30. Juni 2014

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Rückblick auf die Konferenz „Innovative Angebote im Retail Banking“

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich

Die Konferenz „Innovative Angebote im Retail Banking“ fand am Donnerstag, 26 Juni 2014 am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ statt und wurde von knapp 120 Personen besucht. Nachfolgend möchte ich einige interessante Aussagen der verschiedenen Referenten kurz zusammenfassen und einige Impressionen der Konferenz weitergeben.

Einführung
Prof. Dr. Andreas Dietrich, Hochschule Luzern-Wirtschaft

  • Verschiedene vom IFZ durchgeführte Studien zeigen auf, dass aus Bankensicht teilweise die Sensibilität für neue Entwicklungen und auch (potenzielle) neue Anbieter fehlt. Ebenso ist die Innovationskraft bei den meisten Banken noch immer eher tief.
  • Das Management ist derzeit bei vielen Regionalbanken zu stark mit dem operativen Tagesgeschäft, den Regulatorien oder Kostensenkungsmassnahmen absorbiert. Insgesamt können viele in erster Linie reaktive Massnahmen auf das veränderte Unternehmensumfeld festgestellt werden. Nur wenige Banken nutzen hingegen derzeit die sich bietenden Chancen und gestalten proaktiv ihre Zukunft.
  • Es kommt nicht einmal darauf an, die Zukunft vorherzusagen. Es geht viel eher darum, auf die Zukunft vorbereitet zu sein. Daher hat diese Konferenz verschiedene für Banken möglicherweise relevante Themen aufgegriffen und vertieft diskutiert.

Hypothekenvermittler – Chance oder Gefahr für Banken?
Zwei Hypothekenvermittler – zwei unterschiedliche Geschäftsmodelle
Dr. Stefan Heitmann (Money Park); Dr. Silvan Kaufmann (Hypo Plus AG)

  • Die Vermittler sehen ihre Vorteile gegenüber traditionellen Hypothekenanbietern vor allem in der unabhängigen Beratung, der grossen Auswahl und den besten Konditionen (nicht nur Preis).
  • Aus Bankensicht könnte das Vermittlergeschäft den positiven Effekt haben, dass der IT-Aufwand, der Beratungsaufwand und auch die Marketingaufwände für die vermittelten Kunden geringer sind. Ebenso können Banken dank Vermittlern möglicherweise eine Marktausweitung und eine erhöhte Portfolio-Diversifikation erreichen.
  • MoneyPark möchte 2014 bereits über 5 Filialen verfügen. Das Ziel ist es, ein Kreditvolumen von mehr als CHF 500 Millionen vermittelt zu haben.
  • Das Potenzial für professionelle Vermittler wird von beiden Vermittlern als sehr hoch eingeschätzt – Entwicklungen in Deutschland, UK und USA zeigen hier möglicherweise den Weg. In der Schweiz informieren sich derzeit bereits jährlich 500‘000 Kunden im Internet über Hypotheken.

Crowdfunding – Chance oder Gefahr für Banken?
Geschäftsmodelle von Crowdfunding-Anbietern
Michael Borter (Cashare); Steffen Wagner (investiere.ch)

  • Gemäss Michael Borter vermittelt cashare häufig (Konsum-)Kredite mit tieferen Zinssätzen als Banken. Der Preis eines Kredits wird durch ein Auktionsverfahren festgelegt.
  • Seit der Gründung im Jahr 2008 hat Cashare mittlerweile (kumuliert) rund CHF 7 Millionen vermittelt. Dies ist im Vergleich zu den jährlichen Neuabschlüssen im Konsumkreditmarkt (CHF 4.2 Mrd.) wenig. Trotzdem sieht Borter im P2P Lending ein enormes Potenzial. Er erwartet, dass dies auch Auswirkungen auf das Bankgeschäft haben wird.
  • Rund die Hälfte der Start-Ups, in welche die Crowdinvesting Plattform investiere investiert, sind Spin-Offs von ETH oder EPFL. Die Auswahl erfolgt auch über „social proofs“ der Crowd. Oftmals geht investiere auf die Unternehmen zu (und nicht umgekehrt).
  • Der Zugang zur Plattform ist bei investiere insofern eingeschränkt, als dass ein gewisses Fachwissen der Investoren vorausgesetzt wird. Viele Mitglieder der Community von investiere sind erfahrene Private Equity / Venture Capital Investoren.
  • Im Jahr 2013 hat investiere 8 Deals im Umfang von CHF 5.1 Millionen abgewickelt. Das Potenzial für Deals über ihre Plattform wird auf ca. CHF 50 Millionen geschätzt.
  • Die Regulierung könnte die Geschäftsmodelle von Crowdfunding-Plattformen fast grundsätzlich in Frage stellen. Die beiden Referenten würden aber trotzdem eine stärkere aber „vernünftige“ Regulierung begrüssen.

