23. Mai 2022

Allgemein,

Bank IT,

Bankstrategie,

Digitalisierung,

Ökosystem,

Open Banking,

Sourcing

Open Banking – von Banken unterschätzt

Von Dr. Urs Blattmann

Die IFZ Open Banking Studie 2022, welche am 12. Mai anlässlich der Konferenz „Innovationen im Banking“ vorgestellt wurde, analysiert zum einen die strategische Ebene bei Banken, zum andern werden die Aktivitäten und Auswirkungen auf die Informatik untersucht. Nachfolgend werden die wichtigsten Ergebnisse der Studie zusammengefasst.

Die Studie Open Banking basiert auf Interviews mit 21 Expertinnen und Experten von Banken, Versicherungen und FinTechs, auf schriftlichen Umfragen bei Banken und Sourcing-Anbietern, Literaturstudium sowie einem Workshop mit Branchenvertretern. Sie soll einen Beitrag dazu leisten, das Thema ganzheitlich zu erfassen und für die Diskussionen in den einzelnen Instituten, aber auch zwischen verschiedenen Banken sowie zwischen einzelnen Instituten und FinTechs sowie  Branchenorganisationen und Verbänden eine fundierte Basis bilden. Zudem sollen dem Leser eine Übersicht der aktuellen Herausforderungen und Anstrengungen bei Banken sowie Denkanstösse und Einschätzungen vermittelt werden.

Banken unterschätzen Open Banking

Als eine der wichtigsten Erkenntnisse zeigt die Studie, dass viele Banken Open Banking und die Auswirkungen, welche mit dieser Entwicklung einhergehen, aus zwei Gründen unterschätzen:

  1. Das Thema wird als Problemstellung der Informatik und nicht als strategische Herausforderung verstanden.
  2. In der IT wird der Fokus allzu schnell auf die APIs gelegt und dabei übersehen, dass mit Open Banking auch grundlegende Veränderungen auf die Bankinformatik zukommen.

Diese Einschätzung von Experten wird auch von einer IFZ Umfrage bei Banken gestützt, welche auf die Frage, wer in der Bank das Thema vorantreibt, die Informatik vor der Geschäftsleitung rangiert, während es sich beispielsweise beim Thema Ökosysteme und Plattformen umgekehrt verhält. Es ist wichtig, das Thema Open Banking in seiner ganzen Tragweite zu verstehen und die verschiedenen Komponenten innerhalb der Bank zu koordinieren und gut aufeinander abzustimmen. Abbildung 1 zeigt im Sinne einer Checkliste, welche Bereiche dabei primär zu berücksichtigen sind.

Abbildung 1: Bereiche, welche innerhalb der Bank bezüglich Open Banking abzustimmen sind (Quelle: IFZ Studie Open Banking)

Nur mit einem konsistenten Setup werden Finanzinstitute in der Lage sein, neue Geschäftsmöglichkeiten zu kreieren und rasch neue Dienstleistungen auch zusammen mit Partnern anbieten können.

Analyse der strategischen Ebene

Auf der strategischen Ebene stellt die Veränderung des Mindsets in den einzelnen Instituten wohl die grösste Herausforderung dar. Einige Experten haben denn auch darauf hingewiesen, dass der mit Open Banking einhergehende Kulturwandel von bewahrend, oft auch „konservativ“, sicher und sorgfältig, sowie verschlossen zu offen, innovativ, flexibel und agil resp. die Transformation von der klassischen Bank zur digitalen Bank quasi die Quadratur des Kreises darstelle und in nützlicher Frist wohl gar nicht vollständig zu schaffen sei. Hier die richtigen Massnahmen einzuleiten, stellt für Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen zweifellos eine äusserst anspruchsvolle Aufgabe dar.

Dabei muss auch die Sichtweise auf die Kundenschnittstelle neu angedacht werden. Die Angst diese zu verlieren, stellt nach Einschätzung der interviewten Experten derzeit das grösste Hindernis für Open Banking dar. Es ist deshalb zu prüfen wie Kundenbindung in Zukunft zu verstehen und umzusetzen ist. Wie kann die Bank auch in Zukunft sicherstellen, dass sie für den Kunden wichtig ist? Welche Dienstleistungen erwartet der Kunde in Zukunft von seiner Bank und wie möchte er diese nutzen? Welche Rolle ergibt sich daraus für die Bank? Aber auch Fragen wie, mit welchen Partnern sollen, respektive müssen wir zusammenarbeiten, wie stellen wir sicher, dass wir technologisch dazu in der Lage sind und viele andere mehr, sind zu beantworten.

Erst wenn jede Bank für sich dieses strategische Fundament erarbeitet hat, kann sie zielgerichtet die operativen Massnahmen, etwa die Realisierung von APIs oder den Anschluss an eine Plattform angehen.

APIs und Standardisierung

Die Realisierung von APIs ist für Open Banking essenziell und muss deshalb von der Bank IT rasch und effizient bewältigt werden. Dass dabei eine Standardisierung für alle Beteiligten Vorteile bringt, liegt auf der Hand. Leider ist die Geschwindigkeit bei der Umsetzung dieser Standardisierung auf dem Schweizer Finanzplatz immer noch als ungenügend zu bezeichnen.

