3. Oktober 2016

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Wie Banken ihren Kunden Intelligenz zur Verfügung stellen

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich und Christoph Duss

Der Bereich Business Analytics hat derzeit im Rahmen der Digitalisierung im Bankenbereich (noch) nicht die Bedeutung, die er eigentlich haben könnte. Die (bislang erst) wenigen spannenden Projekte, welche Banken betreiben, haben derzeit vor allem zum Ziel, mithilfe der „Predictive Analysis“ zu eruieren, wie sich Kunden möglicherweise weiterentwickeln und welche Produkte man welchen Kunden verkaufen könnte („Recommender System“). Im heutigen Blog hingegen beleuchten wir zwei Use Cases im Bereich der Analytics, die aufzeigen, wie Banken ihren Kunden analytische Intelligenz zur Verfügung stellen.

Peervergleiche in PFM- und BFM-Applikationen

Personal Finance Management (PFM) entwickelt sich je länger je mehr zu einem „Hygienefaktor“ im Schweizer Banking. In der Zwischenzeit bieten schon einige Banken entsprechende Tools an, die aus Kundensicht helfen, die Kontobewegungen zu visualisieren sowie seine Finanzen transparent(er) darzustellen und besser zu organisieren. Bis anhin ist PFM bei allen Schweizer Banken aber noch ein relativ „statisches“ Instrument, das vor allem hilft, seine eigenen Ein- und Ausgaben zu klassifizieren. Weitere Möglichkeiten im Bereich des Cross-/Upselling-Potenzials oder auch der Vergleich mit Peer Groups wurden von den Banken hierzulande noch nicht genutzt. Es ist aber absehbar, dass sich PFM weiterentwickelt und in einer zweiten Welle bald weitere Funktionalitäten dazukommen.
Im Ausland kann man beobachten, dass Anbieter von PFM-Applikationen vermehrt auf Business Analytics zurückgreifen, um ihren Nutzern zusätzliche Funktionen zu bieten. So ist es beispielsweise möglich, mithilfe der Resultate aus Business Analytics sein eigenes Ausgabeverhalten mit anderen Nutzern zu vergleichen.
Die white-label PFM-Lösung von Strands Finance (welche u.a. auch für die Programmierung des E-Cockpits der PostFinance zuständig waren) bietet beispielsweise bereits eine solche Vergleichsfunktion, wo der Benutzer seine Ausgaben mit einer von ihm definierten Peergruppe (z.B. bzgl. Alter, Geschlecht, Stadt) vergleichen kann. Eine der ersten Banken, die diese Vergleichsfunktion eingeführt hat, ist die kanadische Bank of Montreal. In ihrer PFM-Applikation BMO MoneyLogic können Benutzer ihre Ausgaben und Einnahmen mit einer Community vergleichen (siehe Demo-Video). Neben der Grundgesamtheit kann die Community auch anhand verschiedener Merkmale unterteilt werden (z.B. Alter, Anzahl Kinder, Provinz, Bildungsgrad, Arbeitsverhältnis, etc.).

Abbildung 1: Screenshot der Vergleichsfunktion innerhalb der PFM-Applikation „BMO MoneyLogic“

Auch in der Schweiz werden offenbar bald erste entsprechende Lösungen getestet. Gemäss Gian Reto à Porta, CEO von Contovista, sei man derzeit gemeinsam mit einer Schweizer Bank daran eine Lösung zu entwickeln, in welcher Kunden sich bei Sparzielen auch mit einer Peer Group vergleichen können. Umfragen bei Kunden hätten aber insgesamt ergeben, dass das Bedürfnis nach einem Vergleich mit einer Peer Group hierzulande nicht sonderlich hoch sei. Nils Reimelt, CMO von Qontis, hingegen ist der Überzeugung, dass das Konzept der Peer Groups auch in der Schweiz auf Interesse stossen werde. Beispielsweise könnten Kunden schauen, ob und wieviel teurer das Leben nach einem Wohnortswechsel von Zürich nach Bern ist, indem Daten innerhalb der Peer Group (mit unterschiedlichen Wohnsitzen) beigezogen und verglichen werden (Krankenkasse, Restaurant, Miete, Steuern, etc. haben jeweils einen unterschiedlichen Einfluss auf das Resultat). Ebenso könne es für Studenten interessant zu sein, zu sehen, wie andere gleichgesinnte ihr Geld ausgeben und wo es noch Optimierungspotenzial gibt. Auch Qontis plant zurzeit gemeinsam mit einer Bank, ein entsprechendes Angebot zu lancieren. Bevor man aber entsprechende Analysen machen könne, müssen zuerst genügend Daten (Grössenordnung: Daten von 50‘000-60‘000 Kunden) gesammelt werden. Spätestens bis Ende 2017 sollte aber ein entsprechendes Angebot live sein.

