27. Juni 2016

Allgemein,

Digitalisierung

FinTech als Teil des Schweizerischen Bankgeschäfts – die Sicht der Schweizerischen Bankiervereinigung

Von Dr. Martin Hess* und Thomas Sutter*

Die Digitalisierung und damit einhergehende Innovationen führen zu tiefgreifenden Veränderungen im Bankgeschäft. Zählt man zu diesen Herausforderungen noch steigende Kosten und sinkende Margen hinzu, dann kann man die Herausforderungen für Banken in der Schweiz durchaus als gross bezeichnen. Die Digitalisierung ist aber gleichzeitig, sofern sich Banken ihr stellen, eine grosse Chance.

Die Digitalisierung im Finanzsektor reiht sich ein in eine Serie von Technologie-getriebenen wirtschaftlichen Veränderungen: Der Journalismus, die Autoindustrie und Transportdienstleistungen waren alle in den letzten Jahren davon betroffen. Im Zuge dieser Entwicklungen entstehen neue Märkte, Produkte und Dienstleistungen – und entsprechend ändern sich auch die Spielregeln für bestehende Marktakteure. So senken neue Technologien etwa auch die Eintrittsschwelle in das Bankgeschäft für neue Anbieter und verschärfen somit den Wettbewerb.

„Analoge“ Industrien werden automatisiert

Schon immer waren Standardisierungen und Skalierung Treiber für wichtige industrielle Entwicklungen. Mit der Digitalisierung gewinnen sie nun auch in der Finanzwelt stark an Bedeutung. Alte Produktionsprozesse werden aufgebrochen und neu zusammengesetzt. Ähnlich wie in anderen, ehemals „analogen“ Industrien hat sich auch im Bankgeschäft die Erkenntnis durchgesetzt, dass eine erfolgreiche Zukunft nur durch eine steigende Automatisierung von Prozessen und den Vertrieb digitaler Dienstleistungen auf verschiedenen Kanälen gewährleistet ist. In einer Zeit, in der regulatorische Veränderungen die Kosten in die Höhe treiben, stehen die Banken somit vor der Herausforderung, ihr Geschäft zunehmend zu optimieren.

Digitalisierung verändert alle Bereiche des Banking

Sowohl technologische Veränderungen als auch veränderte Kundenbedürfnisse fordern die Ideen und Denkmuster der etablierten Finanzdienstleister heraus. Insbesondere im Bereich Retail Banking gibt es dabei grosse Opportunitäten, auch wenn die Industrialisierung in diesem Bereich bereits relativ weit fortgeschritten ist. Digitalisierung wirkt sich jedoch darüber hinaus auf sämtliche Geschäftsbereiche der Banken aus – vom Asset Management über das Private Banking, Firmenkundengeschäft, Investment Banking bis zum Retail Geschäft. Die Grenzen zwischen diesen Bereichen verschwinden dabei zusehends.

Vom Angebots- zum Nachfragemarkt

Ein weiterer Paradigmenwechsel, was die Marktstruktur betrifft, zeigt sich im Wechsel von einem Angebots- hin zu einem Nachfragemarkt. Dieser Wechsel ist ein direktes Resultat der digitalen Disruption sowie des wachsenden Wettbewerbs durch neue Technologien und innovative Dienstleistungen.

Etablierte Dienstleister werden herausgefordert

Erste Opfer dieser Disruption dürften Finanzdienstleistungen sein, welche sich einfach standardisieren lassen und einen tiefen Beratungsanteil haben. Besonders einfache Services bieten Technologie-getriebenen Unternehmungen eine Chance, in den Markt einzutreten und etablierte Finanzdienstleister herauszufordern. Ein Beispiel dafür sind Robo-Advisors, welche automatisiert und basierend auf Algorithmen Portfolio Management Services anbieten – dies zu deutlich tieferen Kosten als traditionelle Vermögensverwalter. Somit zeigt sich, dass auch Kerngebiete des Bankgeschäfts von der Digitalisierung betroffen sind.

