26. Juli 2014

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Das Gebäude wird zum Rohstofflager

Das Gebäude wird zum Rohstofflager

Energiebedarf und CO2-Ausstoss beherrschen die Diskussion über Immobilien. Das ist auch nicht verwunderlich, gehen doch rund 40% der Emissionen auf das Konto von Gebäuden. Doch das Energieproblem ist gelöst, wenn genügend Speichermöglichkeiten geschaffen werden können – und das ist heute absehbar.

Der Verbrauch anderer Ressourcen wurde bisher vernachlässigt. Obwohl das Bauwesen in Europa für etwas die Hälfte des Rohstoffverbauchs und 60% des gesamten Abfallaufkommens verantwortlich ist. Schon heute leiden viele Unternehmen im Bausektor unter steigenden Rohstoffpreisen. Die Verfügbarkeit verschiedener wichtiger Baustoffe liegt mittlerweile unter 50 Jahren. Die Bau- und Immobilienwirtschaft wird sich umstellen müssen!

Minergie und ähnliche Konzepte optimieren zwar den Energieverbrauch, lassen aber die Frage des Rohstoffeinsatzes völlig ausser Acht. Dabei wird die Rohstoffknappheit von vielen Firmen bereits als wesentlich drängender eingeschätzt, als die Frage einer Energiekrise. Immobilien sind wahre Rohstofflager, deren Wert mit zunehmender Rohstoffpreisentwicklung massiv steigen könnte, vorausgesetzt, es gelingt, die einzelnen Rohstoffe zu trennen und reziklierbar zu machen.

„Wir sollten Produkte entwickeln, die nicht nur unschädlich für Mensch und Natur sind, sondern auch eine positive Wirkung erzeugen“, meint Prof. Michael Braungart, der Entwickler des „Cradle to Cradle“-Prinzipes. Gedacht wird bei diesem Konzept eben nicht „von der Wiege bis zu Bahre“, sondern „von der Wiege bis zur Wiege“: Produkte sollen in Stoffkreisläufen immer wieder genutzt werden, so dass möglichst kein Abfall, sondern nützliche Rohstoffe entstehen.

Was in der Theorie phantastisch klingt, ist gar nicht so neu: Branchen mit sehr teuren Rohstoffen (Elektronik) oder hohen Verschrottungskosten (Automobil) setzen diesen Grundgedanken schon länger um. Von diesen Branchen kann sich die Bauwirtschaft einiges abschauen.

In der Praxis entstanden bereits in der jüngsten Vergangenheit spannende und oft höchst lukrative Lösungen. Ein niederländischer Teppichproduzent etwa hat einen komplett reziklierbaren Teppich hergestellt, der Feinstaub bindet und damit die Luftqualität massiv verbessert. Nach der Nutzungsdauer werden die Teppiche zurückgenommen und wieder aufbereitet. Damit wurde ein Full-Service-Leasingkonzept entwickelt, bei dem sich der Nutzer um nichts mehr selbst kümmern muss und der Teppich wieder zurückgenommen wird. Auch der Fassadenspezialist Schüco arbeitet daran, seine Produkte so zu konstruieren, dass die Materialien trennbar sind und somit wiederverwertet erden können. Auch hier bildet ein Leasingmodell mit Rücknahmegarantie  einen wichtigen Bestandteil der Überlegungen. Das Parkettunternehmen Bauwerk hat Böden entwickelt, die dank spezieller Konstruktion und Verlegung problemlos entfernt und retourniert werden können. Danach werden sie sortenrein getrennt und wiederverwendet. Auch im Rohbau liegt noch viel Potenzial in punkto Wiederverwertung von Rohstoffen.

Im Gegensatz zum klassischen Recycling soll nach dem Cradle to Cradle Prinzip versucht werden, die Rohstoffqualität über mehrere Recyclingkreisläufe aufrecht zu erhalten. Das bedingt eine Konstruktion, bei der die Ausgangsprodukte möglichst sortenrein getrennt und damit wiederverwendet werden können. Zur Zeit wird an einer „Rohstoff-DNA“ für Gebäude gearbeitet, einer Datenbank, die es Eigentümern ermöglicht, später zu wissen, welche Rohstoffe in welcher Form wo im Gebäude verbaut wurden und in welcher Art eine Wiederverwendung möglich ist.

Der Weg zur „Circular Economy“, also einem Denken in verwobenen Stoffkreisläufen ist notwendig, um langfristig ausreichend Ressourcen für dauerhaftes Wachstum zu haben. Er wird durch höhere (ökologische) Qualitätsansprüche, steigende Rohstoffpreise und höhere Wertschöpfung befeuert. Architekten, Bauherren und Baufirmen werden stark gefordert sein, denn nur in der Zusammenarbeit lassen sich erfolgsversprechende Lösungen erarbeiten. Daraus werden sich jedoch  interessante, neue Produkte und Geschäftsmodelle ergeben. Somit ein Beitrag nicht nur zur ökologischen, sondern auch zur ökonomischen Gesundheit unseres Landes und unseres Planeten.

Am 25.9.2014 findet in Zürich ein Immobiliengespräch zum Thema «Cradle to Cradle» statt. Infos hier.

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Kommentare

2 Kommentare

Jeanine Troehler, Renggli AG

11. August 2014

Grüezi Herr Schmidiger Wir sind Ihrer Meinung, dass Produkte in Stoffkreisläufen immer wieder genutzt werden sollen. Allerdings ist die Holzbaubranche auch ein Teil der Baubranche. Und Holz lässt sich vortrefflich recyceln. Es wächst praktischwerweise auch wieder von alleine nach. Knapp 15% der Tragkonstruktionen in der Schweiz sind aus Holz (Quelle: Gebäudedatenbank BFH-AHB/Holzbau Schweiz). Wir haben also grosses Potential, um die Stoffkreisläufe zu verbessern. Beste Grüsse, Jeanine Troehler, Renggli AG

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Erik Stettler

29. Juli 2014

"Minergie und ähnliche Konzepte optimieren zwar den Energieverbrauch, lassen aber die Frage des Rohstoffeinsatzes völlig ausser Acht." Stimmt nicht ganz... Das Zertifikat Minergie regelt heute schon den Einsatz von Recycling Beton in der Schweiz. Auch beim verbreiteten Zertifikat US-Leed mit seinem Punktesystem kommt man um Recycling-Beton oder Recycling-Stahl nicht herum...

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