Spannend könnte ein Peer-Vergleich auch für Firmenkunden sein. Ein Peer Group Vergleich via PFM für Firmenkunden (also ein „BFM“) hat hier aus unserer Sicht ein grosses Potenzial. Kann sich ein KMU mit anderen Firmen einer Peer Group (Peer bspw. nach Anzahl Mitarbeitende und Branche gewählt) vergleichen, kann dies durchaus spannende Zusatzerkenntnisse generieren (z.B. bzgl. Liquidität, Umsatz, etc.). Mit diesem Thema beschäftigt sich derzeit vor allem Contovista.

Analytics für Firmenkunden – das Anwendungsbeispiel „Daily IQ“

Mit Daily IQ hat die australische Commonwealth Bank eine iPad-App entwickelt, die es ihren Firmenkunden ermöglicht, ihre täglichen bargeldlosen Transaktionen am Verkaufspunkt detailliert zu analysieren. Basierend auf diesen Auswertungen und weiteren zur Verfügung gestellten Daten können anschliessend entsprechende Massnahmen zur Verbesserung des (Transaktions-) Geschäfts getroffen werden.
Daily IQ steht allen CommBiz Firmenkunden kostenlos zur Verfügung. Sie brauchen lediglich die App herunterzuladen und können sich anschliessend mit ihren bestehenden Login-Informationen anmelden. Zielkunden sind insbesondere KMU mit einem Umsatz von AUD 5-100 Millionen. Firmen dieser Grösse verfügen zwar über eine ausreichend grosse Anzahl Transaktionen, führen aber in der Regel noch keine sophistizierten Analysen dieser Transaktionen durch.
Grundsätzlich bietet Daily IQ seinen Nutzern vier miteinander verbundene Funktionen an:

Tabelle 1: Vier Funktionen von Daily IQ

Mit diesen vier Funktionen kann der Benutzer einerseits das Kundenverhalten und deren Merkmale analysieren (Customer Insights), andererseits ist es ihm möglich, auf einer nächsthöheren Stufe aggregierte Statistiken über alle Transaktionen zu studieren (Merchant Insights). Mit dem Cash Flow Tracker und dem Working Capital Calculator werden zudem zwei Tools zur Verfügung gestellt, mit welchen der aggregierte Einfluss auf die Geldflüsse des Unternehmens untersucht werden kann.
Die Daten in Daily IQ werden auf Tagesbasis aktualisiert, damit dem Benutzer stets die aktuellsten Analysen zur Verfügung stehen. Basierend auf diesen Daten können spannende und zuvor nur schwer herzuleitende Statistiken analysiert werden. Eine Auswahl aller verfügbaren Informationen wird in der folgenden Tabelle gezeigt:

Tabelle 2: Ausgewählte Informationen in Daily IQ

Gemäss CommBank werden insbesondere die beiden Funktionen Customer Insights und Merchant Insights am häufigsten verwendet. Mithilfe der daraus gewonnen Erkenntnisse konnten z.B. massgeschneiderte Marketing-Kampagnen lanciert werden.

Abbildung 2: Screenshots der vier Funktionen von Daily IQ

Mit Daily IQ bietet die Commonwealth Bank ihren Firmenkunden eine sehr innovative und nützliche Business Analytics App. Kunden können durch diese App durchaus „verblüfft“ und „begeistert“ werden. Die Resultate aus den Analysen ermöglichen ihnen, neue Erkenntnisse im Kundenverhalten zu erlangen und entsprechende Massnahmen zu ergreifen. Um sinnvolle Analysen generieren zu können braucht es jedoch eine ausreichend grosse Anzahl Transaktionen.
Eine solche App wäre mit Sicherheit auch für KMUs in der Schweiz interessant. Unseres Wissens existiert noch kein vergleichbares Angebot, welches mit seinen Analysen automatisch auf den Bankdaten des Benutzers aufsetzt. Als Anbieter hier würden vor allem die SIX Group oder die Aduno-Gruppe in Frage kommen.

In diesem Video der CommBank wird Daily IQ kurz vorgestellt (sehr empfehlenswert).

Fazit

Der Bereich Analytics hat in der Schweiz derzeit erst eine geringe Bedeutung. Entwicklungen im Ausland – und vor allem auch Entwicklungen in anderen Branchen – zeigen aber auf, dass dieses Feld in den nächsten Jahren stark an Bedeutung gewinnen wird. Ein Anwendungsfall im Bereich Analytics ist die Zurverfügungstellung von Informationen für die Kunden. Wie oben aufgezeigt, können dies spannende „added Value“-Services sein, welche sich nicht zuletzt positiv auf die Kundenbindung auswirken können.

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