Architekt: Herzog & de Meuron, Basel
Bauherrschaft: Pensionskasse des Basler Staatspersonals, Basel
Objekt: Wohnhaus Schützenmattstrasse 11, Basel
Baujahr: 1992 – 1993
Wo an der Schützenstrasse in der Basler Altstadt einst eine Baulücke zu schliessen war, steht seit 1993 ein aussergewönliches Gebäude. Die schweren Gusseisen-Faltläden verleihen diesem Massivität. Die Geschossdecken werden hierbei zwischen die bestehenden Brandschutzmauern gespannt, was an der Fassade durch die vorgehängten Ortbetonbrüstungen verdeutlicht wird. Diese Bänder scheinen auch von Brandmauer zu Brandmauer zu spannen. So steht das Gebäude wie mit ausgestreckten Armen zwischen seinen Nachbarn. Es soll nicht als Einzelheit da stehen, sondern als Gesamtheit in die enge Strasse integriert werden, denn das Gesamtbild ist wichtiger als das Individuum. Trotz seiner speziellen Fassade ist das Gebäude tagsüber ziemlich unscheinbar und scheint beinahe in der Häuserzeile zu verschwinden.
An der Fassade sollte mittels Faltläden ein Spiel entstehen. Je nach Tageszeit sowie auch nach den Bedürfnissen der Bewohner würden die Faltläden dem Haus einen anderen Ausdruck verleihen. Die Faltläden sind jedoch derart massiv und schwer, dass ihre Position nur sehr selten verändert wird.
Ganz nach dem Motto „Die Aussenwelt sei wie die Kanalisation“, wurde das Muster der Gusseisen-Faltläden von den Schachtdeckeln abgeleitet. Die Wohnung sei das Schöne. So ist der Blick durch den Schachtdeckel ein Blick ins Dunkle und Dreckige.
Besonders schön ist das Lichtspiel der Öffnungen auf den Faltläden. Leider kommt täglich nur für wenige Stunden Licht in die Gasse. In den Wintermonaten sind dies gar Minuten, in welchen die Sonne es schafft auf die Läden zu scheinen.
Im Gegenteil zum Tag wirkt die Fassade in der Nacht sehr leicht. Wie ein Vorhang hängt die anscheinend massive Gusseisen-Verkleidung vor den Wohnungen. Dank den geschwungen Rillen bekommt die Fassade eine Leichtigkeit. Faszinierend, wie das massive und schwere Material tagsüber seinem Ausdruck gerecht wird, sich nachts aber in eine beinahe weiche Ausstrahlung verwandelt. (Quelle Foto: A and U: Herzog & de Meuron 1987-2002. Special Issue. Japan 2002.)
Die Besonderheit der Parzelle ist ihre Abmessung. Sie hat eine Länge von 26m und dabei nur eine Breite von 6.30m. Dies und die bestehenden Brandmauer, die lärmige Strasse und der Hof des Nachbargebäudes setzten die Rahmenbedingungen für die Grundrisse. (Quelle Plan: Hochbau- und Planungsamt Basel-Stadt: Architektur für Basel 1990–2000. Baukultur eines Kantons. Basel 2001.)
In den beiden ersten Geschossen befindet sich ein Ladenlokal mit einem Galeriegeschoss. Links vom Laden führt der doppelgeschossige Gang, welcher die imposante Tiefe des Gebäudes spüren lässt, bis ans Treppenhaus am Ende des Gebäudes. Das Treppenhaus ist ausserhalb des Dämmperimeteres erstellt worden und bietet somit die Möglichkeit eines zusätzlichen Aussenraumes für die Wohnungen in den oberen Geschossen. Der Lift ist getrennt von der Treppe und befindet sich im vorderen Bereich des Hauses. Er führt direkt in die Wohnungen. Das Treppenhaus sowie der Lift sind nur für die Bewohner zugänglich. (Quelle Pläne: A and U: Herzog & de Meuron 1987-2002. Special Issue. Japan 2002.)
Im vorderen Bereich befindet sich der ausgelagerte Lift. Hinten zu erkennen ist die Front des Treppenhauses. Auf Grund der Verglasung des Ladenlokals wirkt der Korridor weniger eng.
