BÜRO- & LABORGEBÄUDE CIBA-GEIGY, BASEL

Architekt: unbekannt
Nutzung: Büro, Labor
Baujahr: 1938 / 1987
Ort: Klybeckstrasse 200, Basel

Hochschule Luzern
Tektonik HS15

 


 

Dozenten:

Franco Pajarola
Lando Rossmaier

Assistierende:

Dominik Joho
Archibald Hänny

Studierende:

Pascal Wacker
Philipp Barmettler

Quellen:

– Plangrundlagen Grundeigentümer, Umbau 1987
– Historische Kartenauschnitte, Swisstopo

 


 

Verwendung ohne Erlaubnis der Firma Huntsman Advanced Materials ausschliesslich für interne Zwecke an der HSLU Technik und Architektur in Horw.

 


 

Klybeckstrasse_200_Hauptbild_hoch  Aussenbild_vorher_ZK2_vorabzug

 


 

 

Das Büro und Laborgebäude, welches heute Huntsman Advanced Materials gehört, wurde 1938 ursprünglich für die Firma Ciba-Geigy erbaut. Der damalige Architekt ist nicht bekannt. Das Gebäude wurde 1987 durch die Vischer Architekten und Planer AG aus Basel saniert und im Osten durch einen Neubau ergänzt. Im Jahre 2014 wurden die Zellenbüros in Grossraumbüros durch Blaser Architekten aus Basel umgebaut.

Das Gebäude befindet sich im Norden der Stadt Basel, nahe dem Dreiländereck, an der Klybeckstrasse 200. Dieses Gebiet wuchs erst zur Zeit der industriellen Revolution mit der Basler Innenstadt zusammen. Die zuvor lockere Struktur mit ländlichen Bebauungen entwickelte sich allmählich durch die Industrialisierung zu einem dichten städtischen Gebilde von Gewerbebauten und angrenzenden Wohnbauten. Das Gebiet rund um die Kreuzung Horburgstrasse–Klybeckstrasse bildet heute noch die Übergangszone zwischen städtischem Wohnen und Industrie. Entlang des Rheinufers entstand durch diese prägende typologische Struktur ein nicht mehr wegzudenkendes Stadtbild Basels. Ein großer Friedhof östlich der Industriebauten, welcher in früheren Zeiten die Stadt begrenzte wurde in den 50er Jahren zum heutigen Horburgpark umgebaut. Die Chronologie des Stadtplans unterstreicht das Zusammenwachsen der Stadt und zeigt im Gebiet der Dreirosenbrücke die Auflösung des klassischen Blockrands in grössere Zeilen- und Punktbauten.

Betrachtet man das Gebäude von Aussen fallen deutliche Assoziationen zu städtischen Wohnbauten auf. Entlang einer distanzierenden Grünfläche gelangt man von der Hauptstrasse in eine schmale Seitenstrasse, die zur Eingangssituation führt. Grund für den seitlichen Haupteingang bildet die städtebauliche Entwicklung. Nach der Auflösung des Friedhofs wurde auch die dazu parallel verlaufende Hauptachse verlegt. Deutlich wird dies vor allem am eigenartig erscheinenden Turmbau, welcher früher durch seine überhöhte Volumetrie die Kreuzung einnahm.

Die Fassadenmaterialisierung aus vorgefertigten Betonelementen sucht die Annäherung an eine Sandsteinfassade. Das Gebäude erhält seine vertikale Gliederung durch regelmässig gesetzte Pilaster. In der Horizontalen wird mittels Gesims und Attika eine klassische Dreiteiligkeit gesucht. Die Fenster werden tief in der Laibung angeschlagen, was zu einer eingehenden Reliefierung der Fassade führt. Die Konstruktion spricht jedoch eine ganz andere Sprache, wie aus einem Bauteilkatalog wird ein gerastertes und hocheffizientes Gebäude aus Betonfertigteilen und Stahlbauelementen gefügt. Die Fassade zeigt die industrielle Skelettbauweise in keiner Weise, stellt vielmehr ein städtisches Gewand zur Schau.

