1. April 2019

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Wieso legen Kunden ihr Geld eigentlich noch aufs Sparkonto?

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich und Brian Mattmann

Mit verschiedenen Kontoarten wollen Banken die unterschiedlichen Bedürfnisse ihrer Kunden bedienen. Während das Privatkonto auf den täglichen Gebrauch ausgerichtet ist, können auf dem Sparkonto Rücklagen mit einem längeren Horizont deponiert werden. Aufgrund der beschränkten Verfügbarkeit von Sparkapitalien erhalten Sparer von ihrer Bank in der Regel einen höheren Zinssatz. Wer also für ein Auto, die Hochzeit oder ein Eigenheim spart, deponiert sein Geld besser auf einem Sparkonto, das lohnt sich. Wirklich? Was lange richtig war, hat sich zu einem Irrglauben entwickelt. Dieser Blogbeitrag geht diesem Phänomen auf den Grund und erklärt, warum sich Sparkonten für Kunden heute kaum mehr lohnen.

In- und ausländische Bankkunden haben bei Schweizer Bankinstituten heute rund 1.8 Billionen CHF an Einlagen deponiert (siehe Abbildung 1). Davon werden rund die Hälfte der Gelder auf Sicht gehalten, das heisst auf Konten ohne Rückzugfristen (z.B. Privatkonten). Ein Drittel der Kundeneinlagen sind hingegen auf Konten deponiert, die von Banken mit Rückzugsbeschränkungen versehen sind (z.B. Sparkonten). Der Anteil dieser kündbaren Sparkapitalien hat sich über die vergangenen Jahre nur unwesentlich verändert.

Abbildung 1: Kundeneinlagen bei Schweizer Banken (per Dezember 2018, in Klammern Betrag in Mrd. CHF, Quelle: SNB Datenportal)

Neue Liquiditätsvorschriften führen zu strengeren Rückzugsbeschränkungen

Es stellt sich die Frage, welchen Anreiz Kunden eigentlich haben, ihre Gelder nicht auf Sicht, sondern auf Konten mit Rückzugsbeschränkungen zu deponieren. Konkret interessiert die Frage, wie gross der Zinsvorteil von Sparkonten heute eigentlich noch ist und welchen Rückzugsfristen Kunden im Gegenzug ausgesetzt sind. Die Fragen sind relevant, denn die Banken sind durch die Einführung der Liquidity Coverage Ratio (LCR) und der baldigen Einführung der Net Stable Funding Ratio (NSFR) verschärften Liquiditätsvorschriften ausgesetzt. Um die Auswirkungen dieser neuen Liquiditätsvorgaben auf Schweizer Retail Banken vertieft zu analysieren, haben wir am IFZ 2016 ein Forschungsprojekt lanciert, das vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstützt wird. Das Ziel ist es, die Auswirkungen der neuen quantitativen Liquiditätsvorschriften auf die Bilanzstruktur, die Rentabilität und die Produktpalette der Schweizer Retail Banken zu untersuchen.
Ein wesentliches Steuerungsinstrument in den heutigen Liquiditätsvorschriften ist die 2015 eingeführte LCR. Die Kennzahl misst die Widerstandsfähigkeit einer Bank bei kurzfristigen Abflüssen von Kundeneinlagen. Der Mindeststandard hat zum Zweck, dass Banken über ausreichend sichere und liquide Aktiva (sog. High Quality Liquid Assets, HQLA) verfügen, um den Liquiditätsbedarf ihrer Kunden in einem Stressszenario während 30 Tagen jederzeit decken zu können. Banken müssen also für Konten, bei denen Kunden innerhalb von 30 Tagen ihre Einlagen ohne Kündigungsfrist abziehen können, Liquiditätsreserven halten. Führen Banken hingegen Kündigungsfristen von mindestens 31 Tagen bei ihren Konten ein und setzen die gesetzlich verlangte Nichtkündigungskommission (NKK) von mindestens 2 Prozent bei Nichteinhaltung der Frist durch, so können diese Liquiditätshaltungskosten reduziert werden.

Welche Schweizer Banken haben derzeit welche Rückzugsbedingungen?

