19. Oktober 2015

Bankregulierung,

Hypothekargeschäft

Zinsrisiken – noch immer ein Buch mit sieben Siegeln

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Zinsrisiken im Bankbuch werden (gelegentlich) publiziert, aber sagen den Lesern wenig, wenn diese die zugrundeliegenden Annahmen nicht kennen. Es fehlt ein standardisiertes Reporting-Format und die Offenlegung der wichtigsten Modellannahmen.

Seit einigen Jahren warnt die SNB vor negativen Auswirkungen im Falle steigender Zinsen auf die künftigen Erträge der Banken. Der letzte grosse Zinsanstieg fand in den Neunzigerjahren statt. Das ist zugegebenermassen lange her. Vielleicht gerade deshalb warnt die SNB heute so nachdrücklich davor. Die gute Nachricht: Die Bankmanager wissen um die Bedeutung dieser Risiken. Sie haben über Jahre Verfahren und Prozesse entwickelt. Positionierungsentscheide werden ernst genommen im Rahmen strategischer Prozesse bestimmt.

Einige Banken publizieren Daten zu diesen Zinsrisiken, welche in ihren Bilanzen (ausserhalb der Handelsbücher) schlummern. Beispiele derartiger rapportierter Zinspositionen per Ende 2014: Die Raiffeisengruppe war etwa mit einer Sensitivität von +11% des Eigenmittelwertes positioniert, die Zürcher Kantonalbank mit +4% etwas geringer, während die Aargauer Kantonalbank mit -2.5% positioniert war. CSG und UBS hatten Positionen von -0.9% und -0.1%. Ein Grund für die relative Zurückhaltung der Grossbanken dürfte sein, dass die Marktliquidität für mögliche Absicherungsgeschäfte relativ zur Grösse ihrer Bilanzen stets beschränkt ist. Die obigen Zinspositionen sind übrigens definiert als der mögliche Eigenkapitalverlust bei einem Zinsanstieg von +1%. Die Banken sind nicht verpflichtet, derartige Zahlen in einem einheitlichen Format zu publizieren.

Es wäre interessant, könnten Investoren und Öffentlichkeit die Zinsrisiken aller Banken eingehender miteinander vergleichen. Leider sind die ausgewiesenen Zahlen aber individuell modelliert. So hängen die Berechnungen etwa davon ab, wie die Banken einschätzen, wie ihre Kunden auf signifikant steigende Zinsen konkret reagieren würden. Diese möglichen Reaktionen schätzt jede Bank etwas anders ein. Vielfach scheinen diese Annahmen als Betriebsgeheimnis angesehen zu werden. In der Folge können Kunden, Eigentümer und Steuerzahler mit den ermittelten Zahlen wenig anfangen. Selbst die Eigentümer, welche letztlich die Zinsänderungsrisiken tragen, können sie mangels Vergleichbarkeit mit anderen Banken kaum einordnen.

Immerhin: Die Aufsichtsbehörden FINMA und SNB erhalten Einblick in die Zahlen und Modelle. Grundlage ist das Rundschreiben Zinsrisiko 99/1 mit entsprechendem Meldeformular. Die FINMA kann, sollte sie extreme Positionen oder Annahmen feststellen, direkt Einfluss auf die jeweilige Bank nehmen. Die SNB, welche die Modellannahmen der Banken ebenfalls kennt, verweist in ihrem Stabilitätsbericht auf einhergehende Modellrisiken. Auch schon bemängelte sie überoptimistische Annahmen der Banken. Dieser Punkt ist brisant: Denn in den letzten Jahren baute sich in den Bankbilanzen ein enormes Ungleichgewicht auf: Kurzfristige Sichtgelder finanzieren das Wachstum der Hypotheken. Es wäre darum wertvoll, mehr darüber zu erfahren, wie die Banken mit diesem Überhang an Sichtgeldern umgehen. Dass diese nur einem Kreis von Insidern bekannt sind, ist schade. Am Ende unterbleibt die disziplinierende Wirkung des Marktes.

Was wäre zu tun? Die FINMA passt derzeit die Offenlegungspflichten von Banken an die internationalen Normen nach dem Basel-III-Regelwerk an. Das ist eine gute Gelegenheit, etwas Licht auf diese Dunkelkiste von Risiken zu werfen. Immerhin gelten Bankbuchrisiken neben den Kreditrisiken als zweitwichtigste Risikokategorie. Leider ist bereits die Vorgabe der BIZ bezüglich Zinsrisiken im Bankenbuch sehr rudimentär. Es scheint, dass die BIZ diese Risikokategorie etwas unterschätzt. Die FINMA dürfte aber weiter gehen. Sie hätte die Gelegenheit, die Banken anzuhalten, mehr Informationen – welche bereits ermittelt werden – offenzulegen. Es ist zu hoffen, dass hier ein entsprechender Gesinnungswandel stattfinden wird. (Eine Parallele: Vor Jahren waren verwaltete Vermögen und darauf verdiente Margen bestgehütete Geheimnisse, inzwischen werden sie ohne Zögern präsentiert).

Die Abteilung Banking, Finance, Insurance der ZHAW und das Institut für Finanzdienstleistungen der HSLU haben je Vorschläge eingereicht, wie eine verbesserte Offenlegung aussehen könnte. Mehr dazu finden Sie hier und hier.

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