Die Kritik am Bau beginnt jedoch nicht bei dieser Grundhaltung, viel mehr im pragmatischen Umgang und der detaillierten Ausformulierung des Bauwerks. Die nachträglichen Aufbauten für lüftungstechnische Anlagen und die vereinzelten aufgesetzten Rafflamellenstoren kommunizieren in ihrer Gestalt mit dem Bestand in keiner Weise, weder im Material noch in der Formensprache. Zudem verunklärt der mit einem Trapezblech eingekleidete Aufbau die gesamte Gebäudevolumetrie und lässt den überhohen Turmbau noch bizarrer Erscheinen. Stellt man sich den ursprünglichen Zustand vor, sucht das Gebäude die Ambivalenz zwischen Stadthaus und Industriebau und findet diese auch in einzelnen Bauteilen, vermag aber keine besondere Eigenart aufzubauen, welche die baulichen Eingriffe zu beeinflussen vermochten. Dennoch kann man sich vorstellen, dass das Gebäude in seinem ursprünglichen städtebaulichen Kontext einige Qualitäten aufweisen konnte. So fährt man also im Tram an der Klybeckstrasse 200 vorbei und verliert keinen Gedanken über das Dasein dieses Hauses. Gleichgültigkeit macht sich breit.

 

 


 

 

Klybeckstrasse_200_1939_map_b Klybeckstrasse_200_1960_map_bKlybeckstrasse_200_2013_map_b

STÄDTEBAULICHE ENTWICKLUNG
KLEINBASEL 1930-2013

Kartenausschnitte
chronologisch von oben nach unten:
1939, 1960, 2013

Das Nördliche Stadtgebiet zum nahen Dreiländereck wurde erst durch die industrielle Revolution zu einem Stadtteil Basel erweitert.  Die zuvor lockere und noch ländliche Bebauung entwickelte sich allmählich durch den Einzug der Industrie zu einer dichten städtischen Struktur.

Das Entwicklungsgebiet zeigt in seinen Anfängen in den 1920–30er Jahren eine dichte Bebauung durch Industrielle Bauten, durch die aufstrebenden schweizerischen Unternehmen der Pharmacie- & Chemiebranche. Am Ufers des Rheins entstand somit ein Industriequartier welche heute noch die vorherrschende städtische Struktur bestimmt, ein grosser Friedhof östlich der Industriebauten, welcher in früheren Zeiten den Stadtrand begrenzte und die südlich gelegenen Industriebrachen, bilden die massgebenden Freiflächen in der dicht bebauten Struktur.

Im Jahre 1930 wurden durch die Dreirosenbrücke die beiden Rheinufer verbunden. Erst in den kommenden Jahren wurden auch die Brachen mit Abstand zum Rhein bebaut.

In den 1950er Jahren wurde der Friedhof aufgelöst und der Horburgpark entstand. In den 1970–90er Jahren wurden die restlichen noch
freigebliebenen grosszügigen Parzellen Bebaut, während an den ältere Bausubstanz schon die ersten Renovationen vorgenommen werden mussten.

Auffallend ist sicherlich die Auflösung des Blockrands, die südlichere städtische Struktur wird durch die Hofbauten mit Wohnnutzungen bestimmt und lösst sich im Industriequartier entlang der Klybeckstrassse in Zeilen und Punktbauten auf.

Durch die städtebaulichen Veränderungen wurde die ehemalige Hauptfassade des hier behandelten Gebäudes neu zur Seitenfassade. Das ehemalige Eckgebäude mit Turmbau  und Eingang Richtung Grünfläche wurde nun zur Zeile zwischen weiteren Industriebauten.

 


 

Klybeckstrasse_200_Ausschnitt_Fassade   Klybeckstrasse_200_Fensterdetail_2

FASSADE
Die Fassadengliederung wird in der Horizontalen durch eine Pilaster-ähnliche Gliederung bestimmt, welche den Raster der Tragstruktur abzeichnen. Dazwischen werden in einer zweiten und weiterhinten liegenden Ebene die Fenster angeschlagen.