Im Zusammenhang mit dem genannten SNF-Projekt haben wir analysiert, wie 64 Schweizer Retail Banken bisher ihre Kontobedingungen angepasst haben, um mit den Mindestvorgaben der LCR kompatibel zu sein. Dazu haben wir unter anderem auch die Rückzugsbedingungen von Privat- und Sparkonten untersucht. Wir können folgende erste Resultate präsentieren:

Sparkonten:

  • 67 Prozent der untersuchten Banken (= 43 Institute) verfügen heute über LCR-konforme Sparkonten. Bei 86 Prozent dieser Sparkonten können Kunden nur noch 30’000 CHF oder weniger innerhalb von 30 Tagen abheben. Für grössere Beträge haben 74 Prozent der Banken eine Kündigungsfrist von 3 Monaten definiert. Sämtliche dieser Banken haben die gesetzlich festgeschriebene NKK von 2 Prozent eingeführt.
  • Etwas überraschend verfügen hingegen 33 Prozent der Banken (=21 Banken) heute noch nicht über LCR-konforme Sparkonten. Obschon mit einer Ausnahme sämtliche Institute maximale Bezugslimiten definiert haben, sind die Kündigungsfristen entweder kürzer als 31 Tage oder die NKK liegt unterhalb der gesetzlich festgeschriebenen 2 Prozent. Lediglich bei einem Institut können die Sparkapitalien jederzeit und ohne Kündigungsfrist abgehoben werden.

Anders sieht das Bild (noch) bei den Privatkonten aus:

  • 92 Prozent der Banken (=58 Institute) haben Privatkonten, die nicht LCR-konform sind und über sehr lockere bis keine Rückzugslimiten verfügen. 35 Banken habe keine Rückzugskonditionen definiert, 23 Banken definieren zwar Rückzugslimiten und Kündigungsfristen, diese sind allerdings nicht LCR-konform.
  • 8 Prozent der Banken (=5 Institute) verfügen hingegen auch bei ihren Privatkonten über LCR-konforme Rückzugskonditionen. Die Rückzugslimiten variieren hier aber zwischen CHF 100’000 bis CHF 750’000 und die Kündigungsfristen liegen zwischen 31 Tagen bis 3 Monaten.

Gibt es eine Zinsprämie auf Sparkonten für den Flexibilitätsverlust?

Wir können also feststellen, dass die untersuchten Banken ihre Rückzugskonditionen vor allem bei den Sparkonten verschärft haben. Beim Grossteil der Konten können Kunden nur noch maximal 30’000 CHF oder weniger sofort beziehen. Der Bezug von grösseren Beträgen unterliegt bei der Mehrheit der Banken einer Kündigungsfrist von 3 Monaten. Wird die Kündigungsdauer nicht eingehalten, kommt die NKK von 2 Prozent zum Tragen. Bei den Privatkonten hingegen können bei einer Mehrheit der untersuchten Banken Einlagen auf Privatkonten nach wie vor jederzeit und in grosser Höhe bezogen werden. Entsprechend könnte man erwarten, dass die Kunden für diesen Flexibilitätsverlust in Form eines (deutlich) höheren Zinssatzes auf Sparkonten entschädigt werden.
Ist das aber wirklich so?
Unsere Untersuchungen zeigen, dass die Zinsdifferenz zwischen Spar- und Privatkonten bei Schweizer Banken derzeit auf einem Tiefpunkt von 0.038 Prozent – oder 3.8 Basispunkten – angelangt ist (siehe Abbildung 2). Diese Zinsdifferenz hatte Ende 2008 noch 70 Basispunkte betragen. Damals hatten Kunden noch einen deutlich grösseren finanziellen Anreiz, ihr Kapital nicht auf dem Privatkonto zu deponieren, sondern es aus Zinsgründen auf das Sparkonto zu transferieren. Obwohl die Zinsdifferenz also immer kleiner geworden ist – und heute praktisch Null ist – haben die Kunden darauf noch nicht reagiert.

