8. Juli 2016

Bankstrategie,

Digitalisierung,

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Kundenorientierung,

Prozessmanagement

Die Digitale Anlageberatung der Graubündner Kantonalbank im Test

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich und Prof. Dr. Thomas Ankenbrand

Seit heute bietet die Graubündner Kantonalbank (GKB) eine digitale Anlageberatung an. Damit möchte sich die Bank stärker als Anlagebank positionieren. Dies wird durch ein verbessertes Kundenerlebnis und eine höhere Prozesseffektivität erreicht. Wir haben das Angebot bei der GKB vorgängig in Chur gesehen und möchten nachfolgend aufzeigen, warum wir das Angebot für gelungen und richtungsweisend halten. Gleichzeitig erläutern wir auch, worüber wir uns (noch) wundern.

Die Graubündner Kantonalbank ist eine gut aufgestellte Universalbank, die auch in unserer jährlich publizierten IFZ Retail Banking-Studie regelmässig auf den vordersten Rängen landet. Auch im Anlagegeschäft verfügt sie über eine gewisse kritische Grösse. Von den rund CHF 27.4 Mrd. Kundenvermögen sind CHF 12.9 Mrd. ausserhalb der Bilanz angelegt.

Sämtliche Kundenberater werden zukünftig ihre Anlagekunden mit einem strukturierten, Tablet-gestützten Anlageprozess beraten. Wie wir im Rahmen der gemeinsam mit der Swisscom publizierten Studie „Digitales Anlegen“ erwähnt hatten, erachten wir das Geschäftsmodell des digitalen Anlegens als vielversprechend respektive zukunftsträchtig. Zurzeit verfolgen nur wenige Anbieter wie zum Beispiel die UBS, das VZ oder die Baloise Bank SoBa dieses Geschäftsmodell. Seit heute bietet nun auch die Graubündner Kantonalbank eine digitale Anlageberatung an. In einem ersten Schritt wird das Tool nur für Privatpersonen verwendet. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass man diese Lösung zu einem späteren Zeitpunkt und in einer angepassten Version auch den institutionellen Kunden zur Verfügung stellt.

So funktioniert‘s

In einem ersten Schritt wird anhand von verschiedenen Fragen ein Risikoprofil erstellt. Basierend darauf wird in Kombination mit der Anlagestrategie der GKB und den individuellen Bedürfnissen des Kunden in Echtzeit ein effizientes Portfolio berechnet. Mittels verschiedener Simulationen wird visuell aufgezeigt, wie sich das Portfolio im Stressfall entwickeln könnte und wie lange es dauert, bis man den daraus resultierenden Verlust wieder aufgeholt hätte. Damit versucht man zu überprüfen bzw. aufzuzeigen, ob der Risikoappetit der tatsächlichen Risikotoleranz des Kunden entspricht.

AnalyseAnlagestrategien
Abbildung 1: Printscreen Analyse Anlageübersicht

Der Kunde kann seine individuellen Präferenzen in verschiedenen Dimensionen eingeben und sieht direkt den Einfluss auf das Risiko/Rendite-Profil seines Portfolios. Er kann unter anderem bestimmen, welche Produkte oder Märkte man meiden möchte (z.B. Anlagefonds maximal 10%, keine nordamerikanischen Aktien, etc.). Ebenso kann man auch gewisse Titel im Depot lassen, welche nicht direkt von der GKB empfohlen wurden. Die von swissQuant entwickelte GKB-Maschine berechnet auch unter Berücksichtigung solcher Restriktionen, mit welchen Kombinationen der Kunde auf ein effizientes Portfolio kommt.

Abbildung 2: Mögliche Anpassungen der Kundenpräferenzen im Überblick (Printscreens)

