5. August 2019

Bank IT,

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Prozessmanagement

Bank-IT: Anzeichen für einen Wandel verdichten sich

Von Dr. Urs Blattmann

Der aktuelle Trend zur Digitalisierung von Bankprozessen verändert die Bank-IT grundlegend. Zum einen verdichten sich die Anzeichen für einen Wandel, zum andern zeigt die Analyse der Anforderungen an die zukünftige Bank-IT, weshalb der Wandel unumgänglich und fundamental sein wird.

Es gibt derzeit vermutlich kein Bankinstitut in der Schweiz, das sich nicht mit dem Thema Digitalisierung beschäftigt: Höchst automatisierte Prozesse müssen eingeführt, das Management der Kanäle verbessert, neue regulatorische Anforderungen implementiert und die Cyber Security erhöht werden, um nur einige der aktuellen Herausforderungen zu nennen. Dabei geht alles viel zu langsam und dass die mit der Veränderung einhergehenden Investitionen durch entsprechende Zusatzerträge amortisiert werden können wagt man kaum zu hoffen. 

Parallelen zur Situation vor 15 Jahren

Die heutigen Herausforderungen in der Informatik von Bankinstituten erinnern in vielerlei Hinsicht an die Situation vor rund 15 Jahren, als die Mehrheit der Banken noch auf den Kernbankenlösungen von einem der drei grossen Anbieter AGI, RTC und Unicible arbeiteten: Weder die Lösungen noch deren Anbieter konnten in geeigneter Form auf regulatorische Anpassungen oder flexible Weiterentwicklungsanforderungen reagieren, so dass bei den Banken über die Zeit eine latente Unzufriedenheit gereift ist. «Die Systeme sind für die Zukunft nicht geeignet». So lautete das Fazit kurz nach der Jahrtausendwende.
Auch heute wird von einer ganzen Reihe von COO’s und Digitalisierungsverantwortlichen, aber auch generell von Geschäftsleitungsmitgliedern und Verwaltungsräten von Schweizer Banken zunehmend kritisch hinterfragt, ob unsere aktuellen Systeme, deren Kern grossmehrheitlich noch im letzten Jahrhundert entwickelt wurde, die Anforderungen der Zukunft erfüllen können. Vielen Instituten bereitet zudem die Komplexität, die sich aus der hohen Zahl von im Einsatz stehenden Anwendungen ergibt und die sich kaum noch beherrschen lässt, ernsthafte Sorgen. Anders als kurz nach der Jahrtausendwende kommt heute aber noch ein weiterer Faktor ins Spiel: Während sich damals ein Eindringen von Dritten in den Bankenmarkt Schweiz allenfalls in Form ausländischer Institute, die sich in der Zwischenzeit schon wieder weitgehend zurückgezogen haben, bemerkbar machte, machen sich heute neue Anbieter fit, um ein Stück des Kuchens im Finanzmarkt Schweiz für sich beanspruchen zu können. Sie visieren dabei gezielt einzelne Nischen an und versuchen die Kunden im Wesentlichen mit attraktiven Frontend-Lösungen, ‘best user experience’ und tiefen Kosten zu gewinnen. Dies erhöht für die bestehenden Institute den Druck, in diesen Bereichen rasch das Niveau der neuen Herausforderer zu erreichen. Die Mehrzahl der Banken wäre durchaus willens, entsprechend zu reagieren. Die begrenzten Kapazitäten der IT-Anbieter sowie die Höhe der Preise der offerierten Lösungen dürften es aber vielen Instituten verunmöglichen, den Herausforderern zeitnah und umfassend aufgerüstet entgegentreten zu können. Mit anderen Worten: Ihnen sind – zumindest ein Stück weit – die Hände gebunden.
Die Initiative des Handelns liegt bei den Mitbewerbern. Diese verfügen in der Regel über moderne technische Hilfsmittel, die es ihnen ermöglichen, rasch auf neue Kundenbedürfnisse einzugehen und neue Produkte zu lancieren. Für die etablierten Banken stellt sich deshalb die Frage, wie sie sich für die Zukunft rüsten müssen um in diesem neuen Wettbewerb erfolgreich bestehen zu können.