Erfahrungen und Perspektiven des Personal Finance Management
Hype oder ein Muss für die Banken?
Andreas Kubli (UBS Schweiz); Zaida Méndez (PostFinance)

  • Beide PFM Anbieter erhalten viele lobende Worte von Kunden (positives Kundenerlebnis). Ebenso scheint die Kundenbindung tendenziell höher – es gibt Hinweise auf tiefere Kündigungsraten von PFM-Nutzern. Gemäss den Einschätzungen der Referenten führt PFM nicht nur zu erhöhter Loyalität, sondern auch zu mehr Geschäftsabschlüssen. Da PFM die Attraktivität digitaler Kanäle steigert, werden die Interaktionsfrequenz und die Verweildauer auf den digitalen Kanälen weiter erhöht.
  • Wichtig für die erfolgreiche Umsetzung des PFM sind die automatische Kategorisierung von Kontentransaktionen (>90% sollten automatisch kategorisiert werden), eine gute Partnerschaft (von einer Eigenentwicklung wird abgeraten), eine positive und gute Kommunikation dieser Dienstleistung (keine Dienstleistung für „arme Menschen“), und die „richtige“ Platzierung innerhalb des Online Banking.
  • Es wird erwartet, dass PFM zukünftig integraler Bestandteil des Online Bankings wird. Das Potenzial im Bereich PFM scheint derzeit noch nicht ausgeschöpft. Weitere Entwicklungen werden erwartet und sind von den beiden Anbietern auch schon geplant.
  • PFM ist zwar derzeit etwas ein Hype – gleichzeitig wird PFM aber zukünftig auch ein Muss für eine Bank.
  • Eine ROI-Rechnung ist schwierig zu bewerkstelligen resp. es ist eher unwahrscheinlich, dass man damit direkt viel Geld verdienen kann. Gleichzeitig kann aber auch festgestellt werden, dass die Nutzer von PFM in der Regel ertragsreicher, da auch zufriedener sind.

Anlagegeschäft im Retail Banking im Umbruch?
Zwei neue Geschäftsmodelle im Anlagebereich
Ivo Streiff (MydepotCheck); Marc P. Bernegger (Next Generation Finance Invest AG)

  • Die digitale Revolution, das Breitband-Internet, sowie mobiles und benutzerfreundliches Web (Smartphones) sind Auslöser und Treiber der veränderten Angebote im Anlagebereich („Anlegen 2.0“).
  • Als Beispiele für neue Anbieter im Bereich Vermögensverwaltung und Private Banking wurden die US-Unternehmen Wealthfront, Betterment, Covestor und Future Advisor genannt, zudem Nutmeg in Grossbritannien, die deutsche Vaamo sowie Moneyvane. Wealthfront hat beispielsweise bereits nach drei Jahren (!) mehr als eine Milliarde USD Kundenvermögen gewinnen können.
  • Auch bei der Kreditvergabe gibt es neue Geschäftsmodelle, bei denen Banken umgangen werden. Als Beispiele können hier Crowdlending-Firmen wie z.B. Prosper und Lending Club (beide USA), Zopa (Grossbritannien), Smava und Auxmoney (beide Deutschland) oder Cashare (Schweiz) genannt werden.
  • Im Bereich des Anlagevergleichs existiert in der Schweiz die Firma Mydepotcheck. Auf Mydepotcheck kann der Anleger herausfinden, ob sein individuelles Anlegerprofil einer objektiven Überprüfung standhält (auch nach Behavioural Finance-Standards) und wie gross die Abweichungen zwischen Anlegerprofil und dem aktuellen Depot ist. Ebenso können Finanzdienstleister ermittelt werden, die passende Produkte zu seinem Anlegerprofil anbieten (u.a. nach Kosten und Performance).

Konferenz in den Medien

Die NZZ hat in ihrem Artikel „Neue Konkurrenz für Banken“ über die Konferenz berichtet:
http://www.nzz.ch/wirtschaft/neue-konkurrenz-fuer-banken-1.18331468

Ausblick

Am Nachmittag des 20. November 2014 findet die IFZ Retail Banking Konferenz 2014 in Zug statt. An dieser Konferenz werden sich auch in diesem Jahr hochkarätige Referenten aus der Retail Banking-Branche praxisnah zu den derzeit grössten Herausforderungen äussern und Sie herzlich zur Diskussion einladen. Ebenso werden die Resultate der diesjährigen IFZ Retail Banking Studie veröffentlicht. Das Programm finden Sie hier. Anmelden können Sie sich hier.

Impressionen:

Innovative Angebote Pics 3
Innovative Angebote Pics 1
Innovative Angebote Pics 2

Kommentare

1 Kommentare

Ulrich Welzel

30. Juni 2014

Vielen Dank für die Zusammenfassung. In Deutschland hat sich gezeigt, dass selbst die besten und eventuell auch innovativen Angebote nicht wesentlich zum Mehrumsatz beitragen. Der Grund liegt meiner Meinung nach darin, dass wir Banker nicht auf die Kommunikation mit den neuen "Alten" (55-74 Jahre) und alten "Alten" (75 und älter) vorbereitet sind. Diese Zielgruppe besitzt bis zu 80% der Bankeinlagen. Hinzu kommt, dass die Vertriebsstrukturen in den meisten Banken unverändert gleich sind. Dabei wissen wir, dass sich die Verkaufsprozesse seit der Lehmann-Pleite längst hätten verändern müssen. Veränderungen in der Vertriebsstruktur setzen aber auch deutliche Veränderungen in der Führungsebene voraus. Viele Grüße in die Schweiz Ulrich Welzel

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