Architekt:    Ernst Gisel

Standort:    Effretikon, Zürich

Baujahr:      1959-1961

Nutzung:     Sakralbau

 

Effretikon liegt zwischen Zürich und Winterthur. Typisch für das Zürcher Oberland ist die abwechslungsreiche, hügelige Landschaft. Nahe am Ortszentrum, ragt eine ca. 15m hohe Erhebung aus der Umgebung hervor: der Rebbuck. Rundherum unbebaut, wächst oben die Kirche aus dem Hügel empor.

Erreichbar ist sie zum einen durch einen Fussweg, der sich von Süden durch einen Rebberg hinauf schlängelt, zum anderen per Auto von der Nordseite her. Aufgrund der guten Eisenbahnverbindungen nach Winterthur und Zürich und des allgemeinen Baubooms der 1950er-Jahre, wuchs die Bevölkerung der Gemeinde Illnau-Effretikon massiv an. Die Infrastruktur kam aufgrund des rasanten Bevölkerungswachstums langsam an ihre Grenzen. Verschiedenste neue öffentliche Gebäude wurden erstellt.

Nach langjährigem hin- und her wurde der Rebbuck als Bauplatz ausgewählt. Am 25. Mai 1956 wurden 11 Architekturbüros zum Projektwettbewerb eingeladen. Kriterien waren die Ortsansässigkeit und die erfolgreiche Vollendung öffentlicher Bauten. Da die Jury von keinem Projekt restlos überzeugt war, empfahl sie, die drei erstrangierten Projekte durch Direktaufträge zur Überarbeitung aufzufordern. Abweichend vom üblichen Prozedere beschloss die Kirchenbaukommission dann doch alle Teilnehmer des Wettbewerbs zur Weiterbearbeitung der Projekte einzuladen (allerdings ohne Entschädigung). Die Baukommission merkte zur Weiterbearbeitung an:“ Wir wollen nichts Ausgefallenes, kein Flachdach, einen rechten Turm, (…). Nach dem zweiten Wettbewerbsdurchgang empfahl die Jury einstimmig das Projekt von Ernst Gisel zur Weiterbearbeitung. Sein Projekt war im ersten Durchgang nicht unter die ersten drei gelangt, hatte sich aber nun stark weiterentwickelt. Der rechteckige Gesamtgrundriss blieb gleich, aber nun überdeckte ein Satteldach und kein Flachdach den Kirchensaal. Der Kirchenturm wurde markant von der Kirche abgesetzt und bildete mit dem Hauptportal eine Einheit. Ernst Gisel, damals ein junger, aufstrebender Architekt aus Zürich, hatte in den 1950er- Jahren mit seinem Parktheater in Grenchen für Aufstehen gesorgt. Nun folgte mit der Kirche Effretikon sein erster Sakralbau.

In der weiteren Bearbeitung nach dem Wettbewerb wurde der Baukörper immer plastischer und ausformulierter. Der Glockenturm mit seiner eigenständigen und skulpturalen Form bot während des ganzen Bauprozesses immer wieder Anlass für Diskussionen. 1958 stimmte die Kirchgemeinde dem Bauprojekt zu, ohne dass die Form des Turms endgültig bestimmt war. In Folge dessen überraschte Gisel die Kirchenbaukommission 1960, als der Turm fast fertig betoniert war, mit einer neuen Lösung für den Turmabschluss. Die Gestaltung des Kirchenturms wurde sowohl in der Bevölkerung wie auch in der Presse rege diskutiert. Nach langem hin und her beschloss die Kirchgemeindeversammlung den Turm abzureissen. Ernst Gisel pochte auf seinem Urheberrecht und drohte mit strafrechtlicher Verfolgung. Aufgrund dessen verzichtete die Kirchgemeinde auf einen Abriss und genehmigte wiederwillig den neu erstellten Bau.

Im Jahr 1968 erreichte die Gemeinde Stadtgrösse mit über 10’000 Einwohnern. Bald darauf, im Jahr 1974, erfolgte die Namensänderung in „Stadt Illnau-Effretikon“. Mit dem stetigen Wachstum einher ging ein unbedingter Fortschrittsglaube. Langsam löste das Wachstum die Dorfgemeinschaft auf und verwandelte sie in eine urbane Siedlung. Eine neue Bauordnung von 1965, die Ausnützungsziffer und Bauhöhe auf ein überdurchschnittlich hohes Mass festsetzte, trug das Übrige zur Verstädterung von Effretikon bei. Der Anfang bildete die 1961 fertig gestellte reformierte Kirche Effretikon.

Die Kirche wird durch beide Zugänge bewusst inszeniert. Der Kirchturm ist von weitem sichtbar, aber die Wege führen nicht direkt auf ihn zu, sondern zwingen den Betrachter dazu, ihn zuerst zu umkreisen, ihn zu bestaunen und sich ihm behutsam zu nähern.