Wohnturm

Architekten: Heidi und Peter Wenger

Ort: Brig, Wallis

Planung: 1966 – 1968

Ausführung: 1972 – 1974

NutzungGarage für Postauto Oberwallis, Wohnungen

 

(Fotos und Skizzen ohne Quellenangaben sind eigene Produktionen)

Massive Leichtigkeit

Am Stadtrand von Brig steht die im Jahre 1974 fertiggestellte Postgarage von Heidi und Peter Wenger. Seit der Eröffnung dient das Gebäude bis heute immer noch derselben Nutzung. Die wichtigste Anforderung an die Halle war es, einen möglichst stützenfreien Innenraum zu schaffen, damit das Wenden und Parkieren der Postautos nicht erschwert wird. Der Baukörper mit freitragenden Betonelementen lässt sich dem Brutalismus zuordnen und steht am Anfang von zahlreichen ähnlichen Grossbauten des Architektenpaares.

Die Halle zeigt von innen wie von aussen eine gewisse Ambivalenz. Der Widerspruch von schwer und leicht zeichnet dieses Bauwerk aus. Die charakteristische Beton-Faltkonstruktion mit einer Spannweite von 21 Metern und einer Auskragung von 3.5 Metern bildet die Grundstruktur des Gebäudes. Die vorgespannten Z-Elemente liegen sichtbar auf Hohlbalken und sind von Hohlpfeilern abgestützt. Die für den Transport ineinander gestapelten Faltelemente erfüllen viele Funktionen, sie sind Tragwerk, Raumbegrenzung sowie Installationsnetz zugleich. Durch ihren filigranen Querschnitt, der sich insbesondere bei der Auskragung an der Nord- und Südfassade wahrnehmen lässt, wirken die Faltelemente ungewöhnlich leicht. Das enorme Gewicht der 21 Meter langen Z-Elemente aus Beton lässt sich erst durch den Vergleich mit der Dimension der darunterliegenden Träger erahnen. Diese haben einen überhohen trapezförmigen Querschnitt und verlaufen über die gesamte Länge der Halle.  Erst dann lässt sich ansatzweise vorstellen, was diese Dachkonstruktion für eine immense Last aufweist. Und doch scheinen die Faltelemente auf den Trägern zu schweben. Die sorgfältig konzipierte Form der Elemente ist massgebend für die Wirkung der Schwerelosigkeit. Durch den Querschnitt eines «Z» löst sich der Ausdruck einer geschlossenen Dachfläche auf.  Die Elemente stehen in keiner direkten Berührung zueinander, nur durch das eingesetzte Drahtglas zwischen den Z-Elementen sind sie miteinander verbunden. Die Oberlichtbänder ermöglichen eine natürliche Belichtung der Halle und unterstützen die Leichtigkeit der Dachkonstruktion. Zwischen den tonnenschweren Bauteilen aus Beton, beim Auflager der Faltelemente auf die primären Träger, passen sich zierlich trapezförmige Metallrahmen ein. Durch ihre rote Farbe stechen sie heraus, ansonsten könnten diese für die Aussteifung unabdingbaren Profile geradezu übersehen werden.

Das markante Rot der Aussteifungen sowie der rohe Beton finden sich auch an den Aussenansichten wieder. Die Fassadenverkleidung der Halle erfolgt mit zwei Meter breiten und bis unter die primären Träger hohen Betonscheiben, welche vor die Konstruktion gestellt werden. Die inszenierten Fugen zwischen den Betonscheiben unterstreichen, dass es sich ebenfalls um vorfabrizierte Elemente handelt. An der Ost- und Westseite, wo sich die überhohen Betonträger an der Fassade abzeichnen, wurden an Stelle der Betonscheiben rot eingefasste Fenster eingesetzt. Das Auflager des Trägers auf die Stütze wird dadurch hinter der Verglasung sichtbar. Zudem hebt sich die Westfassade durch das Gestaltungselement eines Bullauges ab. Die vorgehängten Betonscheiben verlieren durch die runden Öffnungen an Schwere. Darüber hinaus lassen sie Tageslicht in die im Westen liegende Waschanlage und Werkstatt einfallen.

Die tonnenschwere Konstruktion steht in einem stetigen Spannungszustand zu dem Gedankenaspekt, dass die Konstruktion auf ein Minimum reduziert wurde. Diese Reduzierung unterstreicht die Wichtigkeit der vorfabrizierten Betonelemente. Jedes vorhandene Bauteil hat seinen berechtigten Platz, nichts kann weggelassen werden.

Die Postgarage in Brig ist ein Gebäude, das in seiner Ursprünglichkeit besticht. Die stützenfreie Halle zeigt das konstruktive Können von Heidi und Peter Wenger und die Begabung daraus eine formale Qualität zu gewinnen. Die Inszenierung der schweren Betonstatik steht in einer stetigen Spannung zu der auf ein Minimum reduzierten Konstruktion. Die Auseinandersetzung mit der Frage, ob das Bauwerk leicht oder schwer wirkt, treibt die Gemüter in eine Zerrissenheit.