Abbildung 2: Zinsdifferenz zwischen Spar- und Privatkonten bei Schweizer Banken (per Dezember 2018, Mittelwert, Privatkonten = Privatkonten ohne Rückzugsbeschränkungen, Quelle: SNB Datenportal)

Abbildung 3 visualisiert die Zinsdifferenz zwischen Privat- und Sparkonten bei den von uns untersuchten 64 Schweizer Retail Banken per 31. Januar 2019 auf Einzelinstituts-Ebene. Ausgehend von einem Sparbetrag von CHF 100’000, errechnen wir einen durchschnittlichen Zinsunterschied zwischen Privat- und Sparkonten von 3.6 Basispunkten (=0.036 Prozent). Auf einen Sparbetrag von CHF 100’000 sind das umgerechnet 36 Franken pro Jahr.

Abbildung 3: Zinsdifferenz zwischen Privat- und Sparkonto (in Basispunkten, Sparbetrag = CHF 100’000, per 30.01.2019, Quelle: IFZ

Fazit

Die Zinsdifferenz zwischen Privat- und Sparkonten bei den von uns untersuchten 64 Schweizer Retail Banken ist vernachlässigbar. Mit Ausnahme der Alternativen Bank Schweiz – sie stellt mit 25 Basispunkten einen Ausreisser dar – liegen sämtliche Zinsdifferenzen zwischen den beiden Kontoarten zwischen 0 und 5 Basispunkten. Dies ist aus Bankensicht und in Anbetracht der derzeitigen Zinssituation nachvollziehbar. Der finanzielle Anreiz, Einlagen auf ein Sparkonto zu verschieben, anstelle es auf dem Privatkonto zu belassen, sind für Kunden dadurch aber verschwindend klein geworden. In Anbetracht der verschärften Rückzugskonditionen und der nur sehr geringen Entschädigung für den Flexibilitätsverlust müsste man entsprechend den Kunden empfehlen, ihr Geld auf das Privatkonto umzuschichten.
Wieso haben Bankkunden ihre Sparkapitalien aber bislang noch nicht umgeschichtet? Eine Erklärung könnte sein, dass viele Bankkunden noch die Vorteile von Sparkonten aus der Vergangenheit in Erinnerung haben und sich der neuen Zinssituation und vor allem der neuen Rückzugsbedingungen noch zu wenig bewusst sind. Eine zweite Erklärung könnte sein, dass die meisten Kunden monatliche Rückzüge in der Höhe von CHF 30’000 als ausreichend betrachten. Egal, von welcher Seite man es betrachtet: Die eingeschränkte Flexibilität wird derzeit mit durchschnittlich CHF 36 pro Jahr (bei Spargeldern von CHF 100’000) aber sicherlich nur unzureichend entschädigt.

Kommentare

2 Kommentare

Rainer

2. April 2019

In den meisten Fällen sind Sparkonti (zusätzlich zur geringfügig besseren Verzinsung) noch immer gratis, bei den Privatkonti muss man oftmals Konto- und/oder Transaktionsgebühren bezahlen. Und die Kontokorrent ohne Rückzugseinschränkung kosten oftmals noch etwas mehr als die Privatkonti mit Rückzugseinschränkungen. Abzuschätzen, ob die geringe Zinsdifferenz (CHF Vorteil) die Rückzugseinschränkung (abstrakter/theoretischer Vorteil) wert ist, ist schwierig und hängt von der individuellen Situation ab; oftmals gilt wohl auch das Gesetz der Trägheit. Zudem ist der hohe Anteil an Sparkonti mit der aktuellen Zinsdifferenz für die Banken ok: die Verkaufseinheiten der Banken versuchen derzeit eher, die Sparer zum Wertschriftenkauf zu überzeugen als zum Transfer auf ein Privatkonto. Ebenfalls werden Kunden nicht vorgängig aktiv über Zinssenkungen informiert.

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Peter

1. April 2019

Interessanter Artikel. Ich habe noch zwei Sparkonten. In beiden Fällen zwingt mich die jeweilige Bank dazu. Für die Hypothek muss ich ein Verrechnungskonto unterhalten, bei der NAB. Kein bemerkbarer Zins, Rückzugslimit 25 000. Von dort werden die Hypothekenzinsen abgebucht, deshalb unterhalte ich dorthin einen Dauerauftrag vom Privatkonto. Für mich macht das keinen Sinn und es ist nur ein weiterer unnützer Eintrag in der Steuererklärung. Ähnlich läuft es bei einer deutschen Bank, ebenfalls in Verbindung mit einem Darlehen.

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