Soziokultur

Wie eine diversitätssensible Perspektive die Mobilitäts-Teilhabe erhöht

Wie eine diversitätssensible Perspektive die Mobilitäts-Teilhabe erhöht

In meinen Vorbereitungen auf ein Podiumsgespräch mit Zawadi Nyong’o wurde mir einmal mehr bewusst, wie wichtig auch in der Soziokulturellen Animation eine diversitätssensible Perspektive ist. Dadurch können wir unsere Arbeit gezielter auf die Bedürfnisse unserer jeweiligen Adressatinnen und Adressaten abstimmen und mit ihnen die Entwicklungen gestalten. Deshalb freuen mich differenzierte Studienergebnisse, die die Lebenslagen verschiedenster Gruppen berücksichtigen. Diese Resultate können uns Soziokulturellen Animatorinnen und Animatoren helfen, genauer hinzuschauen und die nötigen Schlüsse für eine diversitätssensible Arbeit zu ziehen.

Das Instrument des Genderbudgetings – welches in der EU als Standard gesetzt wurde in der Schweiz jedoch, ausser in Basel, keine Anwendung findet – hilft auch der Politik und Verwaltung, eine diversitätssensible Brille anzulegen. Dies illustriert ein Beispiel der österreichischen Gemeinde Pöttschin. Hier fährt ein achtplätziger Kleinbus quer durch die Stadt und unterstützt damit die Wegbeziehungen, die überwiegend von Frauen, älteren Menschen und Kindern zurückgelegt werden. Auslöser dafür war eine Studie bzgl. Mobilitätschancen von Frauen und Männer. Darin wurden klare Unterschiede zwischen den Geschlechtern festgestellt. Frauen wie Männer legen in etwa gleich viele Wege und Kilometer zurück. Im Gegensatz zu den Frauen, haben die Wege der Männer einen Hauptzweck, nämlich von der Wohnung zur Arbeit zu gelangen. Die Frauen aber verbinden auf ihren Wegen auch gleich die Kinderbegleitung zur KITA, den Einkauf und die Betreuung von Angehörigen.

Wegezwecke nach Geschlecht Wien aus dem Jahr 2006, Quelle: VCÖ-Projekt «Gender und Verkehr»

Das langjährige Bus-System bediente diese nahräumlichen Wegbeziehungen nicht. Das ÖV-Angebot war vorwiegend auf die Bedürfnisse der Männer abgestimmt. Erst durch die Einführung des Kleinbusses kann die Gemeinde eine chancengleiche Teilhabe von Frauen und Männern garantieren. Ohne das Bekenntnis zum Genderbudgeting wäre weder die Studie zustande gekommen, noch der Kleinbus eingeführt worden.

Wegekette einer mobilen Person, Quelle: KnollSzalai,

In einer hoch ausdifferenzierten Gesellschaft braucht es diversitätssensible Analyseinstrumente, um die Lebenslagen verschiedenster Gruppen intersektional erfassen zu können, damit die Teilhabe Aller ermöglicht werden kann. Auch die Schweiz spricht seit 1981 von Gleichberechtigung der Geschlechter – ja, erst seit gut 30 Jahren –, das macht es doch unabdingbar, auch die Analysen entsprechend geschlechter- und diversitätssensibel vorzunehmen. Wie sonst kann überprüft werden, ob Frauen und Männer, Alte und Junge, Schwarze etc. gleiche Zugangschancen haben? Leider steckt die Schweiz diesbezüglich in den Kinderschuhen. Fordern wir als Gesellschaft solche Massnahmen nicht ein, nehmen wir aktiv in Kauf, dass wir die Ungleichbehandlung stillschweigend akzeptieren und marginalisierte Gruppen weiterhin weniger Zugangschancen eingeräumt werden.

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