wird schwieriger. Für solche Objekte sind rechtzeitig Neupositionierungsstrategien zu erarbeiten, wobei angesichts der aktuell hohen Preise auch eine Trennung von den Objekten zu prüfen ist.

Optimale Nutzeranpassung

Es gilt, Objekte optimal auf die Nutzer anzupassen und den Kundennutzen zu optimieren. Vermietet wird immer weniger der Quadratmeter, sondern die für den Kunden optimale Gesamtlösung, bestehend aus Immobilie, Technik, Serviceleistungen und eventuell weiteren Elementen. Immobilieninvestoren können die dazu notwendigen Kompetenzen entweder selbst aufbauen oder Kooperationen eingehen. Falls ein geografisch breit diversifiziertes Portfolio vorhanden ist, lohnt es sich, Co-Working-Spaces, Mieterplattformen und Netzwerke so aufzubauen, dass sie mobilen Personen und Unternehmen an verschiedenen Orten Arbeitsplätze und Nutzen bieten können.

Flexible Nutzung der Objekte

Statt Objekte auszubauen, sollte viel Flexibilität eingebaut werden. Das kann einerseits eine konsequente Systemtrennung und «Core and Shell»-Philosophie sein, sich andererseits auch in Mietverträgen oder flexibel nutzbaren Shared Services widerspiegeln. Den Anforderungen künftig zunehmender Technisierung kann zudem mit ausreichend gross dimensionierten vertikalen Erschliessungen und ausreichenden Raumhöhen begegnet werden. Überhohe Erdgeschosse erhöhen die Nutzungsflexibilität. Flexibel nutzbare und individuell bespielbare Gewerbeflächen werden zunehmend nachgefragt werden.

Wohnungen als Plattformen

Auch bei Wohnungen gilt es, stärker in Richtung Plattform und einer noch weitergehenden Trennung zwischen den unterschiedlichen Stufen zu denken. Das Angebot kann aus einer Basisinfrastruktur bestehen, die der Nutzer dann individuell nach eigenen Wünschen bespielen kann. Die technologischen Möglichkeiten, sich als Mieter wohnungsunabhängig auszustatten, wachsen kontinuierlich. Das kann unter anderem in einer Reduktion des technologischen Ausbaus sowie im Angebot von digitalen Zusatzleistungen resultieren.

Wertvolle Prozess- und Gebäudedaten

Wie mit Daten umgegangen wird, sollte zentrale Fragestellung jeder geschäftsstrategischen Justierung sein. Die Hoheit über Prozess- und Gebäudedaten sollte behalten und die Datenerhebung mit intelligenten Systemen oder Partnern ausgebaut werden, sofern die Investitionen dafür vertretbar sind. Aus diesen Daten lassen sich wichtige Erkenntnisse ziehen. Marktprozesse, Energieverbräuche und Nutzerverhalten können verfolgt, die Effizienz unterschiedlicher Installationen und Apparate ermittelt, Optimierungsprozesse initiiert und wichtige Informationen für künftige Objekt- und Prozessgestaltungen abgeleitet werden.

Schlüsselmitarbeitende

Nicht vernachlässigt werden darf das Suchen, Gewinnen und Halten von Schlüsselmitarbeitenden. Die zunehmenden Herausforderungen in den Bereichen Technologie, «Digitales Denken», Change Management und Führen von agilen Teams erhöhen die Anforderungen. Der Krieg um Talente wird härter. Das Unternehmen muss auch und besonders für die neue Generation attraktiv sein, das heisst, es muss unter anderem Freiraum und neue Arbeitszeit- und Karrieremodelle anbieten, um diese Mitarbeitenden produktiv und erfolgreich in das Unternehmen einzubinden.

Prozessoptimierung via offene Plattformen

Die Möglichkeiten der Prozessoptimierung nehmen zu, gewisse Dienstleistungen müssen bald nicht mehr eingekauft werden, sondern können (teil-)automatisiert werden. Die Abklärung von Neu- oder Umbaupotentialen auf bestehenden Immobilien oder Ländereien ist heute bereits teilautomatisiert machbar, ebenso Marktmonitoring oder Betriebsoptimierung. Zunehmend werden dafür offene Plattformen zur Verfügung stehen, derer sich der Investor bedienen kann. Von der Entwicklung proprietärer Lösungen ist dabei aufgrund der hohen Innovationsrate eher abzuraten bzw. kommen sie nur für grosse Unternehmen in Frage. Eine Einbindung in offene Ökosysteme ermöglicht hingegen, flexibel und fallbezogen mit den richtigen Partnern zusammenzuarbeiten.

Auftragnehmer einbinden und Prozesse parallel führen

Grundsätzlich werden die grössten Prozessoptimierungspotentiale eher bei den Zulieferern und weniger bei den Investoren selbst liegen. Es ist deshalb empfehlenswert, Prozessoptimierungen bei Auftragnehmern (insbesondere Bewirtschaftern und Facility Managern) aktiv voranzutreiben, um damit sowohl von tieferen Kosten als auch von grösserer Transparenz und höherer Geschwindigkeit zu profitieren. Sowohl in der Projektentwicklung bzw. den architektonischen Bestandesdaten (Stichwort BIM) als auch in der Vermarktung und dem Mieterkontakt ist das noch kaum passiert. Da diese Prozesse zunehmend nicht mehr linear, sondern parallel ablaufen – wie das zum Beispiel in der Planungsphase mit BIM bereits heute geschieht, sind die eigenen Projektmanagementfähigkeiten zu überprüfen und gegebenenfalls auszubauen. Transparenz von Partnern, Zulieferern und Auftragnehmern ist hier essentiell. Die neuen Planungsinstrumente mit parallelen Prozessführungen entfalten ihre Wirkung nur dann, wenn sich alle mit ihren Kernkompetenzen einbringen. Geschäftsmodelle, die bewusst auf Informationsasymmetrien setzen, sind kaum zukunftsfähig.

Literaturverzeichnis

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Zimmerli, J., Schmidiger, M. (2016): Demografie und Wohnungswirtschaft – Pensionierte auf dem Wohnungsmarkt. Zug: Verlag IFZ – Hochschule Luzern

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Kommentare

1 Kommentare

MetaFeld

25. Juni 2018

Sehr interessante Informationen, die hier geliefert werden. In Deutschland sind wir leider noch zu ängstlich vor künstlicher Intelligenz und der Digitalisierung.

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