6 Fragen und Antworten zum Jugendfest und Freischarenmanöver in Lenzburg

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In dieser Blogserie stelle ich dir Lenzburg vor – eine kleine Stadt im Herzen des Kanton Aargau. Heute mit der langjährigen Tradition des Jugendfests und des Freischarenmanövers.

Es sorgte für helle Aufregung in den letzten Wochen in Lenzburg: Das Freischarenmanöver, das Bestandteil des Lenzburger Jugendfests ist. Aufgrund des Krieges in der Ukraine war die diesjährige Durchführung des Landschaftstheaters, das kriegerische Elemente beinhaltet, umstritten. Doch was hat es mit dem Jugendfest und dem Freischarenmanöver auf sich? Das kläre ich für dich in diesem Beitrag.

#1 Wie läuft das Jugendfest ab?

Das Jugendfest findet immer am zweiten Freitag im Juli statt, dieses Jahr konkret am 8. Juli. Aber eigentlich steht schon die ganze Woche unter dem Stern des Jugendfests. Startschuss ist am Sonntagabend mit einer Serenade des Musikvereins Lenzburg auf dem Schloss. Von Montag bis Donnerstag finden diverse Anlässe (zum Beispiel das berühmte Fischessen am Mittwochabend) statt, die Brunnen werden feierlich geschmückt, am Donnerstagabend folgt mit dem Zapfenstreich dann der Vorabend des Jugendfests. In der ganzen Stadt werden Bars, die von den Vereinen organisiert sind, aufgestellt und es finden Konzerte statt. Das eigentliche Highlight ist jeweils der Freitag mit dem offiziellen Umzug, der morgens um 6 Uhr mit Böllerschüssen eingeläutet wird. Es finden verschiedene Morgenfeiern und Festansprachen statt, am Nachmittag dann das Freischarenmanöver (nur in den geraden Kalenderjahren, dazu gleich mehr). Am Abend versammelt man sich auf der Schützenmatte für das «Jugendfestznacht», von wo man dann spätabends auch das traditionelle Feuerwerk über Schloss Lenzburg bestaunen kann. Samstag und Sonntag geht das Jugendfest mit Lunapark und weiteren Anlässen weiter, so zum Beispiel der Metschgplatsch mit tollen Konzerten.

Das Feuerwerk über Schloss Lenzburg gehört zu den Highlights an den Jugendfest-Tagen (Bild: Chris Iseli / Shutterstock.com)

#2 Was ist denn dieses Freischarenmanöver?

Das Freischarenmanöver findet jeweils an den Kalenderjahren mit geraden Zahlen statt, und zwar am Nachmittag des eigentlichen Jugendfest-Tages.  Bei diesem Manöver bekämpfen sich Kadetten und Freischaren. Die Kadetten sind dabei traditionellerweise die Schülerinnen und Schüler der Regionalschule Lenzburg (ab der 5. Klasse ist Mitmachen erlaubt), die Freischaren bestehen aus hunderten (erwachsenen) Freiwilligen unterstützt von den unterschiedlichsten Vereinen in Lenzburg. Ein lauter Böllerschuss bildet den Start, gefolgt von den (natürlich inszenierten) Kämpfen zwischen Kadetten und Freischaren auf dem Gofi und der Schützenmatte. Eins nehme ich schon vorweg: Traditionellerweise gewinnen immer die Kadetten, was symbolisch auch als der Sieg der Jugend über die Erwachsenen gedeutet wird.

Die Freischaren in Angriffsmodus (Bild: jugendfest-fotos.ch / Jean-Daniel Ruffieux)

#3 Von wo kommt die Tradition des Freischarenmanövers?

Das Freischarenmanöver war inspiriert von den vielen Freischarenzügen im 19. Jahrhundert. Die Freischaren forderten die Regierung heraus, meist erfolglos. Auch in Baden gab es Freischaren und zwar unter der Führung von Ludwig Blenker. Er gilt als Vorbild für das Lenzburger Freischarenmanöver. In einem Film sagt Stephan Gurini, General der Freischaren bis 2020: «Historisch gesehen kann man eigentlich sagen, ist das Freischarenmanöver eine Parodie auf Ludwig Blenker, der 1849 mit seinem Frei- und Raubcorps durch Lenzburg gezogen ist». Denn: 3 Jahre später haben sich eine Gruppe Lenzburger – als Freischaren verkleidet – zusammengetan und am Jugendfest die «langweiligen» Manöverübungen der Kadetten gecrasht. Es ist also nun eine 170-jährige Tradition, dass die Freischaren mit ihrem Schlachtruf «Honolulu» die Kadetten herausfordern.

