Soziokultur

Jugendpartizipation in Gemeinden fördern

Jugendpartizipation in Gemeinden fördern

Bericht aus einem Forschungsprojekt mit Fokus auf die Förderer und Förderinnen der Partizipation

Forschung im Bereich der Kinder- und Jugendpartizipation hat bisher stark auf die Jugendlichen selbst oder auf Arbeitsweisen in direktem Kontakt mit den Kindern und Jugendlichen fokussiert. Vergleichsweise wenig in Blick genommen worden sind die Personen, die in der Jugendpartizipation am Gemeinwesen fördern, bspw. Jugendarbeitende, Personen aus der Gemeindeverwaltung oder Mitglieder von Gemeinderäten.

Fokus auf die Seite der Förderer und Fördererinnen
Hier setzt das Forschungsprojekt «Jugendliche Partizipation in Gemeinden ermöglichen» an, welches vom Institut für Soziokulturelle Entwicklung der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit und dem Dachverband Schweizer Jugendparlamente DSJ gemeinsam erarbeitet wird. Im Fokus stehen bspw. die Vernetzungsarbeit und die Schaffung von Koordinationsgefässen zur Partizipationsförderung innerhalb der Gemeindeverwaltung. Auch die Ressourcenausstattung, die Ausgestaltung von Aufträgen zur Förderung der Jugendpartizipation oder das Rollenverständnis sind Thema. Aktuell liegen Zwischenresultate vor, welche bereits in Workshops mit Förderer und Fördererinnen der Jugendpartizipation – sogenannten Enablern – aus der deutsch- und französischsprachigen Schweiz vertieft und präzisiert werden konnten. Folgend soll Einblick in einige der entdeckten Dynamiken gegeben werden.

Anknüpfungspunkte der Partizipationsförderung
In den bisher analysierten Interviews und Fokusgruppengesprächen zeigte sich, dass die heutigen Vorhaben zur Förderung von Jugendpartizipation in Gemeinden häufig einen konkreten Ausgangspunkt hatten wie beispielsweise der Umbau eines Schulhausareals oder die Revision des Ortsleitbildes. Solche Anfangsmomente können als Testläufe für weitere Bemühungen zur Partizipationsförderung dienen. Damit Mitwirkung am Gemeinwesen jedoch nicht ein einmaliges Ereignis bleibt, ist kontinuierliche Vernetzungsarbeit, Sensibilisierung und Lobbying innerhalb der Gemeinde notwendig. Nicht selten braucht es zudem eine gewisse Hartnäckigkeit. Zertifizierungsprozesse, wie der des UNICEF-Labels «Kinderfreundliche Gemeinde» oder der Engage-Prozess zum Aufbau von Jugendpartizipationsstrukturen des DSJ, können hierbei wichtige Unterstützung, Legitimation und Antrieb liefern.

Jugendpartizipationsförderung als Kooperationsaufgabe
Häufig sind Schulen zentrale Kooperationspartnerinnen zur Förderung der politischen Jugendpartizipation in den bisher betrachteten Gemeinden. Aber auch einzelne Personen der Kommunalpolitik, Personen aus der Gemeindeverwaltung, Vereine oder Kirchgemeinden können Schlüsselrollen übernehmen. Für Enabler aus der Jugendarbeit kann dabei eine gewinnbringende Strategie sein, dank Netzwerkarbeit das Thema an unterschiedlichsten Stellen der Gemeinde zu verankern, um zwar immer noch als Expertin oder Experte jugendlicher Lebenswelten zu fungieren, letztlich aber die Jugendpartizipation zur Querschnittsaufgabe der ganzen Gemeinde zu machen.

Die Verantwortung für Jugendpartizipation auf mehr Köpfe zu verteilen scheint insbesondere lohnend, um der starken Personenabhängigkeit ein Stück weit entgegenzuwirken. Denn wie die bisherigen Gespräche aufgezeigt haben, ist das Gelingen von Partizipationsprozessen häufig von Einzelpersonen abhängig – sowohl auf Seite der Enabler wie auch auf der Seite der Jugendlichen. Sind diese Personen einmal weg, steht ohne eine tragende Verankerung in Leitbildern und Köpfen von Gemeindeverantwortlichen auch die Jugendpartizipation auf der Kippe.

Partizipationsförderung als ressourcenintensive Beziehungsarbeit
Die bisherigen Resultate zeigen, dass Partizipationsförderung zu einem grossen Teil ressourcenintensive Beziehungsarbeit auf Seiten der Erwachsenen wie der Jugendlichen ist. Dabei sind die Förderpersonen mit unterschiedlichen Logiken konfrontiert. Die Arbeit mit den Jugendlichen muss häufig niederschwellig und offen sein und nur minimale Verpflichtungen mit sich bringen. Administrative und politische Prozesse einer Gemeinde zeichnen sich hingegen durch stärkere Formalisierung und Verbindlichkeit aus – weit weg von Lebenswelten von Jugendlichen.

