Soziokultur

Die Zweitwohnungsinitiative und die Aktivierung im Berggebiet

Die Zweitwohnungsinitiative und die Aktivierung im Berggebiet

Das Beispiel «Zukunft Hasliberg»
Zahlreiche Interessierte fanden sich an einem Samstagmorgen Ende Mai in der Hasliberger Mehrzweckhalle ein und waren gespannt auf die Ergebnisse der verschiedenen Arbeitsgruppen. Die elf Gruppen, bestehend aus Einheimischen und Zweitwohnungsbesitzern, – zusammen über 100 freiwillig Engagierte – haben sich vor einem Jahr gebildet. Seither wurde intensiv an verschiedenen Ideen und Massnahmen für die Zukunft der Gemeinde gearbeitet.

Vom Sandstrand bis zum Generationenhaus
Ein Rundgang durch die Präsentationsstände zeigte Erstaunliches: Handfeste, praktische, naheliegende bis visionäre Vorschläge wurden von den Arbeitsgruppenmitgliedern erläutert und mit Herzblut vertreten. Die Kindergruppe wünschte sich am Badesee einen Sandstrand und hat mit einem Kinonachmittag bereits selber Geld generiert für die Realisierung. «Das gegenseitige Verständnis fördern» ist ein grosses Anliegen der Arbeitsgruppe Landwirtschaft. Eine geführte Alpwanderung über die Hasliberger Alpen sowie Mithilfe beim Alpwerk soll den Austausch fördern und die «Littering»-Problematik thematisieren.

Rege Diskussionen an den Ständen der Ergebniskonferenz. Bild: Jonathan Liechti.

Eine Gruppe von Seniorinnen und Senioren plant ein Generationenhaus und die Arbeitsgruppe Baugewerbe ein Holzzentrum mit überregionaler Ausstrahlung. Ein «Haslital-App» wurde entwickelt als Basis für Informationen, aber auch als Tool für Freiwilligenarbeitseinsätze. Zur Sprache kamen auch Investitionen in die Tourismusinfrastruktur, beispielsweise Themenwege, ein Seilpark oder Mountainbike-Wege.

Im Anschluss an die Ergebniskonferenz fand die Gründung des Vereins «Netzwerk Hasliberg» mit über 60 Gründungsmitgliedern statt. Dieser setzt sich die langfristig orientierte Förderung von Hasliberg als naturnahes Erholungsgebiet sowie die wirtschaftliche Stärkung als Wohn- und Arbeitsraum zum Ziel. Vor allem aber ist das «Miteinander» – die Vernetzung und Zusammenarbeit zwischen Einheimischen und Auswärtigen – ein wichtiges Anliegen.

Zukunft selber gestalten
Hintergrund dieses Grossanlasses ist das Projekt «Zukunft Hasliberg». Auslöser war die Auswirkung der Zweitwohnungsinitiative auf die lokale Bauwirtschaft und insbesondere die jahrhundertealte Holzbautradition. Verlust von Arbeits- und Ausbildungsplätzen, wirtschaftlicher Niedergang und Abwanderung wurden befürchtet.

Mit dem Zukunftsprojekt – das in der Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern unter meiner Leitung umgesetzt wird – soll diesen düsteren Aussichten begegnet werden. Dieses bezweckt, dass die Bevölkerung und alle Betroffenen, wie etwa die Zweitwohnungsbesitzer gemeinsam die Zukunft der Gemeinde gestalten. Die Projektidee geht davon aus, dass eine nachhaltige und zukunftsfähige Entwicklung von Hasliberg auch unter den erschwerten Rahmenbedingungen möglich ist. Dazu will die Gemeinde die Zukunft in die eigenen Hände nehmen und mit der Bevölkerung und den Akteuren neue Ideen entwickeln und umsetzen.

Das Projekt wurde nach Vorarbeiten und der Aktivierungsphase im Juni 2015 mit einer ersten Veranstaltung gestartet, in der ein bunter Strauss verschiedener Anliegen und Ideen zusammengetragen wurde. Auf dieser Basis wurden die Arbeitsgruppen gebildet und ein Gesamtmassnahmenplan erarbeitet. Das Projekt dauert 2 Jahre, die Umsetzung verschiedener Massnahmen (z.B. die baulichen wie Generationenhaus oder Holzzentrum) wird weit darüber hinaus reichen.

Ressourcen freilegen
Speziell an diesem Projekt ist das überaus grosse Engagement sowohl von Einheimischen als auch von Auswärtigen. Auf 1200 Einwohnerinnen und Einwohner kommen in Hasliberg rund 600 auswärtige Zweitwohnungsbesitzende. Sie geniessen den Ort, fühlen sich mit ihm – zum Teil über Generationen hinweg – verbunden. Bisher hatten sie aber keine Plattform, um der Gemeinde «etwas zurückzugeben», wie es einer formulierte. Gerade diese oft wenig geliebte Gruppe entpuppte sich hier als wichtige Ressource, die in den Feriengebieten kaum je genutzt wird.

Wie ist es gelungen, dieses Engagement von Einheimischen und Auswärtigen, die miteinander am gleichen Strick ziehen, zu entzünden? Vier einfache Handlungsformen bildeten den Kern des Erfolgs.

  • Zurückhaltende Rolle der Projektleitung
    Für mich als Projektleiter war es wichtig immer wieder zu betonen, dass ich nicht als Besserwisser aus dem Unterland komme, sondern als Unterstützer eines Prozesses, der von den Leuten vor Ort selber getragen wird.
  • Stakeholderanalyse und -beteiligung
    Von der Landwirtschaft zu den Bergbahnen, von den Schulen zur Spitex, vom Gewerbe zu den Hotels – systematisch wurden alle Anspruchsgruppen der Gemeinde kontaktiert und deren Vertreterinnen und Vertreter als erste informiert und einbezogen. Sie bilden seither die Echogruppe des Projekts.
  • Politische Abstützung
    Das Projekt wurde im Gesamtgemeinderat sowie an der Gemeindeversammlung vorgestellt und abgesegnet. Die Gemeindepräsidentin ist Mitglied der dreiköpfigen Projektleitung und signalisiert damit die Abstützung des Projekts aus oberster Warte.
  • Gezielte Aktivierung der Zweitwohnungsbesitzenden
    Die Zweitwohnungsbesitzenden wurden gezielt angesprochen, in einem ersten Schritt online befragt und danach zu einem Workshop eingeladen. Die Resonanz und das Interesse waren hoch. Es schien, als hätten viele nur darauf gewartet, dass jemand die Initialzündung übernahm. Die Integration in das Zukunftsprojekt geschah daher wie von selbst. Viele Ideen, wie z.B. jene des Vereins «Netzwerk Hasliberg», sind  auch aus dem Kreis dieser Leute entstanden.

Das Beispiel zeigt, dass das Interesse der Menschen an der Mitgestaltung ihrer Zukunft gross ist. Manchmal braucht es lediglich einen Anstoss von aussen und eine unterstützende Methodik, um die vorhandenen Ressourcen zu mobilisieren und einen breit getragenen Prozess auszulösen.


von: Alex Willener

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