Flexibilität, Individualität und tiefe Kosten

Aus einer strategischen Optik ist klar, dass die Bank-IT der Zukunft dem Management die Initiative des Handelns garantieren muss. Dies bedeutet beispielsweise, dass – wie bei den Herausforderern – auf neue Kundenbedürfnisse in wenigen Wochen oder noch besser in wenigen Tagen mit neuen Produkten und Angeboten reagiert werden kann. Die IT darf nicht länger der Engpassfaktor sein. Die Anforderungen des Marktes führen zwingend zu dieser Schlussfolgerung. Wir müssen Lösungen finden und einsetzen, die es uns erlauben, auch in einer komplexen Welt schnell und agil unterwegs zu sein.

Abbildung 1: Die Entwicklung von Mobile Phones hat u.a. zu mehr Flexibilität, mehr Individualität und tieferen (Betriebs-)Kosten geführt

Oft wird seitens IT argumentiert, dass man zunächst alle Produkte standardisieren müsse. Grundsätzlich ist gegen eine Standardisierung nichts einzuwenden – zumindest dort, wo der Kunde diese nicht spürt. Denn die Welt entwickelt sich genau in die andere Richtung: Die Kunden wünschen immer mehr Individualität. Das zeigt sich nicht nur beim Handy sondern beispielsweise auch in der Vermögensverwaltung: Einzelne Kunde wünschen keine Aktien von Firmen, die Waffen oder Raucherwaren herstellen oder von solchen, welche in der Ölindustrie tätig sind. Wenn wir solche Kunden und deren Bedürfnisse ernst nehmen, dann bedeutet dies, dass wir in Zukunft Systeme brauchen, die individuelle Anforderungen automatisiert abwickeln können und die vom Bankmitarbeiter – nicht von einem IT-Spezialisten – rasch und einfach an die Wünsche der Kunden angepasst werden. Anforderungen, die von den bestehenden Systemen der Mehrzahl unserer Banken heute nicht erfüllt werden können.
Zu diesen neuen Anforderungen kommt noch die Forderung, dass die IT in Zukunft zu wesentlich günstigeren Kosten verfügbar sein muss. Denn die Herausforderer werden einen Preiskampf anzetteln, welcher die Margen der Banken weiter drücken wird. Um in diesem Preiswettbewerb als etabliertes Schweizer Retail- oder Private Banking-Institut bestehen zu können, muss die Kostenbasis schlanker werden. Die Konkurrenz arbeitet zum einen mit grossen Volumen, zum andern aber auch mit zum Teil deutlich tieferen Kosten. Da brauchen die bestehenden Institute gleich lange Spiesse.

Fazit

Um in Zukunft erfolgreich im Banking tätig sein zu können, brauchen Banken IT-Lösungen, die es ihnen ermöglichen flexibel zu agieren und auch individuelle Bedürfnisse automatisiert abzudecken. Dass dabei auch die Aspekte der Sicherheit in höchstem Mass zu gewährleisten sind, versteht sich von selbst. Die erforderlichen Technologien und erste Lösungsansätze stehen heute bereit. Bei den bestehenden Anbietern lassen sich auch gewisse Fortschritte bezüglich ‘time to market’ beobachten. Ob sich im Markt dereinst die optimierten Lösungen der bestehenden Anbieter oder ganz neue Lösungen von neuen IT-Anbietern durchsetzen werden, lässt sich jetzt noch nicht abschätzen.
Während vieler Jahre haben die meisten Banken in der Schweiz im IT-Bereich keine fundamentalen Veränderungen mehr vorgenommen, sondern mit inkrementellen Optimierungen gearbeitet. Dies unter anderem auch deshalb, weil die Alternativen fehlten oder man die Abschreibung der bestehenden Lösung und die hohen Migrationskosten gescheut hat. Es ist deshalb zu erwarten, dass wenn die Bankverantwortlichen anhand von Beispielen von Herausforderern oder ‘Early Movers’ realisieren, dass die oben skizzierten Veränderungen unumgänglich sind und eine Migration im klassischen Sinn mit den Systemen der Zukunft nicht mehr erforderlich sein wird, die Dämme brechen und eine Welle der Veränderung über die Bank-IT von Schweizer Finanzhäusern hinwegziehen wird. So wie es der Finanzplatz schon vor rund 15 Jahren erlebt hat.

