26. August 2012

Archiv

Brauchen wir in Zukunft noch Altersheime?

Brauchen wir in Zukunft noch Altersheime?

„Jeder will alt werden, aber keiner will alt sein“ dieser altbekannte Spruch bringt unser ambivalentes Verhältnis zum Thema Alter gut auf den Punkt. Zur individuellen Angst vor Gebrechlichkeit und Abhängigkeit gesellt sich auch eine gesellschaftliche Komponente: die Angst, dass die zunehmenden Betreuungs- und Pflegekosten die Gesellschaft finanziell überfordert. Es ist davon auszugehen, dass der Anteil der über 65 jährigen von heute 17% der Bevölkerung auf über 37% im Jahr 2060 steigen wird. Eine anhaltend starke Zuwanderung wie in den letzten Jahren könnte dieses Verhältnis etwas mildern, aber Tatsache ist, dass sich die Zahl der über 65 jährigen von heute rund 1.3 Mio. bis 2060 auf über 2.5 Mio Personen praktisch verdoppeln wird.

Die Immobilienbranche glaubt in diesem demografischen Wandel eine neue grosse Investitionschance entdeckt zu haben: vielerorts sollen neue Seniorenwohnungen, Alterszentren, Seniorensiedlungen und ähnliches entstehen.

Brauchen wir „Seniorensiedlungen“ oder „Altersheime“?

Senioren sind schon länger nicht mehr die gebrechlichen Alten, sondern häufig bis ins hohe Alter rüstig. Die Rolling Stones, die 2013 nochmals auf Konzerttour gehen, sind deutlich im Rentenalter und stehen exemplarisch für das Selbstverständnis der „neuen Alten“. 97% der bis 80 jährigen leben in der eigenen Wohnung bei den über 80 jährigen sind es immer noch 70%. Ins Altersheim geht praktisch niemand,  sondern, dann wenn’s nicht mehr geht, direkt ins Pflegeheim. Das ist sozial verständlich und richtig, können doch so die im gewohnten Umfeld gewachsenen Beziehungen gepflegt werden. Für die Gesellschaft ist es wichtig, dass dank Spitex und weiteren Unterstützungsleistungen so viele Senioren wie möglich zu Hause leben können, mit jährliche Kosten von unter 7’000 Franken, währen ein Alters- oder Pflegeheimplatz rund 95’000 pro Jahr kostet.

Es müssen also nicht primär Alterszentren gebaut, sondern alle Massnahmen getroffen werden, die ein Leben zu Hause ermöglichen.

Aufgrund der geltenden Baugesetze müssen Wohnungen heute weitestgehend hindernisfrei gebaut werden. Somit ist jede neue Wohnung (fast) eine altersgerechte Wohnung, bzw. kann mit wenig Aufwand zu einer solchen weiterentwickelt werden. Eine grössere Herausforderung sind die bestehenden Altbauten.

Das Spektrum an Wohnmöglichkeiten für Senioren hat sich in den letzten Jahren erheblich erweitert. Das Interesse an gemeinschaftlichen Wohnformen ist gewachsen. So entstehen vermehrt Alterswohngemeinschaften oder auch Wohnbaugenossenschaften von Senioren, die gezielt auf Ihre Bedürfnisse ausgerichtete Wohnungen bauen. Viele davon zeichnen sich durch private Rückzugsmöglichkeiten einerseits und grosszügige Gemeinschaftsräume andererseits aus, so dass ein autonomes, selbstbestimmtes Leben bis ins hohe Alter möglich ist. Gerade Wohnbaugenossenschaften machen auch die Erfahrung, dass eine Segregation der Senioren überhaupt nicht zwingend ist, sondern dass in altersdurchmischten Siedlungen interessante, produktive Beziehungen zwischen den Generationen entstehen. Senioren, deren leibliche Enkel weit weg sind, „adoptieren“ neue Enkel, Alleinerziehende, deren Familienbanden locker geworden sind, finden neue „Grosseltern“ für die Kinder.

Die Pluralisierung im Alter wird zunehmen. Die Wohnbedürfnisse werden vielfältiger, es gibt keine für alle Senioren gültige ideale Wohnform. Zentral ist es, selbstbestimmtes, autonomes Leben zu ermöglichen. Der Bedarf nach hindernisfreien Wohnungen, kombiniert mit Serviceleistungen wird stark zunehmen.

Altersheime dagegen werden sich vermehrt in Pflegeheime verwandeln. Der Eintritt ins Pflegeheim wird künftig noch später erfolgen. Der Bedarf an ambulanter, professioneller Pflege (und Entlastungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige) wird jedoch weiter steigen, ebenso wie der an teilstationärer und stationärer Pflege.

Die Gesellschaft und Private sind aufgerufen, integrierte, dezentrale Betreuungskonzepte zu erstellen und umzusetzen, die es ermöglichen, so lange wie möglich autonom und selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden zu verbleiben. Die damit zusammenhängenden individuell zusammenstellbaren Pflege- und Serviceleistungen können teilweise auch von Privaten wahrgenommen werden und eröffnen interessante Geschäftsfelder.

Investoren sind gut beraten, dafür zu sorgen, dass neu erstellte Wohnungen und Überbauungen generationengerecht erstellt werden. Hindernisfreie Wohnungen sind auch für jüngere oder nicht behinderte Menschen nicht unbequemer als herkömmliche. Eine Unterscheidung in senioren-, behindertengerechte und „allgemeine“ Wohnungen ist nicht zweckmässig. Es sollte nur noch Wohnungen geben in der in jeder Lebenslage gewohnt werden kann. Können Wohnungen nicht adaptiert werden, erhöht sich das Leerstandsrisiko. Die moderne Technik liefert zudem viele Möglichkeiten, die mit dem Alter auftretenden Einschränkungen zumindest teilweise zu kompensieren. Das Potential liegt weniger im Bau neuer Altersheime sondern in hindernisfreien Wohnungen mit individuell kombinierbaren Service- und Pflegeleistungen – für alle Generationen.

(Dieser Beitrag erschien am 26.8.2012 in der «Zentralschweiz am Sonntag»)

Mehr zum Thema erfahren Sie an der Immobilienkonferenz «Wohnen im Alter» vom 8.11.2012 in Zug. Infos und Anmeldung hier.

Vertiefende Informationen:

 

 

Kommentare

1 Kommentare

Brauchen wir in Zukunft noch Altersheime? | Immobilienmanagement | Scoop.it

27. August 2012

[...] „Jeder will alt werden, aber keiner will alt sein“ dieser altbekannte Spruch bringt unser ambivalentes Verhältnis zum Thema Alter gut auf den Punkt.  Zur individuellen Angst vor Gebrechlichkeit und Abhängigkeit gesellt sich auch eine gesellschaftliche...  [...]

Antworten

Kommentar verfassen

Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.