Architekten : Jessen + Vollenweider

Nutzung: Verwaltungszentrum mit Justiz-, Polizei- und Gesundheitsdepartement

Baujahr: 2012

Ort: St. Gallen

Das Verwaltungszentrum „Oberer Graben“ des Kantons St. Gallen ist ein Konglomerat von vier Gebäuden. Durch die Ergänzung der zwei bereits bestehenden Gebäude mit zwei neuen Eckbauten, wurde im Jahr 2012 ein Ensemble geschaffen, welches gleichzeitig auch den Abschluss eines Blockrandes bildet. Obwohl jedes der vier Gebäude seine Eigenständigkeit hat, sind sie im Ausdruck als grosses Ganzes zu lesen, welches gegenüber dem städtebaulichen Kontext genügend Präsenz zeigt und als öffentliches Gebäude klar erkennbar ist.
Die beiden bestehenden, denkmalgeschützten Gebäude vom Anfang des 20. Jh. sind als Kontorhäuser ausgeführt. Dieser Haustypus ist Zeitzeuge der Stickereiblüte des Kantons St. Gallen im 19. Jh. Als Haustypus vereinte das Kontorhaus industrielle Produktion, Büroarbeitsplätze und teilweise Wohnungen der Besitzerfamilien unter einem Dach und war somit Vorläufer des modernen Geschäftshauses.

Die Fassaden der bestehenden Gebäude sind als Einsteinmauerwerk gebaut, auf welchem aussen Sandsteinplatten appliziert sind. Der Sandstein verleiht dem Gebäude eine monolithische und schwere Wirkung. Gleichzeitig übernimmt er die Gestaltung der Fassade durch strukturierende Elemente wie die aufstrebenden Pilaster und gestalterische Elemente wie die gerundeten Brüstungen und Fenstersimse. Durch diese strukturierenden und gestalterischen Elemente wirkt die Fassade sehr plastisch. Die Fassade des neuen Eckbaus am Oberer Graben 38 ist eine zweischalige Betonkonstruktion. Die innerer Schale aus Stahlbeton ist als Tragschale ausgeführt und übernimmt teilweise die Lasten der Geschossdecken. Die äussere Schale trägt sich selbst, ist aber zum Halt an die innere Schale zurückgebunden. Sie ist teilweise als Ortbeton und teilweise mit Betonfertigelementen ausgeführt. Die Grösse des Gebäudes in Kombination mit dem klaren Fensterraster, deutet auf einen Skelettbau im Inneren des Gebäudes hin.

Durch die durchlaufenden Brüstungsbänder gibt es einen Richtungswechsel in der Fassade. Somit wird ein Übergang von den bestehenden Kontorhäusern mit vertikaler Richtung zu den Nachbarsgebäuden mit horizontaler Richtung geschaffen. Die Fassade wird durch die in Ortbeton gefertigten, durchlaufenden Brüstungsbänder und Gesimse in der Höhe gegliedert und spiegelt die innere Geschossigkeit wieder. Der Beton als Material ist eine Interpretation der bestehenden, steinernen Fassaden und verleiht der Fassade einen monolithischen, gesetzten Ausdruck. Die äussere Schale enthält Kalkstein als Zugschlagsstoff im Beton, dadurch erhält dieser eine warme Farbigkeit. Zusätzlich ist der Beton gestockt, was den steinernen Ausdruck und die Tiefenwirkung des Materials verstärkt.

Wesentliches Gestaltungselement der Fassade sind die Kastenfenster, deren Proportion von den Fenstern der bestehenden Bauten abgeleitet wurde. Sie sind in Baubronze ausgebildet, was sie hochwertig und edel wirken lässt. Die Baubronze nimmt Referenz auf die Goldelemente der bestehenden Gebäude. Auch das Ornament, welches die Fensterrahmen ziert, bezieht sich auf die Geschichte der Stickereiblüte und Kontorhäuser. Die Fensterrahmen sind zurückversetzt und bilden eine Schattenfuge um den Glaskörper des Fensters. Diese Schattenfuge verleiht der Fassade ihre Tiefenwirkung und lässt sie plastisch erscheinen. In diesem zurückversetzen Fensterrahmen befindet sich auch der Lüftungsflügel, welcher aber durch das Ornament verdeckt wird und nicht sichtbar ist.

Die Kastenfenster liegen auf der inneren Tragschale auf, stossen aber bis zur äusseren Kalksteinbeton-Schale vor und sind mit dieser bündig. Somit erhält die Fassade einen glatten, eleganten Ausdruck. Durch die Tiefe, welche das Kastenfenster mit sich bringt, kann der Dämmperimeter geschickt weitergezogen und abgedeckt werden. Auch der Sonnenschutz ist im Kastenfenster integriert, sodass das Kastenfenster als Bauteil gesehn werden kann, welches gleichzeitig mehrere Funktionen übernimmt und den Bauablauf vereinfacht.

 

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