Die aktuellen Herausforderungen für Banken nehmen laufend zu. Dabei wird immer deutlicher, dass es nicht ausreichen wird, diese mittels Digitalisierung zu lösen. Es wird unumgänglich, das herkömmliche Bankenmodell zu überdenken und strategische Massnahmen zu ergreifen, die über die Digitalisierung der bisherigen Prozesse hinausgehen.
Die schweizerischen Finanzinstitute sehen sich im Markt einer stetig wachsenden Anzahl von immer grösser werdenden Herausforderungen gegenüber: Neue Lösungen an der Kundenfront, Sicherstellung des Multichannel-Managements, Automatisierung der Prozesse, Elektronisierung von Compliance-Funktionen, Nutzung von Data Analytics und künstlicher Intelligenz sind nur eine kleine Auswahl aus der ständig wachsenden Liste von «to do’s» der Bankverantwortlichen. Angesichts der Vielzahl von Themen und der sich daraus ergebenden Projekte wird rasch klar, dass eine Bank nicht in der Lage sein wird, alle diese Aufgaben gleichzeitig anzugehen und zu lösen: Es fehlt vielfach an Know-how, es dauert viel zu lange und die Kosten explodieren.
Die Herausforderungen des Marktes sind deshalb schon längst zu einer strategischen Herausforderung geworden. Denn der Wandel des Umfeldes mit den grossen internationalen Playern wie Google, Facebook und Amazon einerseits und den FinTechs andererseits untergräbt die Fundamente des überlieferten Bankings und macht ein neues Selbstverständnis der Banken erforderlich.
Kundenerwartungen, USP’s und Kerngeschäft
Im Wesentlichen geht es bei der Erarbeitung eines neuen Selbstverständnisses einer Bank darum, drei Fragen zu beantworten: Was erwarten die Kunden von uns heute und in Zukunft? Welche «unique selling proposition» kann die Bank auch in Zukunft bieten? Was ist aufgrund der Antworten auf diese beiden Fragen als Kerngeschäft der Bank zu definieren? Geht man von dieser Seite an die strategische Arbeit heran, ergeben sich fast zwangsläufig andere Resultate und Perspektiven als wenn die überlieferte Sicht der Bank zu Grunde gelegt wird. So wird beispielsweise die Verarbeitung von Zahlungsverkehrs- oder Wertschriftentransaktionen, die viele Banken bereits heute an Dritte ausgelagert haben, kaum mehr als zum Kerngeschäft gehörig betrachtet werden. Und die Verarbeitung von Hypothekar- und Kreditgeschäften? Hier haben erst einige wenige Banken eine Auslagerung realisiert. Und wie verhält es sich mit Compliance-Aufgaben? Oder mit neuen Aufgaben wie Data Analytics oder künstliche Intelligenz?
Kürzlich haben zwei Schweizer Banken an einer Veranstaltung des Instituts für Finanzdienstleistungen IFZ aufgezeigt, wie sie mit Data Mining das Marketing und die Kundenansprache deutlich verbessert haben. Aufgrund der positiven Erfahrungen beabsichtigen beide Institute, ihre Data-Analytics Teams zu vergrössern. Es ist unbestritten, dass die Banken mehr aus Ihren Daten machen sollen – aber ist der Weg dahin der richtige? Wie wir den einschlägigen Medienberichten entnehmen konnten, hat selbst Facebook mit Cambridge Analytics einen ausgewiesenen Spezialisten mit diesen Aufgaben betraut. Macht es da aus strategischer Sicht Sinn, dass Schweizer Banken versuchen in diesem Themenbereich operative Teams aufzubauen?
Auch im Bereich Compliance sind die Banken der Logik «mehr Aufgaben – mehr Personal einstellen» über Jahre reflexartig gefolgt. Die nach wie vor hohen Erträge und die zum Teil ausgezeichneten Cost Income Ratio’s von weniger als 50 Prozent haben dazu geführt, dass diese Entwicklung die Führungskräfte und Verwaltungsräte kaum beunruhigt hat. Entsprechend haben es die Banken vielerorts versäumt, dem Thema Sourcing und Kooperationen die erforderliche strategische Beachtung zu schenken und diesbezüglich eine Kompetenz zu entwickeln.
Sourcing und Kooperationen als strategische Instrumente
Die immer grösser werdende Anzahl von Aufgaben dürfte nun aber dazu führen, dass die Verantwortlichen von Finanzinstituten vermehrt die Frage aufwerfen, wie denn das nun alles zu bewältigen und auch zu finanzieren sei. Einzelne Institute, wie etwa die Basler oder die Freiburger Kantonalbank haben die Antwort auf diese Fragen schon seit einiger Zeit gefunden und lagern konsequent alle Aufgaben, die sie selbst nicht besser erledigen können als der Beste im Markt, an Partner aus. Sie haben sich so auch ein Know-how erarbeitet, wie sie mit diesen Partnern zusammenarbeiten müssen, um die Prozesse noch schlanker gestalten und die Kosten noch weiter senken zu können. Sie haben damit eine Entwicklung nachvollzogen, wie sie beispielsweise in der Autoindustrie schon vor Jahrzehnten erfolgt ist.
Die Mehrzahl der Banken hat die Notwendigkeit und die Dringlichkeit des Einsatzes von Sourcing und Kooperationen als strategische Instrumente zur nachhaltigen Sicherung der eigenen Zukunft noch nicht oder noch nicht in ausreichendem Masse erkannt. Entsprechende Massnahmen wurden viel zu zögerlich in Angriff genommen. Dies vor allem deshalb, weil die Medien in den letzten drei Jahren fast ausschliesslich über Digitalisierung berichtet haben und die Verantwortlichen der Banken davon ausgegangen sind, dass es schon ausreichend sein werde, wenn man da auf diese Entwicklung aufspringe und mit dem einen oder andern Projekt die Automatisierung der Prozesse erhöhe.
Dass dies viel zu kurz greift, weil eben die Digitalisierung etwa durch das Senken der Eintrittsbarrieren für Dritte zu grundlegenden Markt- und Geschäftsmodellveränderungen führt, zeichnet sich erst langsam ab und wird zudem zum Teil von Bankern aus Bequemlichkeit auch bewusst ausgeblendet. Fakt ist, dass sich die Banken strategisch auf ein neues Fundament stellen müssen, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein. Und eines der tragenden Elemente in diesem Fundament wird zweifellos das Sourcing respektive die Zusammenarbeit mit Partnern sein. Denn in einer komplexer werdenden Welt hat sich eine zunehmende Arbeitsteilung schon immer bewährt.
Fazit
Es ist Aufgabe der Führung, die Bank für die Zukunft fit zu machen. Dass dazu neben der Digitalisierung auch das Sourcing konsequent vorangetrieben werden muss, haben führende Institute schon vor einiger Zeit erkannt und weitgehend realisiert. Interessanterweise sind es aber gerade diejenigen Institute, die schon viel erreicht haben, die ihre Bemühungen um weitere Fortschritte auf diesem Weg energisch vorantreiben. Viele andere haben vielleicht auch schon gewisse Aufgaben ausgelagert, haben das Thema aber nicht dynamisch weiterentwickelt. Sie täten gut daran, sich die zentralen strategischen Fragen zu stellen und sich mit den gefundenen Antworten ebenso energisch auf den Weg zu machen. Die Zukunft hält noch viele Herausforderungen bereit. Zeit also, die heutigen rechtzeitig zu meistern.