Zwischen diesen Welten ist Vermittlungsarbeit gefordert, bespielweise im Umgang mit unterschiedlichen Zeithorizonten: Während die Beziehungsarbeit mit den Jugendlichen und jungen Erwachsenen häufig eher kurzlebig ist und Resultate der Partizipationsvorhaben auch rasch sichtbar werden sollten, lassen sich bei der Arbeit von Gemeindebehörden nicht selten längere Zeithorizonte beobachten. Einige Enabler versuchen deshalb administrative Abläufe zu beschleunigen, andere versuchen den Jugendlichen die zeitlichen Abläufe von administrativen oder politischen Prozessen aufzuzeigen und sie während längerer Prozesse am Ball zu halten. In beiden Fällen ist ein gutes Verständnis der politischen Instrumente und Prozesse in der Gemeinde notwendig.

Zwischen politischer Bildung und Mitwirkung
Unter den bisher involvierten Fördervorhaben zeichnen sich unterschiedliche Orientierungen ab. Während einige stärker auf politische Bildung fokussieren und Zugang zu den Institutionen der repräsentativen Demokratie auf Gemeindeebene schaffen möchten, stehen bei anderen die Mitwirkung der Jugendlichen in der Gestaltung des Gemeinwesens stärker im Zentrum. Diese beiden Orientierungen müssen sich nicht ausschliessen – tatsächlich verfolgen die meisten Befragten beide Ziele – jedoch scheint die Vereinbarung beider Ziele anspruchsvoll zu sein.

Projekte, welche über rein pädagogische Settings hinaus einen konkreten Output erzielen sollen, stellen nicht selten Herausforderungen an die Jugendlichen, die für einige unattraktiv oder überfordernd wirken können. Sie müssen sich womöglich über längere Zeit mit einem Thema auseinandersetzen – teilweise mit Detailfragen – sowie mit Fachpersonen und institutionellen Settings beschäftigen. So scheinen sich solche Projekte des Öfteren so zu entwickeln, dass schliesslich einige wenige Jugendliche (v.a. ältere mit entsprechendem Bildungshintergrund) das Projekt voranbringen. Das kann jedoch im Konflikt dazu stehen, Partizipationsprojekte für möglichst viele Jugendliche zugänglich zu gestalten. Eine Klärung, welche Partizipationsprojekte und -instrumente welche Stossrichtung verfolgen sollen, dürfte hier entlastend wirken.

Umgang mit unterschiedlichen Zielvorstellungen
Auch wenn für Enabler selbst diesbezüglich Klarheit herrscht, sind sie letztlich mit der Situation konfrontiert, dass andere involvierte Akteure und Akteurinnen unterschiedliche Erwartungen bezüglich Jugendpartizipation haben können. Die Ziele von Gemeindepolitikerinnen und -politikern in Bezug auf Jugendpartizipationsprojekte sind eher selten deckungsgleich mit den Zielen der Jugendlichen. So führten Interviewpartner und -partnerinnen auch aus, dass es für «echte Jugendpartizipation» wichtig ist, die Jugendlichen vor zu starker Eimischung oder Instrumentalisierung zu schützen, also die Autonomie der Jugendlichen in Ihren Entscheidungsprozessen u.a. auch gegenüber den eigenen Vorgesetzen zu verteidigen. Zudem sind Enabler gefordert, um grosse Enttäuschungen vorzubeugen, möglichst früh auch auf Grenzen der Partizipation hinzuweisen. Zudem können Erfolgskriterien stärker an der Qualität der Prozesse, anstatt an spezifischen Resultaten oder Anzahl Teilnehmender festgemacht werden.

Aktuell werden diese Zwischenresultate weiter vertieft. Sie sollen schliesslich Enablern und anderen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in Gemeinden im Rahmen einer Broschüre zur Verfügung gestellt werden. Die Resultate der Studie  werden im Rahmen einer gemeinsamen Tagung von HSLU, DSJ, DOJ und NOJZ vorgestellt und in Workshops mit Fachpersonen aus der Praxis vertieft.


Online Veranstaltung, DO 30. September 2021

Mit wirkungsvoller Kinder- und Jugendförderung in die Zukunft

Die Hochschule Luzern – Soziale Arbeit lädt zusammen mit NOJZ, DSJ und DOJ zur online Veranstaltung zum Thema «Die  Beteiligung von  Jugendlichen  in der Gemeinde  stärken» ein.

Interessiert? Hinterlassen Sie uns hier ihre Kontaktdaten und wir geben Ihnen Bescheid sobald wir die Anmeldungen entgegen nehmen können.


Projektfinanzierung: Bundesamt für Sozialversicherungen BSV, Lotteriefonds des Kantons Zürich, Swisslos-Fonds Kt. Aargau, Forschungsfonds Hochschule Luzern

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Dieser Artikel wurde am 14. Juli 2021 von Dominic Zimmermann verfasst und auf dem Soziokulturblog veröffentlicht.

Kommentare

1 Kommentare

Simone

Danke für diesen Blogbeitrag. Spannend finde ich vor allem diese unterschiedlichen Zeithorizonte, in welchen die Enabler sich bewegen.

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