Kommentare

2 Kommentare

René Stocker

26. August 2019

Mit dem Dilemma zwischen Zugzwang wie Regulierungen und Spielraum für Flexibilität kämpfen inzwischen die heutigen Standard-Anbieter wie Avaloq, Temenos, Finnova, Olympic. Dies gilt auch für die Marktleader im Swiss Banking, sowohl nach Bilanzsumme wie nach verwaltetem Vermögen. Ihre proprietären Transaktions-Maschinen haben den Lebenszyklus längst überschritten. VR, CEO, COO oder CIO mögen hoffen, den super GAU mit der Beförderung in die ewigen Jagdgründe rechtzeitig der Nachfolge zu vererben. Der ähnliche Digitalisierungsgrad von Kernbankenlösung und E-Banking (im Retail-Segment) erschwert den Wettbewerbern eine Differenzierung des Angebots mittels USP. Hier sieht der Autor die Nischen für Frontend-Lösungen von Accelerators, insbesondere mittels ‘Best User Experience’. Dies ist meist nur mit der situationsgerechten Expertenbeteiligung im personalisierten, digitalen Kundenerlebnis zu erreichen. In diesem Kontext sehe ich den ‘User’ als Employee im B2E-, den Client im B2C- sowie den Vertriebs-Partner im B2B-Umfeld auf einer interdisziplinären Digital Experience Plattform. Für die vorbereitete Kommunikation sei hier je ein Beispiel erwähnt: B2C (Clients/Customers): Bildung Expertenteam für Liquidität, Kapital/Finanzierung, Forex-Hedging, PK-Anlagen beim Wechsel des CFO eines internationalen Konzerns. B2B (Intermediaries, FIM/EAM): Direkte Aufnahme des externen Partners ins Netzwerk sowie Ermöglichung der direkten Interaktion mit seiner Klientel als unser USP für sein revolutionäres Kundenerlebnis. B2E (Employees, Intranet): Bündelung der internationalen Ressourcen mittels transparenter Vernetzung aller Projekt-Stakeholder für regulatorische Auflagen von nationalen Aufsichtsbehörden mangels tauglicher Search-Funktionen über Intranet-Telefonbuch/Linien-Organigramm. Fazit aus Sicht eines Nischenplayers wie Enterprise Know How Die direkte Interaktion über den gewünschten Kanal wird in festen oder temporären Strukturen, die mittels Sozialem Graphen visualisiert sind, mittels Navigation per Mausklick erleichtert. Agil und kundengerecht! Das Kundenerlebnis im Fokus beim Einsatz von Open Banking! Player wie Avaloq und Crealogix haben die Zeichen der Zeit erkannt und schaffen mit der Adoption der Open Banking-Philosophie die Voraussetzungen für den USP Nachholbedarf Ihrer Klientel. Die APIs dienen bei unserem Toolset nicht dem Datenexport an Dritte sondern können ohne Verlust der Datenhoheit restriktiv genutzt werden. Die Ausrichtung auf das personalisierte, digitale Kundenerlebnis ist ein Riesenschritt für das strategische Business, wenn nicht gar das Geschäftsmodell. Damit würden die angesprochenen Dämme durchbrochen und der gemeinsame Wandel von Business und IT zur Wettbewerbsfähigkeit katapultiert, mehr in meinem Blog: https://enterpriseknowhow-blog.ch/2019/08/das-digitale-kunden-erlebnis-per-open-banking-apis-interaktion-im-sozialen-graphen/

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Andreas

13. August 2019

Stimmt, Banken brauchen IT-Lösungen, die es ihnen ermöglichen flexibel zu agieren und auch individuelle Bedürfnisse automatisiert abzudecken.

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