Soziokultur

Nicht «helfen», sondern zusammen lernen!

Nicht «helfen», sondern zusammen lernen!

Die Beiträge von René Sägesser und Alain Schnetz berichteten über unsere Studienreise nach Albanien Anfang September 2017. Die Studienreise ist ein Ergebnis unserer Tätigkeiten in Albanien, die wir mit dem Projekt «Coaching for Employment and Entrepreneurship» 2010 begonnen haben.

Swisscontact Albanien erhielt damals im Rahmen der Decade of Roma Inclusion 2005–2015 von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) den Auftrag, ein Projekt zur Berufsbildung und Arbeitsmarktintegration von Randgruppen zu entwickeln und gelangte mit der Anfrage für eine Zusammenarbeit an die Hochschule Luzern – Soziale Arbeit. Das Projekt Coaching for Employment hat seither rund 60 Coaches aus Nicht-Regierungsorganisationen und den staatlichen Arbeitsämtern ausgebildet, die ihrerseits über 1‘000 Jugendliche in einjährigen Coaching Cycles begleitet haben. Ein Coaching Cycle beinhaltet das Entdecken der Arbeitswelt und Entwickeln eines Berufswunsches durch die Jugendlichen, Schnupperlehren, Praktika, Kurse und Bewerbungstraining. Die Arbeit in einer Gruppe von 10-15 Jugendlichen ist ein zentrales Element. Seit 2017 ist Coaching for Employment und Entrepreneurship auch im Kosovo tätig.

Rückblickend auf sieben Jahre Projektgeschichte scheint mir ein Schlüssel für den Erfolg des Projektes darin zu liegen, dass wir von Anfang an auf die gemeinsame Entwicklung des Projektes mit den beteiligten Organisationen vor Ort gesetzt haben. Somit wurde das Projekt zu einem kontinuierlichen Lernprozess für alle Beteiligten. Auf zwei Lernprozesse möchte ich an dieser Stelle noch etwas eingehen.

  1. Arbeiten mit Gruppen

Bei der Entwicklung des Konzeptes wurde schnell klar, welch grosse Hindernisse Jugendliche aus Randgruppen im Übergang von der Schule in die Arbeitswelt zu überwinden haben. Jugendliche aus Roma und Egyptian Communities begegnen in der Schule, der Freizeit und im Öffentlichen Raum Vorurteilen bis hin zu offener Diskriminierung. Dies führt dazu, dass die Jugendlichen oft kaum genügend Selbstvertrauen besitzen, um ihre Bedürfnisse und Wünsche zu artikulieren, geschweige denn auf Arbeitsämter, Lehrpersonen und Arbeitgebende zuzugehen. In einer Gruppe zu arbeiten, wo offen und in einer wertschätzenden Atmosphäre über Diskriminierungserfahrungen und Vorurteile gesprochen, und gemeinsam Strategien entwickelt werden, wie mit solchen Situationen umgegangen werden kann, erleben viele Jugendliche als befreiend. Ein erster Schritt, um wieder Selbstvertrauen zu fassen. Zu realisieren, dass in ganz Albanien viele Jugendliche „im selben Boot sitzen“ und an ihrer beruflichen Zukunft arbeiten, bestärkt die Jugendlichen weiter darin, Hindernisse anzugehen und zu überwinden.

Im Coach finden die Jugendlichen eine erwachsene Bezugsperson, die Ihnen offen begegnet und Arbeitgebende überzeugt, den Jugendlichen eine Chance zu geben. Damit die Coachs diese Rolle übernehmen können, mussten in einem ersten Schritt eigene Bilder und Vorurteile gegenüber Jugendlichen aus Randgruppen erkannt und reflektiert werden. Spiele, Spass und gemeinsame Erlebnisse in der Gruppe sind wichtige Elemente, um Jugendliche mit ihren Ressourcen und Qualitäten kennenzulernen und stehen ebenso im Zentrum wie der Erwerb von arbeitsmarktrelevanten Kompetenzen.

  1. Kooperation und Konkurrenz

Die Entwicklungszusammenarbeit in Albanien ist ein Markt. Da die ausländischen Gelder zurückgehen, erstaunt es nicht weiter, dass sich lokale NGOs als Konkurrenz betrachten und die Zusammenarbeit eher vermeiden, um eigene Chancen im Markt zu erhalten. Die finanzielle Unsicherheit vieler Organisationen, die oftmals nicht wissen, ob sie in sechs Monaten wieder ein grösseres Projekt akquirieren können, welches ihr Fortbestehen sichert, ist eine der grossen Herausforderungen des Projektes. Vor diesem Hintergrund war es nicht einfach, ein Klima von Vertrauen und Kooperation zu schaffen. In den Ausbildungsgängen kamen Vertretende aus verschiedensten Organisationen als Coachs zusammen und wir setzten gemeinsam Aktivitäten um und förderten bewusst den Austausch und gegenseitige Unterstützung. Mit der Zeit entstand ein Netzwerk von Organisationen, die vermehrt zusammenarbeiten und stärker auf das Identifizieren von Synergien und das Finden von Nischen setzen als auf Konkurrenz.

Für mich sind dies nur zwei Beispiele, wie im Rahmen des Projektes nicht nur Jugendliche lernen und Kompetenzen entwickeln, sondern auch auf Ebene der Coachs und der Organisationen vielfältige Lernprozesse stattfinden, die auf den ersten Blick wenig sichtbar sind.


von: Peter Stade

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