Vom Bahnhof Luzern kommend, stehe ich zum ersten Mal vor der Schwelle zum «Frohburgsteg». Vorsichtig setze ich meinen rechten Fuss neben einen zertrampelten Kaugummi auf die Brücke. Sie erstreckt sich als langer Gang über zahlreiche Bahngleise. Ihre Stahlkonstruktion prägt ihr architektonisches Bild enorm. Alles ist in grau und aus Stahl, Chrom oder Eisen erbaut. Vom Rillenblech am Boden zum Gitter als Absturzsicherung bis hin zum Wellblech, welches als flaches Tonnendach dient.
Als ich über den Steg lief, kamen mir zahlreiche Menschen entgegen. Ihre Gesichter sahen nicht gerade aus, als würden sie den Bau bewundern oder überhaupt wahrnehmen. Auch ich würde ihn im Normallfall nur schnell beschreiten wollen. Er lädt nicht zum Verweilen ein. Die kalten und statischen Materialien sowie das nüchterne Geräusch, das beim Gehen entsteht, erweckten in mir ein abstossendes Gefühl. Das Einzige, das den Bau lebendig macht, sind seine offenen Seiten, über die frische Luft in meinen Atem gelangt und Sonnenstrahlen auf meine Haut treffen. Erst beim Durchschreiten bemerke ich seine ganze Länge, die sich enorm hinauszögert. Schritt für Schritt gehe ich den monotonen Gang entlang und achte mich auf seine Strukturen. Langsam bemerke ich, wie komplex dessen Konstruktion ist.
Man sieht gebogene Stützen, die sich den Wänden entlang bis zum Dach erstecken. Neben dem Geländer ist ein Hohlraum, auf dessen Aussenseite ein gebogenes Gitter eingebracht worden ist. Diese ganzen Elemente erinnern mich an den Konstruktivismus. Ich habe direkt das Bild des berühmten Dachausbaus von «Coophimmelblau» in Wien im Kopf. Diese Elemente erhöhen mein Interesse und fordern meinen Blick in seiner Analyse.
Kurz vor dem Ende bemerke ich einen seitlichen Gang auf meiner linken Seite. Er führt zur Bénédict-Schule und ist mit dem Frohburgsteg architektonisch verwandt. Der Hauptsteg ist jedoch viel wilder. Nach dem Seitengang folgt der Schluss des Stegs, der in Form eines gläsernen Liftes mit umlaufender Treppe nach unten zum Boden führt. Dieser Treppenturm wurde mit leicht transparenten Kunststoffplatten eingefasst, was zu einer weichen und gleichmässigen Lichtstimmung in seinem Inneren führt. Man hört es, wenn Leute über die Metalltreppen gehen, und sieht, wenn der Lift in Bewegung ist. Die öffentliche Nutzung hat zur Folge, dass Cola-Büchsen und Zigarettenstummeln in den Ecken liegen. Deswegen wirkte die Atmosphäre nicht gerade sympathisch auf mich. Beim Atmen bemerke ich, dass die Sonne die Innenluft, durch den Treibhauseffekt, aufwärmt und stickig macht. Weshalb es für mich ein erleichterndes Gefühl ist, hinaus in den Aussenbereich zu gelangen. Nach 20 Metern richte ich meinen Blick nochmals zurück und betrachte den Steg in seinem Ganzen. Die Form wirkt wie ein liegendes «L», das sich über die Bahngleise legt. Ich weiss nun, dass ich das nächste Mal mit einem anderen Bewusstsein über den Steg laufen werde. Dann wende ich meinen Kopf zurück und gehe weiter in die Stadt hinein.