 

Klybeckstrasse_200_Beton_gestrichen   Klybeckstrasse_200_Detail_Mauer

MATERIALISIERUNG
Auf den ersten Blick erinnert die Fassadenmaterialiserung an Naturstein, zum Beispiel Sandstein. Bei der näheren Betrachtung erkennt man jedoch, dass die Fassade aus Betonelementen besteht, welche teilweise, vermutlich bei späteren Umbauten, gestrichen wurden.

 

Klybeckstrasse_200_Hauptbild_hoch

FASSADENKONSTRUKTION
Die komplette Fassade besteht aus Betonfertigteilen. Die Stützenstruktur wird durch massive Betonsteine mit einer Stärke von circa 8 cm ummantelt. Die Brüstungen werden hingegen mit dünneren Kunststeinplatten verkleidet. Der Fensteranschlag liegt relativ weit innen, dadurch entsteht eine annehmbare Tiefenwirkung, welche dem Gebäude einen städtischen Ausdruck verleihen.

 

Klybeckstrasse_200_Dachaufbau

AUFSTOCKUNG 1980ER JAHRE
Um den neusten technischen Standards zu genügen mussten die Labors mit neuen Lüftungsanlagen ausgestattet werden. Man entschied sich, die bestehende Struktur mit einem Stahlaufbau zu ergänzen. Die Lasten der Lüftungsanlagen werden über die neuen markanten Träger auf die bestehende Hauptstruktur abgeleitet.

 

Klybeckstrasse_200_Detail_Gesims

FÜGUNG DER BAUTEILE
Die flächigen Fassadenbauteile haben einen muralen Charakter, da sämtliche Fugen ausgemörtelt wurden. Durch den geschickten Versatz der Stossfugen bei horizontalen Elementen wird das einheitliche Erscheinungsbild an den richtigen Stellen gebrochen.

 

Klybeckstrasse_200_Sockel

SOCKEL
Der Sockel erscheint geschlossen und wahrt durch einen Höhenversatz die Distanz zur Strasse. Die Fassade wird in diesem Bereich ebenfalls nahezu komplett von einem breiten Lichtschacht umschlossen. Dies ermöglicht die direkte Belichtung der Büroräume im Untergeschoss.

 

Klybeckstrasse_200_Nordfassade

EINGANGSSITUATION
Die ehemalige Ecksituation an einer Kreuzung zweier Hauptstrassen wurde durch den städtebaulichen Wandel zur Seitenstrasse, zusätzlich wurde diese den heutigen Sicherheitsvorschriften nachkommend mit einem Zaun abgesperrt. Der Eingang zum Gebäude findet sich unten links im Turmbau, nur minimal akzentuiert durch ein kleines dreieckiges Vordach.

 


 

Klybeckstrasse_200_Nordfassade_original

NORDFASSADE
Auf diesem Plan ist die ursprüngliche Hauptfassade des Gebäudes sichtbar. Da der Bau damals an einer Strassenecke stand wurde diese Ecke mit einem Turmbau akzentuiert. Ebenfalls wurde der Haupteingang in diesen Turm integriert. Die Anlieferung findet über die damalige Hauptstrasse im Seitenbau statt. Heute wurde diese Seite zu einer Nebenfassade, dies wird durch den Umstand, das diese Seitenstrasse mit einem Gitter von der Hauptstrasse getrennt ist, noch weiter untermalt. Interessanterweise passt dieser Umstand gut zu den heutigen hohen Sicherheitsvorschriften in diesem Industriegebiet, ein repräsentativer Haupteingang zur Strasse hin wird schlicht weg nicht mehr benötigt.

 

Klybeckstrasse_200_Suedfassade_original

SÜDFASSADE
Die Südfassade, ursprünglich die Rückfassade, zeigt Richtung Stadt. Hier ist klar der industrielle Charakter des Gebäudes sichtbar. Die serielle Art der Fenster, ohne markante Abweichungen vom Raster, geben dem Bau einen maschinellen Charakter. Die natürlich belichteten Räume im Untergeschoss zeugen von einer Hohen Ausnützung des Gebäudes. Hier wird gänzlich auf repräsentative Elemente verzichtet, diese Fassade war auch schon zum Zeitpunkt der Erbauung einer Nebenstrasse zugewandt. Die horizontale Unterteilung nimmt die Aufteilung der Südfassade auf und wirkt durch schlichtes Addieren von nahezu identischen Gebäudeteilen ebenfalls sehr typisch für einen Industriebau.