Der doppelgeschossige Korridor führt im Erdgeschoss am Ladenlokal vorbei. Die riesige Glasfront verschafft Transparenz und Grosszügigkeit. Links ist die bestehende Brandmauer zu sehen. Am Ende befindet sich eine rote Wand mit einer Tür, welche den Zugang zum Treppenhaus ist. Die Farbe dessen steht symbolisch für das Schweizerische Feuerwehrmuseum, welches sich auf der dahinterliegenden Parzelle befindet. Denn früher war hier auch schon ein Durchgang zum Museum.
Zusätzlich zum Laden befindet sich im Erdgeschoss ein kleines Café. Da im vorderen Bereich eine Galerie ist, werden die Faltläden hier, im Gegensatz zu den Wohngeschossen, mit Motor betrieben.
Die bestehende Brandmauer durfte auch im Untergeschoss nicht verändert oder entfernt werden. So hat man diese ganz einfach miteinbezogen.
Diese Brandmauern sind im ganzen Haus zu spüren. Zu sehen ist der Versatz der bestehenden und konisch zulaufenden Brandmauer sowie der anschliessend neu errichteten Betonwand.
Dieser Versatz ist bis ins Galeriegeschoss spürbar. Durch den Gitterrost hindurch erkennt man im ersten Obergeschoss wieder die Brandmauer. Obwohl die Mauern im Ladenlokal verputzt sind, lässt sich dennoch zwischen alt und neu unterscheiden.
Durch das Oberlicht im Galeriegeschoss wird im hinteren Bereich des Wohnhauses eine Verbindung vom Laden zu den Wohnungen hergestellt. Da im Ladenlokal die Beleuchtung stets eingeschaltet ist, leuchtet dieser Lichthof nachts von unten her.
Um möglichst viel Licht in das tiefe Gebäude zu bringen, hat auch das Galeriegeschoss eine grosse Öffnung. So dringt das Licht vom Lichthof durch das Oberlicht bis ins Erdgeschoss.
Eine grosse Aufgabe war es, trotz dieser enormen Gebäudetiefe genügend Licht ins Innere der Wohnungen zu bringen. Aus diesem Grund wurde das Treppenhaus am hinteren Ende platziert. So öffnet sich das Gebäude mittels Lichthof dem Hinterhof des benachbarten Gebäudes, welches lediglich 15m tief ist. Um den Lichthof sind Wohnzimmer und Küche angeordnet. Sie verbindet ein Korridor, welcher nach oben hin immer breiter und somit immer mehr zum Wohnraum wird. Um den Lift befinden sich auch die Nasszellen und bilden somit einen weiteren vertikalen Kern. Die Schlafzimmer befinden sich auf der den Strassen zugewandten Seite. (Quelle Pläne: A and U: Herzog & de Meuron 1987-2002. Special Issue. Japan 2002.)
Der Lichthof schafft eine Beziehung der Wohngeschosse mit dem Ladenlokal. Zudem verbindet dieser auch die Wohngeschosse untereinander. Der Kontakt mit dem Nachbarn ist, wie es in einer Altstadt üblich ist, stetig da. Im ersten Obergeschoss wirkt der Lichthof ausserdem als Raumerweiterung, da das Oberlicht das Ladenlokals mit Stahlgittern geschützt wird. Der Lichthof liegt ebenfalls im Kontrast zur hektischen Strassenseite. Sichtbare Holzrollläden, im Gegensatz zu den Gusseisen-Faltläden an der Hauptfassade, und filigrane, fast schwebende Staketengeländer verschaffen eine mediterrane Atmosphäre. Speziell ist auch die Sicht durch den Lichthof in die eigene Wohnung.
Der Lichthof verschiebt sich teleskopartig und verjüngt sich gangseitig nach oben.
Aus der Sicht vom Hinterhof des benachbarten Gebäudes, erkennt man eine Abtreppung der Betonwand. Diese wird wohl errichtet worden sein, um die Holzrollläden seitlich vor Regen zu schützen und die Staketengeländer zu montieren.
Der Bestand ist im ganzen Gebäude stets gegenwärtig. Da die Brandmauern in den Wohnungen lediglich verputzt wurden, weisen diese keine graden Linien auf.
Gut erkenntlich werden die Brandmauern auch bei den konisch zulaufenden Rahmen der Türen. Diese breite Innentür verbindet das Entrée mit dem Wohnzimmer.