21. September 2015

Digitalisierung,

Konsumkredit

Die Valora Gruppe möchte den Konsumkreditmarkt aufmischen

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich

Die meisten Marktteilnehmer bezeichnen den Konsumkreditmarkt als gesättigt. Interessant ist vor diesem Hintergrund der Einstieg der Valora Gruppe, welche in Zusammenarbeit mit der Glarner Kantonalbank mit dem Online Kredit bob money in diesen Markt eindringen möchte. Im nachfolgenden Blogartikel zeige ich die wichtigsten Merkmale dieses neuen Players auf.

Das Unternehmen

Die Valora Gruppe hat im April 2015 die Valora Labs gegründet, um ihre Ambitionen im Bereich digitaler Dienstleistungen und Produkte weiter zu forcieren. Das erste Resultat dieser Strategie war die Gründung der bob Finance AG, welche neue Online Financial Services im Schweizer Markt anbietet. Das Start-up ist eine 100%-ige Tochtergesellschaft der Valora Gruppe und hat derzeit 15 Mitarbeiter. Die bob Finance wurde nicht zuletzt vor dem Hintergrund gegründet, dass die bereits von der Valora Gruppe angebotenen Finanzdienstleistungen, wie die im Jahr 2011 lancierte Geldtransfer-Service MoneyGram oder auch Prepaid-Kreditkarten, offenbar ein Bedürfnis von Kiosk-Besuchern decken. Mit dem Produkt bob money wurde nun in einem ersten Schritt auch ein Angebot im Konsumkreditmarkt lanciert.

Stärken des Modells:

Valora-Kioske haben über 900‘000 Kundenkontakte pro Tag. Das dichte Kiosknetz bietet natürlich eine hervorragende Ausgangslage, um auf das neue Angebot aufmerksam zu machen. Die rund 1’000 Verkaufsstellen in der ganzen Schweiz nutzt Valora aber nicht als Vertriebs-, sondern nur als Marketingkanal. Neben der Vermarktung am Kiosk wird das neue Angebot ausschliesslich online vermarktet.

Da bob Finance auf ein Filialnetz verzichtet und die Prozesse (z.B. Bonitäts- und Adressprüfung) weitgehend automatisiert sind, sollten auch die Preise sehr tief sein. Tatsächlich schlagen sich mögliche Effizienzvorteile gegenüber der Konkurrenz in ziemlich günstigen Zinskonditionen nieder. Der fixe Jahreszins liegt derzeit bei 8.9 Prozent. Es gibt aber auch Anbieter die für Kreditnehmer mit guten Ratings deutlich bessere Zinssätze anbieten.

Aus Kundensicht ist positiv, dass man umgehend einen verbindlichen Kreditentscheid erhält (zudem ist der Zinssatz ja bereits definiert, da alle Kreditnehmer 8.9 Prozent bezahlen). Dieser Entscheid gilt natürlich nur dann, wenn die im Nachhinein eingereichten Dokumente auch den angegebenen Informationen entsprechen. Diese schnelle Zusage ist aber sicherlich eine der Stärken des Modells.

bob money hat auch eine gute mobile Lösung. Derzeit werden in etwa 30% der Anfragen über mobile Geräte eingereicht, während 70% über den Desktop laufen. Die bob Finance bietet auch persönliche Beratung an. Das Customer Service Center unterstützt den Kunden bei der Auftragserfassung oder steht bei Fragen oder Unklarheiten dem Kunden zur Seite.ney

Als Refinanzierungspartner für die Kredite konnte man die Glarner Kantonalbank gewinnen. Die Kosten der Kreditausfälle werden entsprechend wohl zwischen der Glarner Kantonalbank und der Valora Gruppe anhand eines bestimmten Schlüssels aufgeteilt. Wichtig zu wissen ist auch, dass bob Finance im Gegensatz zu Aussagen in einigen Medienberichten keine Banklizenz braucht und die Glarner Kantonalbank daher in erster Linie als Refinanzierungspartner und nicht als „Lizenzgeber“ benötigt wird.

