Die Schulschliessungen in der Schweiz kamen für viele Lehrpersonen sehr überraschend. Ist es überhaupt möglich, den Bildungsauftrag von zuhause aus wahrzunehmen? Welche Herausforderungen ergeben sich daraus? Die Auswertung von Literatur und durchgeführten Interviews geben einen ersten Eindruck über die erforderlichen Kompetenzen und Erfahrungen im Lehrerberuf im Homeoffice.
Ein studentischer Beitrag von Alain Hauri, Chiara Sorrentino und Leonie Zimmermann
Zur Beantwortung der Fragestellung wurden sechs Interviews mit Lehrpersonen aus der Primar-, Sekundar- und Berufsschule durchgeführt. Basierend auf den ausgewerteten Interviews und der Literaturrecherche konnten folgende Erkenntnisse erlangt werden:
Die Digitalisierung in der Arbeitswelt gewinnt durch das SARS-CoV-2-Virus zunehmende Relevanz. Durch die Arbeit im Home-Office werden technische Kompetenzen immer wichtiger – auch im Lehrerberuf. Als Herausforderungen stellen sich hierbei einerseits die mangelnde technische Ausstattung sowie der Umgang und hürdenfreie Einsatz der digitalen Hilfsmittel. Hier wird jedoch schnell bemerkbar, welche Lehrpersonen bereits mit Tablets und Laptops ausgerüstet sind und vor dem Lockdown erste Praxiserfahrungen damit machen konnten. Im Zuge der Umstellung auf den neuen Lehrplan 21 werden voraussichtlich immer mehr Schulen ihre Lehrpersonen und Lernenden mit Tablets und/oder Notebooks ausstatten.
Das Erlernen von digitalen Fähigkeiten sowie die Umstrukturierung und Planung des Lehrplans hat von den Lehrpersonen viel Zeit beansprucht. Vor allem Sekundar- und Berufslehrpersonen mussten sich vertieft mit Programmen wie Microsoft Teams auseinandersetzen und haben zuhause viel mehr gearbeitet als vor dem Lockdown. So stellt die Entgrenzung von Berufs- und Privatleben bei der Arbeit im Homeoffice eine Schwierigkeit dar. Hier spielt es jedoch eine grosse Rolle, welche Stufe die Lehrpersonen unterrichten.
Eine grosse Herausforderung für den Lehrkörper im Homeoffice ist die fehlende Nähe zu den Schülern. Beispielsweise kann schlechter überprüft werden, ob das Gesagte richtig verstanden wird. Der pädagogische Auftrag und die Beziehungsarbeit können im Distanzunterricht nicht oder zumindest schlechter wahrgenommen werden. Auch soziale Probleme und Ungleichheiten sowie die Angewiesenheit auf eine funktionierende Kooperation mit den Eltern stellten im Frühling 2020 Problempunkte dar. Gleichzeitig sehen gewisse Lehrpersonen die Chance, im Homeoffice individueller auf die Personen einzugehen und durch die räumliche Trennung persönlichere, ungestörtere Gespräche mit einzelnden Schülern zu führen.
Die befragten Lehrpersonen sind sich einig, dass sich hinsichtlich der Digitalisierung in der Schule zukünftig einiges tun wird. Sie denken jedoch nicht, dass sich der Lehrerberuf in Bezug auf die Arbeit im Homeoffice gross ändern wird. Der physische Kontaktunterricht sollte ihnen zufolge – zumindest in der Volksschule – die primäre Unterrichtsform bleiben: «Also kurzfristig ist es machbar, aber längerfristig ist es keine Option. Zumindest nicht an der Volksschule. Es verlangt so viel Selbstdisziplin, die die Schüler in diesem Alter einfach nicht haben und einfach vom Gehirn her nicht so weit sind. Erwachsene tun sich ja schon schwer im Fernstudium und dies von Jugendlichen zu verlangen, deren Hirn gerade in der Ausbildung ist, funktioniert einfach nicht.»
Übrigens ein sehr interessanter Artikel der Washington Post über ein Home Office für Lehrer. Amerika teilt seine Erfahrungen. https://www.washingtonpost.com/education/2020/10/06/teacher-pandemic-essays/