 

 

LÄNGSSCHNITT
Der Längsschnitt vom Umbau 1984 zeigt die Erweiterung der Lüftungsanlage auf dem westlichen Trakt. Zu dieser Zeit wurden auch die markanten Stahlträger angebaut. Diese tragen die Last der Technischen Einrichtung auf die statische Schicht der unteren Geschosse ab. Die Leitungen der Anlage wurden hofseitig in der gleichen Art und Materialisierung bis zu den Räumlichkeiten im Erdgeschoss geführt. Auf der rechten Seite ist der später Erstellte Nachbarbau ersichtlich, er schliesst zusammen mit dem Bau links einen gemeinsamen, nahezu nicht begehbaren Hof ein.

 

Klybeckstrasse_200_Westfassade_Ambivalenz

AMBIVALENZ IM AUSDRUCK
Das Gebäude sucht die Ambivalenz zwischen Stadthaus und Industriebau und findet diese auch in einzelnen Bauteilen, vermag aber keine besondere Eigenart aufzubauen. Elemente des Stadthauses sind beispielsweise die klassische Dreieinigkeit mittels Gesims und Attika, das überhöhte Erdgeschoss, der massive Ausdruck oder die regelmässig gesetzte Pilaster. Im Gegensatz dazu zeigt sich der industrielle Charakter in der Addition, geradezu seriell wirken Fenster, Pilaster und sogar ganze Gebäudeteile, wie gut in der Südfassade sichtbar. Ebenfalls zeugt das natürlich belichtete Untergeschoss mit den grossen Lichtschächten von einem Industriebau. Nicht zuletzt zeigt sich die Ambivalenz in der Ausformulierung der Details, so schliessen doch die Pilaster lediglich in einer merkwürdig anmutenden ebenen Fläche an das Dach an. Es wird auf jegliche Zierelemente verzichtet. Die Stadthaus-Elemente sind nur sehr schwach ausgebildet.

 

 

GRUNDRISS ERDGESCHOSS

 

 

GRUNDRISS OBERGESCHOSS

 


 

 

INNENRAUM 4. OBERGESCHOSS
Die Büro- und Laborräumlichkeiten befinden sich noch im ursprünglichen Zustand und weisen eine kleinzellige Struktur auf. Die sich noch im originalen Zustand befindenden keramischen Böden weisen auf die Nutzung als Labor hin.

 

 

FENSTER AUS DEM JAHRE 1938
Die alten Fenster bestehen aus zwei Schiebeelementen, auffällig sind sicherlich die reichlich ausgestalteten Muschelgriffe und die übrigen Beschläge und mechanischen Fensterbestandteile. Die Fenster wurden beim Umbau 1984 an den meisten orten Belassen und lediglich durch ein zusätzliches, innenliegendes Fenster ergänzt.

 

 

INNENRAUM 5. OBERGESCHOSS
Büroumbau aus dem Jahre 2015, Blaser Architekten Basel. Die ursprüngliche kleinteilige Bürostruktur wurde aufgehoben. Es werden einzelne Kammern mit Grossraumbüros gebildet. Durch den Verzicht von Wänden oder dem Einsatz von Glastrennwänden wird das Licht tiefer in den Raum geholt, der Korridor erhält eine neue Bedeutung und wird zum offenen Rundgang durch die Büroräumlichkeiten.

 

 

BÜRORÄUME 1938
In den unteren Geschossen sind die Büroräumlichkeiten zum Teil noch weitgehendst im originalen Zustand belassen worden, lediglich die Fenster neueren Datums wurden angebracht. Gut sichtbar sind hier auch die alten Schiebefenster.

 


 

 

Schreibe einen Kommentar