In einem nächsten Schritt wird das aktuelle Portfolio mit dem Zielportfolio verglichen und die entsprechenden Verkaufs- und Kaufaufträge generiert. Diese werden nach der Bestätigung durch den Kunden elektronisch ins Order Routing System der GKB übermittelt. Selbstverständlich wird das Portfolio nachher laufend überwacht. Über Nacht werden alle Portfolios einem sogenannten Health Check unterzogen (u.a. Einhaltung Risikobandbreite gem. Risikoprofilierung; Einhaltung der Anlageklassen Bandbreiten gem. Risikoprofilierung; Einhaltung Branchenbandbreiten; Einhaltung minimales Bondrating).
Mit der digitalen Anlageberatung wurde gleichzeitig das GKB Beratungs-Mandat geschaffen. Es ist zwischen der reinen Depotlösung und dem klassischen Verwaltungsmandat angesiedelt. Dank der All-in-Fee sind Interessenkonflikte durch häufige Portfolioanpassungen nicht gegeben. Die Kosten betragen für das Angebot zwischen 0.75-0.85% des Anlagevolumens – ein aus unserer Sicht faires Angebot. Die Mindestsumme liegt bei ca. CHF 150‘000.

Was uns gefällt

Die Lösung hat mehrere positive Elemente, wie zum Beispiel:

  • Durchgängige Prozessunterstützung: Sie ergibt eine hohe Effizienz bei minimierten Beratungsrisiken. Der Prozess ist fast bis zum Schluss digital durchgängig. Einzig unschön ist, dass das finale Dokument nochmals ausgedruckt werden muss, damit der Kunde unterschreiben kann. Schöner wäre es natürlich, wenn der Kunde zumindest die Möglichkeit hätte, die Signatur auch digital anzubringen (das würde zudem auch den Prozess der GKB noch einmal verschlanken). Es laufen hier gemäss Daniel Fust, Mitglied der Geschäftsleitung der GKB, weitere Bestrebungen, die in diese Richtung zielen.
  • Individualität: Grosser Bonuspunkt ist aus unserer Sicht die Möglichkeit der Eingabe der Kundenpräferenzen. Damit fühlt sich der Kunde ernst genommen. Der Berater kann nach wie vor individuell beraten und muss nicht nur Standardportfolios verkaufen.
  • Geschwindigkeit/Live-Berechnung: Neben der Berücksichtigung von individuellen Präferenzen finden wir auch die schnelle Live-Berechnung des Portfolios gut. Der Kunde kann seine Wünsche und Anpassungen während des Beratungsgesprächs anbringen wobei die Maschine live und in kurzer Zeit das neue optimale Portfolio berechnet. Durch die visuell verständliche Darstellung der Portfolios kann hierbei eine hohe Interaktion erreicht werden.

Fazit

Die Lösung der Graubündner Kantonalbank gefällt uns sehr gut und wir erachten sie gerade für eine Kantonalbank dieser Grösse als einen sehr sinnvollen Weg im Bereich der Digitalisierung im Anlagegeschäft. Toll finden wir die Möglichkeit, dass man als Kunde sein Portfolio individuell zusammenstellen kann und die Auswirkungen sofort live berechnet und dargestellt werden, was zu einem guten und interaktiven Kundenerlebnis beiträgt. Ebenso kann man sich mit einem solchen Projekt respektive Produkt nicht nur als innovativ positionieren, sondern auch die regulatorischen Aufwände reduzieren, beziehungsweise durch den Prozess standardisieren. Insofern sieht die Graubündner Kantonalbank durch dieses Projekt das Potenzial, die Prozesseffizienz zu erhöhen und somit den Ertrag zu optimieren. Der Business Case könnte entsprechend durchaus erfolgreich sein. Widerstände seitens der Kundenberater sind bei dieser Lösung gemäss den Aussagen der GKB kein grosses Thema, da die Berater nicht obsolet, sondern unterstützt werden und die individuelle Beratung kompetenter wird.

Verbesserungspotenzial sehen wir noch im Bereich der Risikoprofilerstellung. Der Ansatz der GKB ist sehr ähnlich wie diejenigen anderer Banken. Ein stärker wissenschaftlich fundierter Ansatz zur Beurteilung der Risikotoleranz und des Finanzwissens würden wir aber als zielführender betrachten. Des Weiteren werden derzeit die Informationen und Simulationen den Kunden noch nicht online zur Verfügung gestellt. Dies wird aber gemäss Daniel Fust, Leiter Marktleistungen der GKB, später erfolgen.
Worüber wir uns noch wundern ist vor allem, wieso nicht schon (fast) alle Banken eine solche Lösung im Einsatz haben. Aus unserer Sicht sollte eine solche Lösung eigentlich schon heute „Standard“ und nicht „Innovation“ sein.

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