Offene Fragen

  • bob Finance verlangt von allen Kreditnehmern, unabhängig von deren Bonität, einen fixen Zinssatz von 8.9 Prozent. Dies ist zwar einfach und transparent. Auf der anderen Seite widerspricht es dem in der Finanzwelt üblichen Ansatz des risikoadjustierten Pricings. Andere Marktteilnehmer, wie zum Beispiel die BANK-now, klassifizieren ihre Kreditnehmer in mehrere Risikokategorien und verlangen daher abhängig von der Ratingklasse stark variierende Zinssätze zwischen 4.5 Prozent und 13.9 Prozent. Gemäss der Finanzmarkt-Theorie besteht bei einem Preismodell wie es die bob Finance praktiziert die Gefahr von Adverse Selection. Gemäss dieser Theorie würden nur diejenigen Kunden bei bob Finance einen Kredit aufnehmen, welche tendenziell ein schlechtes Rating haben und daher von diesem Angebot profitieren. Die guten Schuldner würden dagegen zu Anbietern mit einem risikoadjustierten Pricing gehen, weil sie da einen tieferen Zinssatz entrichten müssen. Verliert man aber die guten Risiken, ist der Durchschnittszinssatz von 8.9 Prozent zu tief, und man müsste den Zinssatz entsprechend erhöhen, um die Risiken adäquat abzudecken. Möglicherweise ist dies aber nur Theorie, welche auf spezifischen Voraussetzungen aufbaut. Durch Informationsasymmetrien, mangelndes Know-how der Kunden oder auch einer gewissen Emotionalität bei der Entscheidungsfindung existieren in der Praxis einige Friktionen und der Markt funktioniert deshalb vermutlich anders. Ebenso ist der Preis nur eines von mehreren Kriterien in der Entscheidungsfindung.
  • Die in der Schweiz derzeit noch vorherrschenden Konsumkreditfirmen verfügen wie die Banken über ein physisches Filialnetz. Gemäss den Aussagen einiger Marktteilnehmenden gibt es auch im Konsumkreditmarkt in der Regel viele Rückfragen und nur wenige Standard-Fälle. Entsprechend sei die Beratung und auch das persönliche Gespräch vor allem bei Kreditbeträgen über CHF 10‘000 und dem ersten Kreditantrag noch immer wichtig. Es wird spannend zu beobachten sein, ob bzw. wie gut das ausschliesslich digitale Modell von bob Finance funktioniert.
  • Wenn die Konsumkredite von bob Finance an Kiosken beworben werden, ist nicht auszuschliessen, dass einige Politiker „nervös“ werden und das Thema „Überschuldung“ wieder stärker in die Öffentlichkeit rückt.
  • Das Modell an sich ist zwar rein online. Bei der persönlichen Identifikation oder auch beim (elektronischen) Einholen von Betreibungsauskünften ist aber derzeit aus regulatorischen Gründen (noch) ein Medienbruch zu verzeichnen. Dies ist sicherlich nicht im Sinne des Geschäftsmodells von bob Finance. Andere Länder wie z.B. Deutschland sind diesbezüglich weiter.

Fazit

Auch Hilmar Scheel, CEO von bob Finance, geht davon aus, dass der Konsumkreditmarkt in der Schweiz eher stagnieren wird. Insofern begibt sich bob Finance in einen Markt, der sich über einen Verdrängungskampf auszeichnet. Erwartet hatte man in der Branche eher, dass neue Konkurrenten aus dem Bereich Crowdlending entstehen (z.B. Cashare, CreditGate24). Insofern wurden verschiedene Marktplayer von diesem Schritt überrascht. Man darf gespannt sein, wie sich bob Finance entwickeln wird. Der Start von bob money verlief gemäss eigenen Aussagen bisher positiv.

Kommentare

2 Kommentare

Laurent Gross

23. September 2015

Das ist ein sehr interessantes Konzept, in Ungarn hat man sowas staatlich umgesetz :(

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Hansjörg Leichsenring

21. September 2015

Ein bemerkenswertes Konzept, das jedoch nur in Ländern funktioniert, in denen Kioske zentral gemanaged werden. In Deutschland gab es mal ähnliche Versuche von Tschibo. In meinem letzten Schweiz Urlaub habe ich mich darüber mal mit einer Kiosk-Leiterin unterhalten. Sie schilderte mir auch die Probleme mit solchen Gemischtwaren-Konzepten: Der Mensch am Tresen muss noch halbwegs über das Bescheid wissen, was er da tun und verkaufen soll und das ist gerade in Vertriebseinheiten mit einem oder zwei Mitarbeitern extrem schwierig zu gewährleisten. Beste Grüße Hansjörg Leichsenring http://www.der-bank-blog.de

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