Architekt: Gottfried Semper
Nutzung: Hochschulgebäude
Baujahr: 1860-1864
Ort: Rämistrasse 101, Zürich
Situation / Lage
Das Hauptgebäude der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, ursprünglich Eidgenössisches Polytechnikum und Zürcher Hochschule, befindet sich auf einer Anhöhe östlich des Flusses Limmat auf der ehemaligen Leonhardschanze in Zürich. Der palastähnliche Gebäudekomplex wird auf Nord-, Ost- und Südseite durch Straßen begrenzt, während auf westlicher Seite die Leonhardstraße von der Polyterrasse überdeckt wird. Die Westseite ist die der Altstadt zugewandte repräsentative Seite und hat die Fernsicht über die Stadt inne.
Beschreibung / Haltung des Architekten
Auch wenn der Eindruck entsteht, es handelt sich beim gegenwärtigen ETH-Hauptgebäude um ein zusammenhängendes Gebäude, aus einem Entwurf heraus konzipiert, ist dem nicht so. Der Ursprungsbau bestand aus vier sich zu einem Hof formierten Teilbauten, die jedoch baulich, aber nicht funktional miteinander verbunden waren. Semper kam der komplexen Bauaufgabe, auch noch einen externen Labor- und Chemietrakt miteinzubinden, völlig gerecht. Dieser zwischen der Ostfassade und der Rämistraße platzierte Trakt musste aber später dem Erweiterungsbau von Gustav Gull weichen. Sempers Haltung, die vier einzelnen Trakte hinsichtlich ihrer Funktion als jeweils eigenes Individuum anzusehen, macht sich u.a. dadurch bemerkbar, dass die vermeintlichen Eckrisalite der West- und zugleich Hauptfassade gar keine sind, sondern über den Hauptrisalit heraustretende eigenständige Flügel.
Tektonik
Die plastischen Vor- und Rücksprünge im Bereich des Hauptrisalites werden durch vorgestellte Pilaster und Säulen nobilitiert. Die tragende Funktion des gesamten Baus übernimmt jedoch die im Hintergrund befindliche, mit Kunststein verkleidete Wand aus Bruchsteinmauerwerk. Das 2. Obergeschoss des Risalits spiegelt durch große Rundbogenfenstern und Säulen korinthischer Ordnung die Wichtigkeit der hinter der Fassade liegenden Aula wieder. Die Flanken der Westfassade sind dagegen schlicht und fügen sich in eine horizontale Unterteilung zwischen Rustika und glatter Wandfläche. Die Südfassade zeigt sich ebenfalls wie die Eingangsfassade als repräsentative Fassade, deren Eingangsrislalit die einzige vierstöckige Ordnung vorweist. Als ehemalige Hauptfassade der Zürcher Universität ist das durchaus angemessen und der Leitgedanke Sempers nachvollziehbar. Um jedoch nicht in Konkurrenz mit der Hauptfassade zu treten ist Gestaltung der Südfassade plastisch eher schlicht gehalten.
Auch die Nordfassade sticht im tektonischen Vergleich nicht wesentlich hervor. Der als Polytechnikum deklarierte Trakt wirkt mit seinen stark zurückhaltenden Risaliten und seinen antiplastischen Oberflächen schlicht und einfach. Hervorzuheben ist das angebrachte Sgraffito, das die rationale Effizienz der Technik, aber auch angemessene Sparsamkeit als architektonisches Thema hatte. Die für die ausreichende Belichtung der Säle eingebrachten Rundbogenfenster bilden zusätzlich die individuelle Besonderheit dieser Fassade. Die kleineren Rundbogenfenster im Erdgeschoss ziehen sich dagegen über alle Flügel der gesamten Anlage. Alle Gebäudetrakte bilden ein Abbild der Konstruktion einer massiven Lochfassade.
Unsere Haltung
Die architektonische Aufgabe Sempers bestand darin, Themen wie komplexe Anforderung an die Bauaufgabe, Identifikation mit dem Ort sowie Konstruktion und Ästhetik in harmonischen Einklang zu bringen. Aus unserer Sicht die wesentlichsten Punkte, um eine wirkungsvolle und wahre Architektur zu schaffen.
Die Recherche über die ETH hat uns zu verstehen gegeben wie und mit welchen tektonischen Mitteln Gottfried Semper seiner Philosophie in diesem Maße gerecht wurde. Den Fokus und die Wertung legt er fast ausschließlich auf die Bekleidung. Die Konstruktion kommt nur indirekt zum Ausdruck.
Die Schönheit dieser Architektur kommt besonders in der harmonischen Fassadenordnung von Horizontalen und Vertikalen zur Geltung. Dieser Ausdruck wurde in all den Jahren bewahrt und so belassen.
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