21. Juli 2022

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Die Liechtensteinische Landesbank hat mit wiLLBe Schweizer Retail Banking-Kund:innen im Visier – eine Analyse

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich

Das heute von der Liechtensteinischen Landesbank (LLB) lancierte Angebot wiLLBe ist eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete rein digitale Vermögensverwaltungs-App. Die Lösung ist sophistiziert und Schweizer und Liechtensteiner Anleger:innen können bereits ab CHF 2‘000 zu einem attraktiven Preis investieren. Mit wiLLBe erhöht sich die Anzahl der digitalen Anlagelösungen (ohne Vorsorge-Apps) in der Schweiz auf bereits 22. Im heutigen Blog erläutere ich, warum ich das Angebot von wiLLBe trotzdem vorstelle und wie ich die Marktchancen der Lösung beurteile.

Die Liechtensteinische Landesbank (LLB) mit Sitz in Vaduz war bislang im Schweizer Retail-Banking vor allem bekannt als Muttergesellschaft der Bank Linth. Mit der heute lancierten digitalen Anlagelösung wiLLBe (die beiden L in der Mitte sind absichtlich Grossbuchstaben, damit der Name LLB zumindest für Experten ersichtlich ist) möchte die liechtensteinische Bank nun aber auch direkt die Schweizer Kundschaft gewinnen.

Der Onboarding-Prozess

In einem ersten Schritt wählt der Kunde respektive die Kundin zuerst diejenigen Nachhaltigkeits-Themen aus, in welche sie investieren möchten. Die LLB hat dabei die von den Vereinten Nationen (UN) definierten 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG) für die wiLLBe-Nutzer:innen in sieben ausgewählte Themen zusammengefasst (siehe Abbildung 1). Die Nutzer:innen können wählen, in welchen Themen ihr Portfolio investiert sein soll.

Abb 1 wiLLBe
Abbildung 1: Wahl der nachhaltigen Anlagethemen

In einem zweiten Schritt wird die Investment-Strategie der Kundschaft festgelegt («Anlagestrategie planen»). Nach Beantwortung von zehn Fragen zur Risikofähigkeit und Risikobereitschaft (mit interessanten Fragen in Bezug auf die Verlustaversion) macht wiLLBe einen Anlagevorschlag, welchen man als Kund:in aber manuell anpassen kann.

In den Portfolios können basierend auf dem Risikoprofil der Kund:in Teile der Portfolios mit Impact-Features selbstständig ausgesucht werden. Neben spezifischen Impact-Anlagen werden auch verschiedene «klassische» Firmen (mit Nachhaltigkeitskriterien) inkludiert.

Erst als dritter Schritt erfolgt das eigentliche Digital Onboarding. Positiv fällt auf, dass die Identifikation ohne Video abläuft («Online Ident»). Auf der anderen Seite gibt es im Bereich des Onboardings aus meiner Sicht noch Optimierungspotenzial, wie beispielsweise das automatische Ausfüllen der Ortschaft nach Eingabe der PLZ. Verschiedene Printscreens dieses Anbahnungsprozesses finden Sie in Abbildung 2.

Abb 2 wellBe
Abbildung 2: Einige Printscreens aus dem Onboarding-Prozess

Differenzierungsmerkmale von wiLLBe

Es fällt mit zunehmender Anzahl an Angeboten schwer, sich als digitale Vermögensverwaltungs-App mit einem spannenden USP zu differenzieren. Beim Angebot von wiLLBe sehe ich aber verschiedene Merkmale, die auch in Kombination differenzierend sind.

  • Spannend finde ich, dass auf dem Dashboard der wiLLBe-App nicht nur die finanzielle Performance aufgezeigt wird, sondern auch wie das individuelle Portfolio hinsichtlich Nachhaltigkeitskriterien wie «globaler Temperaturanstieg», «CO₂-Emission» und «Energieverbrauch» abschneidet (siehe Abbildung 3).
  • Die LLB kooperiert im Rahmen von wiLLBe mit verschiedenen Non-Profit-Organisationen (NPO) wie Mercy Ships, Compensators und Aiducation. Wer mit wiLLBe anlegt, kann zusätzlich zur nachhaltigen Investition einen fixen Teil des Gewinns, der im wiLLBe-Portfolio erzielt wird, an diese Partner spenden und so zu einer nachhaltigeren Welt beitragen. Dieses Performance-Spenden ist – zumindest meines Wissens – neu im Schweizer Anlagemarkt.
  • wiLLBe nutzt – wie auch Yuh, Flowbank oder die Zugerberg Finanz – die Möglichkeit von «Fractional Shares». Kund:innen können einen Bruchteil der Aktie (oder eines ETF) kaufen. Damit haben sie auch anteilsmässig Anrecht auf Dividenden. Die LLB übernimmt die Rolle des Käufers und ist eine Art Treuhänder der Kund:innen (beim Erwerb von «Teilaktien» erhalten Kund:innen kein Stimmrecht und werden nicht ins Aktienregister eingetragen). Aus IT-technischer Sicht ist die Umsetzung zwar eher komplex, solche Lösungen sind allerdings sehr (Retail)kundenorientiert.
Abbildung 3: Dashboard wiLLBe