#4 Und was sind denn Kadetten?

Die ersten Kadettencorps sind in der Schweiz im späten 18. Jahrhundert entstanden, so auch in Lenzburg. Die Kadettenkorps unterrichteten damals die jungen Buben in den oberen Schulstufen u.a. im Schiessen und bereiteten sie so auf den Militärdienst vor. 1973 wurde der Kadettenunterricht, der bisher obligatorisch war, im Kanton Aargau abgeschafft. Dies stellte die Tradition des Freischarenmanövers vor eine schwierige Herausforderung: Wie will man weiterhin ein Manöver machen ohne Kadetten? Den Organisatoren gelang es, ein Kadettencorps auf freiwilliger Basis aufzustellen – so dass auch heute noch immer genügend begeisterte Kadetten ins Feld ziehen.

Die Kadetten in Verteidigungsmodus (Bild: jugendfest-fotos.ch / Jean-Daniel Ruffieux)

#5 Wieso haben die Freischaren den Schlachtruf «Honolulu»?

Damit das Freischaren-Corps motivierter ist, brauchte es einen Schlachtruf – und das wurde «Honolulu»! Offenbar war es Gustav Ferdinand Zeiler (der Sohn vom Hero-Gründer Gustav Zeiler, über den ich in diesem Blog auch schon geschrieben habe), der nach einer Reise auf Hawaii in dessen Hauptstadt Honolulu den Schlachtruf im wahrsten Sinne des Wortes importiert hat.

#6 Und weshalb geriet das Freischarenmanöver nun in Kritik?

Das Freischarenmanöver ist eine Inszenierung eines kriegerischen Konflikts, weshalb aufgrund des Krieges in der Ukraine Kritik über die diesjährige Durchführung aufgekommen ist. Es gab Forderungen, das Freischarenmanöver dieses Jahr auszulassen, weil es respektlos gegenüber ukrainischen Flüchtlingen sei. Die Gegner einer solchen «Pause» argumentierten, dass es sich beim Freischarenmanöver um ein Landschaftstheater handle, zudem habe es eine langjährige Tradition in Lenzburg. Der Stadtrat hat nach längerer Diskussion dann am 4. Mai entschieden, das Manöver dieses Jahr durchzuführen. Es wird aber einige Anpassungen geben, so werden die Kadetten zum Beispiel ohne Gewehre durch die Stadt ziehen und es wird Infoanlässe für ukrainische Flüchtlinge geben.

Dieses Jahr ohne Gewehre: Die Kadetten nach der Kaderwahl (Bild: jugendfest-fotos.ch / Olivier Vermeulen)

Das Jugendfest und das Freischarenmanöver sind von Lenzburg nicht wegzudenken. Wenn du mehr darüber erfahren möchtest, habe ich dir folgende Linkempfehlungen zusammengestellt:

Warst du schonmal am Jugendfest in Lenzburg? Was war dein Highlight? Lass’ es mich in den Kommentaren wissen!


Meine bisher erschienenen Blogbeiträge:

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About Author

Salü! Ich bin Manuel, 26 Jahre alt und lebe seit zwei Jahren in Lenzburg. In diesem Blog möchte ich dir die – aus meiner Sicht – schönste Stadt der Schweiz vorstellen. Wie tickt Lenzburg? Was sind die schönsten Orte, die besten Beizen, die wundervollsten Plätze – die «Must-sees»? Wie lebt es sich hier und wie lebt man sich ein? Diese Fragen klären wir in den nächsten Monaten.

5 Comments

  1. Wieder ein mega spannender Beitrag, Manu! Das Jugendfest ist bei mir schon im Kalender eingetragen 🙂

  2. Hallo Manuel
    Besten Dank für deinen spannenden Beitrag. Ich war schon einige Male vor Ort – zumindest am Abend. Allerdings hatte ich mich noch nie so sehr um Details dieses Anlasses bemüht – bis zum jetzigen Zeitpunkt. Freue mich schon jetzt auf das Juli-Wochenende in Lenzburg.

    Mit freundlichen Grüßen
    Stefan

  3. Hallo und danke für den Artikel! Wenn wir von ausserhalb kommen und “nur” das Manöver anschauen wollen (mit einem 7-Jährigen), wo könnte man gut stehen um was zu sehen? Danke im Voraus!

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