Banken brauchen digitale Strategie und Innovationskultur

Die Digitalisierung beeinflusst darüber hinaus aber auch die gesamte Wertschöpfungskette von Banken. Während back-end Prozesse primär von Effizienzsteigerungen profitieren, können an der Front neue Angebote die Kunden und deren Bedürfnisse besser und direkter ansprechen (beispielsweise durch den Einsatz von Data Mining). Wollen Banken auch künftig erfolgreich sein und mit Technologie-getriebenen Non-Banks mithalten, so müssen sie ihren Kunden Mehrwerte im digitalen Bereich bieten. Dies bedingt eine digitale Strategie, welche in der Innovationskultur einer Bank eingebettet zu sein hat. Nur so wird es Banken möglich sein, ihre noch vorhandenen Wettbewerbsvorteile in tatsächliche Gewinne umzumünzen. Diese Wettbewerbsvorteile werden auch künftig auf Finanz-Fachwissen, der sicheren Datenverwaltung sowie dem Wissen zur Umsetzung von Regulierungen aufbauen. Kundenvertrauen wird dabei eine wichtige Rolle einnehmen.

Die Rolle der Schweizerischen Bankiervereinigung

Eine angemessene Regulierung von FinTech ist eine Voraussetzung dafür, dass die Schweiz weiterhin ein relevanter Finanzplatz bleibt. Als führende Bankenorganisation hat die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) die Herausforderungen der Digitalisierung bereits vor über zwei Jahren erkannt. Die SBVg hat gegenüber diesen Veränderungen eine positive Einstellung. Der Fokus liegt auf den Chancen der Digitalisierung und weniger auf den Risiken gewisser Geschäftsmodelle. Die Ziele der SBVg lassen sich einfach auf den Punkt bringen: (1) Mehrwert und Jobs müssen weiterhin in der Schweiz kreiert werden. (2) Ein FinTech Ökosystem muss sich in der Schweiz etablieren, und zwar eines, von dem alle Banken profitieren. Und (3) Die Regulierung muss für alle Marktteilnehmer und Aktivitäten gleich sein. Dabei soll die Regulierung nachhaltig und unabhängig von Geschäftsmodellen oder Technoligen sein.

Die Aktivitäten der SBVg lassen sich in vier Phasen herunterbrechen: (1) Analyse der Herausforderungen, (2) Entwicklung eines Netzwerks mit allen Anspruchsgruppen, (3) Koordination zwischen FinTech Firmen, Banken, Regulierern sowie der Legislative sowie (4) Mitsprache und Entwicklung des Regulierungsprozesses.

Herausforderungen und Chancen

Die Digitalisierung stellt für traditionelle Banken eine grosse Herausforderung dar – insbesondere vor dem Hintergrund von sinkenden Margen und steigenden Kosten. Dazu kommt, dass die Investitionskosten im Bereich Digitalisierung hoch sind und die Geschäftsmodelle fundamental überarbeitet werden müssen. Aufgrund des künftig hohen Wettbewerbsdrucks, auch von Seiten der Non-Banks, bleibt den Banken jedoch nichts anderes übrig als die Veränderungen für deutliche Effizienzsteigerungen und noch bessere, kundenbezogene Dienstleistungen zu nutzen. Der Vorteil der Banken ist es zudem, dass sie Stärken bezüglich dem Know-how, Diskretion, Sicherheit sowie ein hohes Kundenvertrauen mit denjenigen von FinTech kombinieren können. Die neuen Technologien sind somit Herausforderung und Chance zu gleich.

Die Rolle des Regulators: Offenheit und wenig Bürokratie

Damit die Schweiz künftig ein führender Standort für innovative Unternehmen und Start-ups bleibt, braucht es eine Offenheit von Seiten des Regulators gegenüber neuen Geschäftsmodellen sowie eine unbürokratische Beurteilung derselben. Vertrauen und Sicherheit waren seit jeher Erfolgsfaktoren der Schweiz und müssen auch bei künftigen regulatorischen Änderungen den Kern bilden. Die Abwägung zwischen Sicherheit und den Chancen von Innovationen dürften für den langfristigen Erfolg der Schweiz entscheidend sein.

Ein längerer Artikel zum Thema ist auch in der IFZ FinTech Studie erschienen. Weitere Informationen finden Sie hier.

* Thomas Sutter ist Leiter Kommunikation und stv. Vorsitzender der Geschäftsleitung der Schweizerischen Bankiervereinigung. Dr. Martin Hess ist Chefökonom und Direktionsmitglied der Schweizerischen Bankiervereinigung sowie Mitglied der Chief Economist Group des Europäischen Bankenverbands.

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