Weitere Elemente des Geschäftsmodells

Nachfolgend zeige ich weitere Elemente auf, die aus meiner Sicht interessant und relevant sind:

  • Bereits ab einer Einstiegssumme von CHF 2‘000 kann jede Anlegerin und jeder Anleger die Lösung nutzen. Damit sind die Einstiegshürden auch im Quervergleich eher tief. Im Schnitt liegen die Mindestinvestitionssummen bei den anderen 21 Lösungen bei etwas unter CHF 10’000. Eine solche tiefe Einstiegssumme von CHF 2’000 ist sonst nur bei findependent, Selma und Invoya möglich.
  • Die Jahresgebühr beträgt 0.49 Prozent auf dem verwalteten Vermögen. Bei CHF 5’000 betragen die Kosten also CHF 24.50 pro Jahr. Hinzu kommen externe Kosten, die auf der Website ausgewiesen sind. Dadurch ist wiLLBe derzeit einer der drei günstigsten Anbieter am Markt.
  • Das für wiLLBe eingesetzte Optimierungstool von Swissquant erachte ich als sehr leistungsstark. Neben einer äusserst ausgeprägten Individualisierung von Portfolios (es gibt nicht nur einige wenige Musterportfolios) werden beispielsweise auch wöchentlich «Health Checks» und danach, falls nötig, Rebalancings der Portfolios durchgeführt (z.B. in Bezug auf Klumpenrisiken). Zudem wird die taktische Asset Allocation der Liechtensteinischen Landesbank auch auf dieses Retail und Affluent Kunden-Angebot übertragen.
  • Was mir persönlich gefällt: Für Personen, die sich nur oberflächlich für das Portfolio interessieren, finden sich auf einer einzelnen Seite alle relevanten Informationen. Für Personen, welche sich das Anlageportfolio genauer anschauen möchten und zusätzliche Informationen und Markteinschätzungen suchen, finden sich viele weitere detailliertere Auswertungen und Angaben in der App.
  • Kund:innen können auch Sparpläne einrichten (ab CHF 50)
  • Das Angebot ist für Smartphone und Desktop konzipiert. Die Apps sind ab sofort verfügbar. Die Desktopversion wird im Herbst folgen.

Fazit

Ich persönlich halte wiLLBe für ein spannendes und sowohl optisch wie auch in Bezug auf die generelle Ausrichtung gut umgesetztes Produkt. Es bietet einige gegenüber bestehenden Lösungen interessante Differenzierungsmerkmale mit einer klaren Positionierung im Bereich der Nachhaltigkeit. Erstaunlich ist, dass die Lösung zwar sophistiziert ist, gleichzeitig aber die Einstiegshürden mit CHF 2’000 tief und das Pricing mit 0.49 Prozent attraktiv ist. Wird es auch erfolgreich sein? Eine grosse Hürde ist es, – das haben wir auch schon von anderen Produkten im digitalen Anlagemarkt gelernt – in einem bereits heute schon umkämpften Markt das Produkt bekannt zu machen. Es ist anspruchsvoll, eine neue (Sub-)Marke im Massenkundengeschäft zu etablieren, zumal auch das Mutterhaus, die Liechtensteinische Landesbank, der Schweizer Bevölkerung noch eher unbekannt sein dürfte. Zudem ist das Konzept von digitalen Anlage-Apps in der Schweiz noch immer nicht sehr bekannt. Möglicherweise kann aber durch die klare Ausrichtung auf nachhaltiges Anlegen eine neue Kundengruppe gewonnen werden.

Vergleichbar ist die Lösung inhaltlich derzeit am ehesten mit derjenigen von Invoya. Spannend wird es auch sein, wie sich das wohl Ende Jahr lancierte Angebot von Radicant (Basellandschaftliche Kantonalbank) von wiLLBe unterscheiden wird. wiLLBe hat diesbezüglich in verschiedener Hinsicht auf alle Fälle schon einen guten Benchmark gesetzt.

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