Karl Beer ist 1886 in Ulm geboren und besuchte nach abgeschlossener
Zimmermannslehre die Baugewerkschule Stuttgart. Zunächst blieb er in
Stuttgart überwiegend im genossenschaftlichen Wohnungsbau tätig. Zu
jener Zeit entstanden in Stuttgart die bedeutsame Weissenhofsiedlung
sowie das Kaufhaus Schocken von Erich Mendelsohn. Diese kennzeichnenden
Bauwerke beeinflussten Beer gewiss und prägten sein späteres
Werk. Als SPD Mitglied gelingt ihm die Flucht in die Schweiz da sein Grossvater Bürger von Sedrun war. Am 17. November 1965 stirbt Karl Beer am Zeichenbrett an Herzversagen in seinem Zürcher Büro.
Das Genossenschaftshaus steht als Eckgebäude an der Kreuzung von
Stauffacher- und Werdstrasse gegenüber dem Werdplatz.
Zur Entstehungszeit (1939-40) des Genossenschaftsbaus herrschte grosse Verunsicherung.
Die geistige Landesverteidigung bewirkte eine Rückkehr zu
schweizerischen Werten, was auch die Schweizerische Landesausstellung
in Zürich kennzeichnete. Bei der ersten
Betrachtung des Gebäudes fällt besonders die spannungsreiche Volumetrie
ins Auge. Bei einer genaueren Auseinandersetzung kann man eine
Hierarchisierung der Fassaden feststellen. Diese Hierarchisierung wird
konsequent bis zur Stirnseite der Fassadenplatten verfolgt.
Der Baukörper weist eigentlich zwei Volumen auf. Das Hauptvolumen richtet sich zur Stauffacherstrasse aus.
Das zweite Nebenvolumen das sich zur Werdstrasse orientiert, ist nurnoch ein Nebenschauplatz, welches sich über die gekurvte, polygonale Geometrie mit dem Hauptkörper verquickt.
Trotzdem
herrschen drei Volumen vor: Der Risalit im Westvolumen, welches
als Zäsur dem Gebäude eine Richtung gibt, ergänzt die beiden Hauptvolumen.
Das Gebäude orientiert sich demnach zu der Stauffacherstrasse
gegen Westen hin, da dies die Hauptverkehrsachse ist. Die Hierarchisierung
ist auch am Risaliten abzulesen: Nahezu eine Blindfassade gegen
Süden und die ausgeprägteste Ausschmückung des gesamten Gebäudes
zur Westfassade hin. Die Gestaltung des Risalits erinnert stark an den Risalit
der Rentenanstalt, welche wenige Jahre zuvor fertig erstellt wurde.
Das Kaufhaus Schocken von Erich Mendelsohn wurde von 1926 bis 1928 in Stuttgart erstellt. Es weist eine hohe Ähnlichkeit zum Genossenschaftsbau der Werdstrasse auf. Auch hier findet sich eine Hierarchisierung der Fassaden, eine Zäsur durch einen Risaliten und ebenfalls zu Bandfenstern gereihte Einzelfenster.
Der Einfluss von Mendelsohn ist ebenfalls im Grundriss spürbar. Das herausgeschobene, runde Treppenhaus mit häufig vertikaler Verglasung ist ein typisches Element von Mendelsohns Bauwerken das ebenfalls drei Mal im Kaufhaus Schocken vorhanden ist. Insbesondere an sehr prominenter Lage als Zäsur im Fokus dervorherigen Fotografie.
Von 1939 bis 1940 entsteht das Genossenschaftshaus als eines der wichtigsten Bürohausprojekte von Zürich. Der damalige Trend für repräsentative Fassaden-Gestaltungen führte neu zu ästhetisch einwandfreien Naturprodukten und somit weg von den sonst üblichen Verputz- oder Sichtbacksteinfassaden.
Am 16. März fiel jedoch die erste 50kg schwere Travertinplatten herunter – aufgrund der korrodierten Rückhaltedrähte und der ausgesandeten Mörtelpatsche – eine Fassadensanierung wurde dringend nötig.
Das ganze Gebäude wurde eingekleidet und die neue Fassade an die bestehende Betonfassade hingehängt. Erst nach deren Fertigstellung wurden im Innern die alten Fenster entfernt und die Leibungsfutter neu erstellt. Somit konnte der Betrieb störungsfrei und Emissionsarm beibehalten werden.
Das Genossenschaftshaus ist ein behäbiger, schöner, solider Betrag zur
Stadt, der sich gelungen in das Stadtbild einfügt und darin seine Qualität
aufweist. Das Gebäude vereint in seinem Ausdruck Beers Biografie mit
den Referenzen zu Mendelsohn und anderen Modernisten, den Zeitgeist
von damals mit der Ungewissheit des Krieges und der Rückbesinnung auf
traditionelle Werte, aber auch Referenzen aus der Stadt wie der Rentenanstalt.
Gerade in der Ambivalenz des Gebäudes liegt der Reiz des Betrachters.
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