In der Schweiz wird die Standardisierung im Bereich Open Banking von Swiss Fintech Innovations SFTI in enger Abstimmung mit OpenWealth sowie der Bankiervereinigung vorangetrieben. Vertreter dieser Organisationen haben deshalb an der Konferenz ihre Aktivitäten und Ziele präsentiert. SFTI ist eine unabhängige Vereinigung, welche die Zusammenarbeit und die digitale Innovation auf dem Finanzplatz fördert. Zu diesem Zweck setzt sie eine Arbeitsgruppe „Common API“ ein, welche die Erarbeitung von Branchenstandards leitet, sowie eine Gruppe „Collaboration Models“, welche Zusammenarbeitsmodelle mit den Vertretern der verschiedenen Interessengruppen erarbeitet. Erfreulicherweise haben SFTI und SBVg in jüngster Vergangenheit bei der Festlegung von APIs deutliche Fortschritte realisieren können, so dass die Hoffnung besteht, dass die Branche bei der Realisierung der APIs in diesem und im nächsten Jahr schneller vorankommt. OpenWealth hat zudem vor kurzem mit Google Cloud als Service Provider einen Partner gewonnen, der eine Unterstützung beim Wachstum sowohl in der Schweiz als auch global verspricht.

Dass es mit der Öffnung der Banken bald vorwärts gehen wird, zeigt auch eine Umfrage des IFZ bei über 30 Retailbanken. Auf die Frage, ob sich die eigene Bank mit Schnittstellen (APIs) gegenüber Drittanbietern geöffnet hat oder eine Öffnung in den nächsten drei Jahren geplant ist, haben knapp zwei Drittel der Institute angegeben, dass eine Öffnung vorgesehen ist, während aktuell erst 17 Prozent eine Öffnung realisiert haben (Abbildung 2).

Abbildung 2: Stand der Banken bei APIs (Quelle: IFZ Studie Open Banking)

Grundlegende Veränderungen in der IT

Dass die IT den Fokus zunächst auf die APIs legt, ist nachvollziehbar. Die Auswirkungen von Open Banking auf die IT werden aber viel umfassender sein. So sieht auch die SBVg eine Öffnung der Kernbankensysteme als Notwendigkeit, um Innovationen zur Entfaltung zu bringen. Im Weiteren ist zu klären, wie die einzelne Bank von den Standards und der neu bereitgestellten Infrastruktur, beispielsweise der Plattform bLink, optimal profitieren kann und welche technischen Anpassungen dazu notwendig sein werden. Schliesslich sollten sich Banken vor dem Hintergrund verstärkter Kooperationen aufgrund von Open Banking, Ökosystemen und Plattformen auch grundsätzlich Gedanken über die Zukunft der IT machen: Werden nach wie vor Accounting-zentrierte Systeme eingesetzt oder sind diese durch kundenzentrierte Systeme zu ergänzen oder gar zu ersetzen?

Einschätzung der Autoren

Open Banking wird die Schweizer Finanzbranche in einigen Bereichen grundlegend verändern. Die Chancen, die sich dabei bieten, lassen sich aber nur mit einer offenen und agilen Einstellung und der Bereitschaft, mit Partnern zusammenzuarbeiten, realisieren. Althergebrachte Sichtweisen, sei es bezüglich der Kundenschnittstelle, den eigenen Kernkompetenzen oder der Bank IT, müssen deshalb überdacht und gegebenenfalls angepasst werden. Aufgrund der Vielschichtigkeit des Themas sowie einer ganzen Reihe anderer Entwicklungen, welche parallel dazu im Auge zu behalten sind, scheint eine sorgfältige Analyse sowohl auf der strategischen als auch auf der IT-Ebene angezeigt. Die nun vorliegende IFZ Open Banking Studie 2022 kann dazu als Grundlage verwendet werden.

Unentgeltlicher Download der Studie unter: https://blog.hslu.ch/bankingservices/ifz-studie-open-banking/

PS: Im Rahmen des IFZ Bank-IT Forums wird am 15. Juni 2022 das Thema API Management behandelt: https://www.hslu.ch/de-ch/wirtschaft/agenda/veranstaltungen/2022/06/15/ifz-bank-it-forum/

An der IFZ Sourcing Konferenz vom 24. August 2022 wird auf das Thema Open Banking nochmals kurz eingegangen. Zudem stehen die Autoren dort auch für ein Gespräch zur Verfügung.
Möchten Sie schon vorher ihre Fragen besprechen oder Lösungsansätze diskutieren so stehen Ihnen Urs Blattmann (
urs.blattmann@hslu.ch) und Felix Buschor (felix.buschor@hslu.ch) gerne zur Verfügung.

Wir danken den Sponsoren für die Unterstützung der Studie!

Kommentare

0 Kommentare

Kommentar verfassen

Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.

Pin It on Pinterest